Die europäische Eßkultur ist ebenso reich wie vielfältig. Jedes Land, jede Region verfügt über eine jahrhundertealte Kochtradition und über unverwechselbare kulinarische Spezialitäten. Die zunehmende Internationalisierung führt jedoch zu einer Vereinheitlichung der Eßgewohnheiten, das Wissen über traditionelle Nahrungsmittel und ihre Zubereitung geht mehr und mehr verloren. Deshalb haben sich verschiedene kulinarische Institute unter der Dachorganisation "Euroterrior" mit Unterstützung der EU darangemacht, das kulinarische Erbe der Mitgliedstaaten zu dokumentieren. Die von der TU München-Weihenstephan für Deutschland erzielten Ergebnisse werden hier einem breiten Publikum zugänglich gemacht. Wer sich für unverfälschte regionale Eßkultur interessiert, erfährt hier Wissenswertes über traditionsreiche Nahrungsmittel aus verschiedenen Bereichen wie Obst und Gemüse, Fleisch, Wurst- und Backwaren, Getränke und Gewürze.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 23.09.1999Küche
"Deutschlands kulinarisches Erbe - traditionelle regionaltypische Lebensmittel und Agrarerzeugnisse" mit einen Vorwort von Frank Thiedig und Fotografien von Andreas Riedel. ars vivendi verlag, Cadolzburg 1998. 199 Seiten, einige Schwarzweißfotos. Gebunden, 39,80 Mark. ISBN 3-89716-041-2.
Der Titel klingt ein wenig pompös, der Anspruch aber, der dahinter steht, ist der nüchterne Versuch einer Ehrenrettung. Und das oft gering geschätzte kulinarische Erbe Deutschlands aufzuspüren, mit wissenschaftlicher Akribie fern jeder heimatkundlichen Beflissenheit in einem Lexikon zu dokumentieren muss als verdienstvolle Leistung anerkannt werden. Immerhin dreihundert Produkte von Aachener Printen bis Zwischenahner Aal umfasst dieses Inventar regionaltypischer Lebensmittel und Agrarprodukte, das weit über die übliche Ernährungsfolklore von Sauerkraut und Eisbein hinausgeht. Vielmehr müssen die in das Kompendium aufgenommenen Produkte strenge Kriterien erfüllen. Voraussetzungen sind etwa, dass die Herstellungsmethoden seit Generationen weitergegeben werden, die Getränke und Gerichte eine "historische Tiefe" besitzen, zugleich aber noch immer auf dem Speisezettel stehen. Unter den Lebensmitteln, die jeweils nach Charakteristika, Geschichte, Zusammensetzung und Herstellung beschrieben werden, sind vertraute Klassiker wie Apfelwein, Labskaus oder Münchner Oktoberfestbier, aber auch viele Kuriositäten aus den dunklen Winkeln der deutschen Küche, etwa die Ammerländer Fleischbrühe Mockturtle oder Meißner Fummel. Diese überaus zerbrechlichen Oblatenteigtaschen soll August der Starke seinen trinkfreudigen Kurieren mitgegeben haben, weil sie das kostbare Meißner Porzellan beim Transport immer wieder zerbrochen hatten. Fortan mussten die Kuriere die Teigtaschen bei der Ankunft unversehrt vorzeigen. Nach hundertneunundneunzig Seiten wird die Schatzkiste deutscher Kochkunst, die sich am berühmten "Inventaire du patrimoine culinaire de la France" orientiert, wieder geschlossen - und ein Blick auf das Original rückt die Verhältnisse rasch ins rechte Licht: Die französische Bestandsaufnahme ist eine monumentale Enzyklopädie mit mehr als einem Dutzend Bänden und vielen tausend Seiten. (str.)
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
"Deutschlands kulinarisches Erbe - traditionelle regionaltypische Lebensmittel und Agrarerzeugnisse" mit einen Vorwort von Frank Thiedig und Fotografien von Andreas Riedel. ars vivendi verlag, Cadolzburg 1998. 199 Seiten, einige Schwarzweißfotos. Gebunden, 39,80 Mark. ISBN 3-89716-041-2.
Der Titel klingt ein wenig pompös, der Anspruch aber, der dahinter steht, ist der nüchterne Versuch einer Ehrenrettung. Und das oft gering geschätzte kulinarische Erbe Deutschlands aufzuspüren, mit wissenschaftlicher Akribie fern jeder heimatkundlichen Beflissenheit in einem Lexikon zu dokumentieren muss als verdienstvolle Leistung anerkannt werden. Immerhin dreihundert Produkte von Aachener Printen bis Zwischenahner Aal umfasst dieses Inventar regionaltypischer Lebensmittel und Agrarprodukte, das weit über die übliche Ernährungsfolklore von Sauerkraut und Eisbein hinausgeht. Vielmehr müssen die in das Kompendium aufgenommenen Produkte strenge Kriterien erfüllen. Voraussetzungen sind etwa, dass die Herstellungsmethoden seit Generationen weitergegeben werden, die Getränke und Gerichte eine "historische Tiefe" besitzen, zugleich aber noch immer auf dem Speisezettel stehen. Unter den Lebensmitteln, die jeweils nach Charakteristika, Geschichte, Zusammensetzung und Herstellung beschrieben werden, sind vertraute Klassiker wie Apfelwein, Labskaus oder Münchner Oktoberfestbier, aber auch viele Kuriositäten aus den dunklen Winkeln der deutschen Küche, etwa die Ammerländer Fleischbrühe Mockturtle oder Meißner Fummel. Diese überaus zerbrechlichen Oblatenteigtaschen soll August der Starke seinen trinkfreudigen Kurieren mitgegeben haben, weil sie das kostbare Meißner Porzellan beim Transport immer wieder zerbrochen hatten. Fortan mussten die Kuriere die Teigtaschen bei der Ankunft unversehrt vorzeigen. Nach hundertneunundneunzig Seiten wird die Schatzkiste deutscher Kochkunst, die sich am berühmten "Inventaire du patrimoine culinaire de la France" orientiert, wieder geschlossen - und ein Blick auf das Original rückt die Verhältnisse rasch ins rechte Licht: Die französische Bestandsaufnahme ist eine monumentale Enzyklopädie mit mehr als einem Dutzend Bänden und vielen tausend Seiten. (str.)
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main