Siggi Jepsen hat einen Deutschaufsatz über "Die Freuden der Pflicht" zu schreiben. Ein Thema, das ihn zwangsläufig an seinen Vater denken läßt, einen Dorfpolizisten, der eines Tages einen hochpolitischen Auftrag erhält...."Ein Meisterwerk, dessen Ernst voller Trauer ist - wie es nur bei einem Beobachter sein mag, der Humor hat." (Werner Weber)
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 14.04.2019"Deutschstunde", wiedergelesen
Was bedeuten die nationalsozialistischen Verstrickungen Emil Noldes für Siegfried Lenz' Roman, der den Maler zum Vorbild seiner zentralen Figur nahm?
Vor fünf Jahren hatten wir die ganze Diskussion schon mal. Da hing Emil Nolde auch schon im Kanzleramt - und wurde damals nicht abgehängt. Warum eigentlich nicht? Im Frankfurter Städel eröffnete im März 2014 eine Nolde-Retrospektive, die den Nationalsozialisten und Antisemiten Nolde zum Thema machte. "Was bleibt nun von seinem Werk?", wurde damals gefragt. Und mit Blick auf Siegfried Lenz' berühmten Roman "Deutschstunde", der nicht nur in Schulklassen, sondern auch sonst überall als ein Roman über Emil Nolde gelesen wurde: "Was passiert mit einem Roman, dem mehr als vierzig Jahre nach dem Erscheinen seine zentrale Figur abhandenkommt - und damit auch ein Gutteil an Glaubwürdigkeit?"
Es passierte so gut wie nichts. In der öffentlichen Wahrnehmung blieb der Mythos Nolde unangetastet. Und die "Deutschstunde" wurde weiter als ein Lehrstück gelesen, in dem der expressionistische Maler Max Ludwig Nansen, gegen den im Jahr 1943 ein Malverbot verhängt wird, als Emil-Nolde-Figur verstanden wurde: ein Künstler, der in Zeiten des Nationalsozialismus inneren Widerstand leistet und sich gegen Schikanen behauptet. Welche Konsequenzen also hatte der bekanntgewordene Antisemitismus Noldes für die Leser des Romans? "Ganz einfach: keine", konnte man 2014 in der "Süddeutschen Zeitung" lesen, die die Diskussion darüber, ob sich in der Wahrnehmung des Werks etwas ändern müsse, auch noch vor einem halben Jahr als "überflüssige Debatte" bezeichnete. Das Nolde-Problem wurde so erfolgreich wegmoderiert, dass jetzt, wo im Hamburger Bahnhof in Berlin die große Nolde-Ausstellung eröffnet worden ist, sich alle wieder neu erschrecken, ganz so, als hätten sie vom Nazitum und Judenhass des Malers noch nie gehört.
Um zu verstehen, wieso bei Nolde das Vergessen so ungeheuer gut funktioniert, muss man wissen, dass die Nolde-Stiftung Seebüll über viele Jahre hinweg erfolgreich versucht hat, das Erbe des Malers makellos zu halten. Aber es ist nicht nur das. Man kommt auch an Siegfried Lenz' "Deutschstunde" nicht vorbei. Denn der 1968 veröffentlichte Roman, in dem ein Junge namens Siggi Jepsen wegen einer Reihe von Bilddiebstählen in einer Anstalt für schwererziehbare Jugendliche einsitzt und eine Strafarbeit über die "Freuden der Pflicht" schreiben muss, ist bis heute so sehr mit dem Namen Nolde verbunden, dass die Fiktion größer ist als die Wirklichkeit. Sie ist sogar so groß, dass viele, wenn sie an den Maler Emil Nolde denken, eigentlich Siegfried Lenz' Figur Max Ludwig Nansen im Kopf haben. Auch das ist eine Wirkung von Literatur.
