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Deutschland ist und bleibt Nicht-Nuklearstaat, hat aber nukleare Interessen. Diese müssen angesichts der konkreten Bedrohung durch Russland und der Gefahr eines immer machtbewussteren Chinas neu definiert werden. Wie kann Deutschland zur nuklearen Abschreckung im Rahmen der NATO beitragen und gleichzeitig die nuklearen Gefahren minimieren? Wie funktioniert der nukleare Schutzschirm der USA für die Verbündeten eigentlich genau und was sind die Dilemmas der nuklearen Abschreckung? Wie kann Deutschland seine Sicherheitsinteressen in einer Welt vertreten, in der Kernwaffen eine Realität bleiben?…mehr

Produktbeschreibung
Deutschland ist und bleibt Nicht-Nuklearstaat, hat aber nukleare Interessen. Diese müssen angesichts der konkreten Bedrohung durch Russland und der Gefahr eines immer machtbewussteren Chinas neu definiert werden. Wie kann Deutschland zur nuklearen Abschreckung im Rahmen der NATO beitragen und gleichzeitig die nuklearen Gefahren minimieren? Wie funktioniert der nukleare Schutzschirm der USA für die Verbündeten eigentlich genau und was sind die Dilemmas der nuklearen Abschreckung? Wie kann Deutschland seine Sicherheitsinteressen in einer Welt vertreten, in der Kernwaffen eine Realität bleiben? Was kann Deutschland in die nuklearstrategischen Überlegungen der NATO einbringen, um seinem Anspruch als "Führungsmacht" gerecht zu werden?
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 12.09.2023

Die Bombe, die Deutschland lieben soll
Karl-Heinz Kamp will den nuklearen IQ erhöhen und warnt vor Russlands Atomwaffen

Ein Buch, in dessen Titel "Deutschlands nukleare Interessen" vorkommen, wäre vor dem Ukrainekrieg vermutlich nicht geschrieben worden. Und wenn doch, dann hätte es einigen Gegenwind erfahren können. Der Gedanke, dass Deutschland Interessenpolitik betreiben solle, und das auch noch auf dem schwierigen Feld der nuklearen Verteidigung, hätte nicht zur pazifistischen und moralistischen Grundstimmung gepasst, die bis zu Putins Überfall im Land herrschte. Dass der russische Präsident schon seine früheren Übergriffe auf die Ukraine mit nuklearen Drohgebärden abzusichern suchte, nahm nur eine kleine Fachwelt wahr.

Karl-Heinz Kamp ist ein Veteran dieser deutschen "strategic community", die nach dem Kalten Krieg noch schneller schrumpfte als die Bundeswehr. Er war bei der Adenauer-Stiftung, bei der NATO, an der Bundesakademie für Sicherheitspolitik und im Verteidigungsministerium. Auch nach der "Zeitenwende" stellt er dem Land kein gutes Zeugnis aus, wenn es um die existenziellste aller Sicherheitsfragen geht: "So manche Stellungnahme von Mitgliedern des Deutschen Bundestages zu Nuklearfragen zeigt leider, dass selbst in parlamentarischen Kreisen das Wissen über die politischen Zusammenhänge im Bereich Abschreckung lückenhaft ist." Hart geht er auch mit den Universitäten ins Gericht, an denen der politische Nachwuchs ausgebildet wird: "Die Zahl der Hochschullehrer, die in ihren politischen Seminaren in Deutschland neben den allgegenwärtigen Gender Studies auch Seminare über Abschreckung oder Nuklearthemen anbieten, ist derzeit verschwindend gering. Das hat mit der generellen Stigmatisierung der Sicherheitspolitik an deutschen Universitäten zu tun, die sich parallel zum Aufstieg der Friedensbewegung in der 1980er Jahren entwickelte." Sogar im Lehrgang für den Generalstabs- und Admiralstabsdienst an der Führungsakademie der Bundeswehr gebe es keine speziellen Module für Fragen der nuklearen Abschreckung, notiert Kamp. Das erstaunt den Leser dann doch, immerhin nimmt die Bundeswehr aktiv an der nuklearen Teilhabe der NATO teil. Die deutsche Luftwaffe würde im Ernstfall amerikanische taktische Atombomben in den Einsatz fliegen.