Dem Jungen im Roman fällt beim Begriff "Pflicht" vor allem sein Vater ein, der als nördlichster Polizeiposten Deutschlands den Befehl erhält, den Künstler Nansen zu überwachen. Diesem ist von den Nazis ein Malverbot auferlegt worden. Der Polizist droht ihm die Beschlagnahmung und Zerstörung seiner Bilder an. Siggi Jepsen beobachtet seinen Vater. Er liegt in seinem Kinderversteck - und schlägt sich auf die Seite des Malers. Beide nehmen die Sache so ernst, dass sie auch nach dem Krieg nicht damit aufhören können: Der Vater verfolgt den Maler auch ohne Nazis weiter. Und der Sohn, der immer noch glaubt, den Maler schützen zu müssen, stiehlt dessen Werke aus einer Ausstellung, wofür er zu einer Jugendstrafe verurteilt wird.
Im Mai 1969, also ein Jahr nach Erscheinen des Romans, schrieb Marcel Reich-Ranicki, damals Literaturkritiker bei der "Zeit", einen Brief an seinen Freund Lenz: "Ist es vielleicht möglich, dass der Erfolg der ,Deutschstunde' nicht nur mit den starken, sondern auch und vor allem mit den schwachen Seiten dieses Buchs zusammenhängt?" Lenz antwortete, er habe wirklich noch nie von einem Leser gehört, der sich ein Buch kaufe, um sich "an den Schwächen und Makeln seines Autors zu begeistern". Aber Reich-Ranicki insistierte: "Die Frage ist, ob Du nicht mit gewissen eher fragwürdigen Elementen in dem Roman einem eher fragwürdigen Publikumsgeschmack entgegenkommst."
Liest man das Buch jetzt wieder, meint man sofort zu verstehen, was Reich-Ranicki meinte. Denn die Figuren sind bei Lenz so klar umrissen, so überdeutlich gezeichnet (der Dorfpolizist als Pflichterfüller und Vertreter des Gesetzes, der Künstler ein Freigeist, der jugendliche Rebell als Retter eines widerständigen Vermächtnisses), dass sie zum Lehrstück besonders geeignet sein mögen, ihnen aber jede Ambivalenz fehlt. Siegfried Lenz selbst hielt den Maler in seinem Roman für "durchaus ambivalent". Das sagte er nach der Eröffnung der Nolde-Retrospektive 2014 bei einem Auftritt im Literaturarchiv Marbach, als er gefragt wurde, was er über den realen Nolde wusste. Der sei wohl "ein problematischer Mensch" gewesen und habe sich politisch "ein bisschen katastrophal" verhalten, sagte er. Mehr nicht.
Tatsächlich wusste er bereits bei der Arbeit an der "Deutschstunde" über die nationalsozialistischen Verstrickungen des Malers Bescheid, unter anderem durch eine Festrede, die der Rhetorikprofessor Walter Jens im August 1967 zum 100. Geburtstag Noldes in Seebüll gehalten und von dessen Idealen der "Reinrassigkeit" gesprochen hatte; von einem, der "die Zukunft der Kunst" mit "judenferner Kunst" gleichsetzte. Günter Berg hat dies in der Hamburger Ausgabe der Lenz-Werke zusammengefasst. In sein Buch nahm Lenz das nicht auf. Das musste er auch nicht. Er schrieb einen Roman. Der Maler darin hieß Nansen und nicht Nolde (der als Hans Emil Hansen geboren wurde). Das Problematische und Katastrophale seines realen Modells, die Ambivalenzen, interessierten ihn für seine "Deutschstunde" offenbar nicht. Aber es hätte uns interessieren müssen. Dass Angela Merkel das Nolde-Bild im Kanzleramt nun abgehängt hat, ist eine gute Entscheidung auch deshalb, weil damit die Routine unterbrochen ist, an die märchenhaft klar umrissenen Charaktere der "Deutschstunde" zu glauben. Der Roman bleibt der Roman. Man kann ihn finden, wie man will. Nolde aber ist nun nicht mehr der Maler aus der "Deutschstunde". Er ist der, der im Kanzleramt abgehängt wurde, und es gilt, sich zu erinnern, warum.
JULIA ENCKE
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Was bedeuten die nationalsozialistischen Verstrickungen Emil Noldes für Siegfried Lenz' Roman, der den Maler zum Vorbild seiner zentralen Figur nahm?
Vor fünf Jahren hatten wir die ganze Diskussion schon mal. Da hing Emil Nolde auch schon im Kanzleramt - und wurde damals nicht abgehängt. Warum eigentlich nicht? Im Frankfurter Städel eröffnete im März 2014 eine Nolde-Retrospektive, die den Nationalsozialisten und Antisemiten Nolde zum Thema machte. "Was bleibt nun von seinem Werk?", wurde damals gefragt. Und mit Blick auf Siegfried Lenz' berühmten Roman "Deutschstunde", der nicht nur in Schulklassen, sondern auch sonst überall als ein Roman über Emil Nolde gelesen wurde: "Was passiert mit einem Roman, dem mehr als vierzig Jahre nach dem Erscheinen seine zentrale Figur abhandenkommt - und damit auch ein Gutteil an Glaubwürdigkeit?"
Es passierte so gut wie nichts. In der öffentlichen Wahrnehmung blieb der Mythos Nolde unangetastet. Und die "Deutschstunde" wurde weiter als ein Lehrstück gelesen, in dem der expressionistische Maler Max Ludwig Nansen, gegen den im Jahr 1943 ein Malverbot verhängt wird, als Emil-Nolde-Figur verstanden wurde: ein Künstler, der in Zeiten des Nationalsozialismus inneren Widerstand leistet und sich gegen Schikanen behauptet. Welche Konsequenzen also hatte der bekanntgewordene Antisemitismus Noldes für die Leser des Romans? "Ganz einfach: keine", konnte man 2014 in der "Süddeutschen Zeitung" lesen, die die Diskussion darüber, ob sich in der Wahrnehmung des Werks etwas ändern müsse, auch noch vor einem halben Jahr als "überflüssige Debatte" bezeichnete. Das Nolde-Problem wurde so erfolgreich wegmoderiert, dass jetzt, wo im Hamburger Bahnhof in Berlin die große Nolde-Ausstellung eröffnet worden ist, sich alle wieder neu erschrecken, ganz so, als hätten sie vom Nazitum und Judenhass des Malers noch nie gehört.
Um zu verstehen, wieso bei Nolde das Vergessen so ungeheuer gut funktioniert, muss man wissen, dass die Nolde-Stiftung Seebüll über viele Jahre hinweg erfolgreich versucht hat, das Erbe des Malers makellos zu halten. Aber es ist nicht nur das. Man kommt auch an Siegfried Lenz' "Deutschstunde" nicht vorbei. Denn der 1968 veröffentlichte Roman, in dem ein Junge namens Siggi Jepsen wegen einer Reihe von Bilddiebstählen in einer Anstalt für schwererziehbare Jugendliche einsitzt und eine Strafarbeit über die "Freuden der Pflicht" schreiben muss, ist bis heute so sehr mit dem Namen Nolde verbunden, dass die Fiktion größer ist als die Wirklichkeit. Sie ist sogar so groß, dass viele, wenn sie an den Maler Emil Nolde denken, eigentlich Siegfried Lenz' Figur Max Ludwig Nansen im Kopf haben. Auch das ist eine Wirkung von Literatur.
Dem Jungen im Roman fällt beim Begriff "Pflicht" vor allem sein Vater ein, der als nördlichster Polizeiposten Deutschlands den Befehl erhält, den Künstler Nansen zu überwachen. Diesem ist von den Nazis ein Malverbot auferlegt worden. Der Polizist droht ihm die Beschlagnahmung und Zerstörung seiner Bilder an. Siggi Jepsen beobachtet seinen Vater. Er liegt in seinem Kinderversteck - und schlägt sich auf die Seite des Malers. Beide nehmen die Sache so ernst, dass sie auch nach dem Krieg nicht damit aufhören können: Der Vater verfolgt den Maler auch ohne Nazis weiter. Und der Sohn, der immer noch glaubt, den Maler schützen zu müssen, stiehlt dessen Werke aus einer Ausstellung, wofür er zu einer Jugendstrafe verurteilt wird.