Kamp plädiert deshalb dafür, den Wissensstand zu erhöhen, was man bei der NATO "raising the nuclear IQ" nennt. Sein Buch ist ein guter Beitrag dazu, denn es erklärt auf 113 Seiten die wichtigsten Aspekte der nuklearen Abschreckung und ihre historische Entwicklung. Es wäre gut, wenn so mancher (spätberufene) Außenpolitiker in Berlin insbesondere die Passage zum Niedergang Russlands lesen würde. Kamp weist zu Recht darauf hin, dass der Verlust von großen Teilen der konventionellen Invasionsfähigkeit, die dem Land wegen des Kriegsverlaufs und der westlichen Sanktionen droht, zu einer größeren Gewichtung der Nuklearwaffen führen dürfte. Das ist nur eine der Realitäten einer "neuen nuklearen Welt", zu der auch Chinas Aufwuchs zur nuklearen Großmacht und eine zu erwartende beschleunigte Verbreitung von Atomwaffen gehört. Den früher reflexhaften deutschen Ruf nach Rüstungskontrolle und Abrüstung hält der Autor nicht für eine ausreichende Antwort, vor allem nicht im Verhältnis zu Russland. "Den politischen Wunsch nach Abrüstung weiterhin vorzubeten macht wenig Sinn, wenn die reale Chance auf Erfüllung in unermesslicher Ferne liegt."

Kamps Lösung ist die alte deutsche Lösung für dieses Problem: Amerikas Schutzschirm. Angesichts von Russlands Wandel zu einer akuten Sicherheitsbedrohung sei der unverzichtbar. Die Ideen einer strategischen Souveränität Europas oder einer Europäischen Verteidigungsunion von Weltrang hält er für Luftschlösser. Dem wird jeder zustimmen, der schon mal ein Buch über die Armeen dieser Welt studiert hat. Vor allem räumt er mit der Tagträumerei auf, der deutsche nukleare Habenichts könne auch unter den französischen Atomschirm schlüpfen. Nicht nur wäre der zu klein. Paris lässt auch keine glaubhafte Bereitschaft erkennen, nukleare Sicherheitsverpflichtungen für seine Nachbarn und Verbündeten zu übernehmen. Trotzdem hätte man sich an dieser Stelle noch ein paar Ausführungen darüber gewünscht, wie sich Deutschland auf einen möglichen Wegfall der US-Garantie vorbereiten kann. Ausgeschlossen ist dieser Fall ja nicht, Stichwort Trump.

Verdienstvoll ist, dass Kamp sich auch mit praktischen Fragen der erweiterten Abschreckung in der NATO befasst. Mit der Anschaffung von F-35-Kampfflugzeugen durch Deutschland sind die noch lange nicht alle beantwortet. Die Freifallbomben, die sie ausbringen sollen, sind auch in modernisierter Form kein angemessenes Waffensystem mehr. Und aus strategischer Sicht wäre eine Stationierung in Polen oder anderen neuen "Frontstaaten" sinnvoller als derzeit in Deutschland und anderswo in Westeuropa. Man wird es in den nächsten Jahren vermutlich schon als Fortschritt bewerten müssen, wenn es die deutsche Debatte überhaupt bis zu solchen Fragen schafft. NIKOLAS BUSSE

Karl-Heinz Kamp: Deutschlands nukleare Interessen nach dem Ukraine-Krieg.

Nomos Verlag, Baden-Baden 2023. 113 S., 29,- Euro.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Rezensent Nikolas Busse dankt dem Militärstrategen mit NATO-Erfahrung Karl-Heinz Kamp für sein Buch. Die Lektüre legt er Verantwortlichen in Politik und Bundeswehr nahe. Zu lernen ist laut Busse, inwiefern Deutschland in Sachen nukleare Abschreckung ahnungslos ist und welche Rolle die USA dabei spielen. Auf 113 Seiten vermittelt der Autor laut Busse Grundwissen hin zu einem dringend notwendigen "nuclear IQ" und Fakten zur Historie der nuklearen Abschreckung. Verdienstvoll findet der Rezensent nicht zuletzt die Beschäftigung des Autors mit praktischen Fragen zur erweiterten Abschreckung in der NATO.

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