Im Mai 1969, also ein Jahr nach Erscheinen des Romans, schrieb Marcel Reich-Ranicki, damals Literaturkritiker bei der "Zeit", einen Brief an seinen Freund Lenz: "Ist es vielleicht möglich, dass der Erfolg der ,Deutschstunde' nicht nur mit den starken, sondern auch und vor allem mit den schwachen Seiten dieses Buchs zusammenhängt?" Lenz antwortete, er habe wirklich noch nie von einem Leser gehört, der sich ein Buch kaufe, um sich "an den Schwächen und Makeln seines Autors zu begeistern". Aber Reich-Ranicki insistierte: "Die Frage ist, ob Du nicht mit gewissen eher fragwürdigen Elementen in dem Roman einem eher fragwürdigen Publikumsgeschmack entgegenkommst."
Liest man das Buch jetzt wieder, meint man sofort zu verstehen, was Reich-Ranicki meinte. Denn die Figuren sind bei Lenz so klar umrissen, so überdeutlich gezeichnet (der Dorfpolizist als Pflichterfüller und Vertreter des Gesetzes, der Künstler ein Freigeist, der jugendliche Rebell als Retter eines widerständigen Vermächtnisses), dass sie zum Lehrstück besonders geeignet sein mögen, ihnen aber jede Ambivalenz fehlt. Siegfried Lenz selbst hielt den Maler in seinem Roman für "durchaus ambivalent". Das sagte er nach der Eröffnung der Nolde-Retrospektive 2014 bei einem Auftritt im Literaturarchiv Marbach, als er gefragt wurde, was er über den realen Nolde wusste. Der sei wohl "ein problematischer Mensch" gewesen und habe sich politisch "ein bisschen katastrophal" verhalten, sagte er. Mehr nicht.
Tatsächlich wusste er bereits bei der Arbeit an der "Deutschstunde" über die nationalsozialistischen Verstrickungen des Malers Bescheid, unter anderem durch eine Festrede, die der Rhetorikprofessor Walter Jens im August 1967 zum 100. Geburtstag Noldes in Seebüll gehalten und von dessen Idealen der "Reinrassigkeit" gesprochen hatte; von einem, der "die Zukunft der Kunst" mit "judenferner Kunst" gleichsetzte. Günter Berg hat dies in der Hamburger Ausgabe der Lenz-Werke zusammengefasst. In sein Buch nahm Lenz das nicht auf. Das musste er auch nicht. Er schrieb einen Roman. Der Maler darin hieß Nansen und nicht Nolde (der als Hans Emil Hansen geboren wurde). Das Problematische und Katastrophale seines realen Modells, die Ambivalenzen, interessierten ihn für seine "Deutschstunde" offenbar nicht. Aber es hätte uns interessieren müssen. Dass Angela Merkel das Nolde-Bild im Kanzleramt nun abgehängt hat, ist eine gute Entscheidung auch deshalb, weil damit die Routine unterbrochen ist, an die märchenhaft klar umrissenen Charaktere der "Deutschstunde" zu glauben. Der Roman bleibt der Roman. Man kann ihn finden, wie man will. Nolde aber ist nun nicht mehr der Maler aus der "Deutschstunde". Er ist der, der im Kanzleramt abgehängt wurde, und es gilt, sich zu erinnern, warum.
JULIA ENCKE
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 25.08.2018Der rote Mantel
Vor fünfzig Jahren, im August 1968, erschien der Roman „Deutschstunde“ von Siegfried Lenz.
Er wurde ein Bestseller, über den die Kritiker lästerten – und ist besser als sein Ruf
VON THOMAS STEINFELD
Als Siegfried Lenz im Jahr 1955 die Erzählungen „So zärtlich war Suleyken“ veröffentlichte, die scheinbar lauter Reminiszenzen an das volkstümliche Masuren enthielten, stellte er einen kurzen Kommentar an das Ende des Bandes. Darin steht der Satz: „Meine Heimat lag im Rücken der Geschichte.“ Aus dieser Region Ostpreußens, legte er weiter dar, stammten keine bedeutenden Menschen, keine „Rollschuhmeister“ und keine berühmten Physiker. Siegfried Lenz selber, glaubt der Leser zu verstehen, zähle sich auch nicht zur Prominenz. Dann wären mit „Geschichte“ die Ereignisse und Auftritte gemeint, deretwegen sich die Öffentlichkeit einer Gegend zuwendet.
Man kann den Satz indessen auch programmatisch verstehen, als Auskunft eines Schriftstellers über sich selbst. Dann würde sich hinter dem Wort „Geschichte“ auch die „Erzählung“ verbergen. Und wenn man jenen Satz in seiner ersten Bedeutung noch für kokett halten könnte, so gilt das nicht für seine zweite Bedeutung. Er wäre dann nämlich schlicht wahr und besagte: Siegfried Lenz war, allem Anschein und den meisten kritischen Urteilen zum Trotz, nie ein wirklich realistischer Erzähler. Sein Schreiben findet „im Rücken der Geschichte“ statt, und erst dort entfaltet es seine eigentliche Qualität.
Vor fünfzig Jahren, im August 1968, erschien „Deutschstunde“, der mit Abstand erfolgreichste Roman des Schriftstellers. Er spielt in Hamburg sowie in einem Dorf im Norden Schleswig-Holsteins und enthält die Geschichte eines Jünglings namens Siggi Jepsen, der, einer langen Reihe von Bilderdiebstählen wegen, in einer Anstalt für schwer erziehbare Jugendliche einsitzt und die lange Kette der Verhängnisse niederschriebt, die endlich zu seinem Vergehen führte. Doch sind die Diebstähle im Grunde genommen Rettungsversuche: Sie gelten dem Werk des expressionistischen Malers Max Ludwig Nansen, gegen den im Jahr 1943 ein Malverbot verhängt wird, das der Dorfpolizist, Siggi Jepsens Vater und ein Mann der bedingungslosen Pflichterfüllung, zu überwachen hat. Der Sohn aber steht dem Maler nahe. Er verbirgt die Bilder.
Doch als der Polizist die einmal ausgesprochene Verfügung selbst dann noch zu exekutieren trachtet, als es offiziell gar keine Nationalsozialisten mehr gibt, wird er, in einem wahnhaften Aufbegehren gegen den Maler wie den Vater, zum Dieb: „Keiner, keiner würde dieses Bild zu Gesicht bekommen, das war beschlossen, und auch die anderen Bilder waren nur noch für mich da, ich hatte da etwas gelernt, hatte an mir selbst erfahren, was ich brauchte, um mit mir auszukommen.“ Eine Pflicht meint der Vater gegenüber Max Ludwig Nansen erfüllen zu müssen, eine Pflicht erkennt der Sohn zuerst gegenüber dem Maler, dann gegenüber dem Werk und sich selbst. Eine Pflicht schließlich ist die Strafarbeit, die Siggi Jepsen über die „Freuden der Pflicht“ zu verfassen hat. Und sind nicht die unzähligen „Besinnungsaufsätze“ (sie heißen meist nicht mehr so, haben ihren Charakter aber nicht verloren), die an deutschen Gymnasien über die „Deutschstunde“ zu verfassen waren und womöglich immer noch sind, über die Zwiespältigkeit der Pflicht, über Fanatismus, Mitläufertum und Widerstand, nicht selbst lauter Übungen in der Erfüllung von Pflicht?
Siegfried Lenz war ein beliebter Autor, als die „Deutschstunde“ erschien, seine Werke wurden von der Kritik wohlwollend behandelt, mit der Einschränkung, sie seien eher konventionell. Angesichts der „Deutschstunde“ steigerte sich der Vorbehalt indessen zu einem Vorwurf, der Autor habe sich in der Erzähltechnik geirrt: Ein so junger Mensch sei doch weder der Einsichten noch der Sprache fähig, die dessen angebliche „Strafarbeit“ auszeichne. „Das vorgespiegelte Erleben und die tatsächliche Erlebnisfähigkeit ... stehen in einem beinahe grotesken Missverhältnis“, befand Hans-Albert Walter in dieser Zeitung. Im Spiegel erklärte Peter Härtling, Siegfried Lenz habe seinen Roman „ruiniert“. Es sei „unbegreiflich“, warum er „den aufbegehrenden Sohn“ habe „derart früh reifen“ lassen. Und in der Zeit fragte Marcel Reich-Ranicki, nachdem das Buch sieben Monate die Bestsellerliste angeführt hatte, den Autor in bewährt boshafter Manier: „Wäre es also möglich, dass der Publikumserfolg Ihres Romans eher mit seinen schwachen als mit seinen starken Seiten zusammenhängt?“
Der Leser, antwortete Siegfried Lenz, sei „ein unbekanntes Wesen, unberechenbar, unkalkulierbar“. In diesem Fall war der Leser indessen auch klüger als die Kritiker, die dem Ideal einer gemäßigten Moderne anzuhängen schienen, eines sinnlich geläuterten Expressionismus womöglich, und mit dem Ineinander von scheinbar realistischem Erzählen und erzähl- und bildkritischer Konstruktion wenig anzufangen wussten.
In Siegfried Lenz steckte ein Landschaftsmaler, oder genauer: ein Autor, der Landschaften mit einer Geduld und Genauigkeit zu beschreiben wusste, wie sie ansonsten dem Maler von Landschaften zukommt: „Ich rolle einfach das flache Land aus, schneide ein paar Gräben und dunkle Kanäle hinein, die ich mit holländischen Schleusen bestücke, setze auf künstlichen Hügeln die fünf Mühlen hin, die ich von unserem Schuppen aus sehen konnte ...“ So weit ist der Himmel, und so flach ist dieses Land, dass die Menschen darin alle gleich unmittelbar in der Welt stehen – und nicht, wie in den Städten oder in den hügeligen oder gar gebirgigen Landschaften, in vielfach gegliedertem, stark differenziertem Gelände.
Man kann sie betrachten, wie man will, unter dem hohen Himmel, unter den dahinziehenden Wolken und im klaren Licht: Immer stehen sie da, als hätte man sie dort abgesetzt, mehr oder minder willkürlich, ein jeder für sich allein. Wenn der Autor von ihnen erzählt, geht er mit ihnen um wie Max Ludwig Nansen mit einem Modell, das einen roten Mantel trägt: „Er verkürzte seine koboldhaften Füße, die aus dem Mantel herausragten. Er verstärkte die blaue Grundierung, um das Rot des Mantels daran zu brechen. Und der Mantel leuchtete über dem verlassenen Strand vor einer schwarzen, winterlichen Nordsee – leuchtete und widersprach zugleich aller Schwerkraft.“ So, bewusst im „Rücken der Geschichte“, schreibt auch der Jüngling von Erfahrungen, die er nicht gemacht haben kann, und er tut es in einer Sprache, über die er nicht verfügen kann.
Nicht nur die Landschaften sind deswegen von großer Bedeutung für dieses Buch, die Elbinsel, auf der sich die Anstalt befindet, oder die kleine Welt hinter dem Deich, in der Max Ludwig Nansen wie die Familie des Polizisten zu Hause sind. Neben ihnen stehen die Gemälde: Denn diese, von „Plötzlich am Strand“, dem Bild mit dem roten Mantel, bis zur „Wellenreiterin“, dem Werk, an dem sich Siggi Jepsens Leben zur „Besserungsanstalt“ wendet, besitzen ein eigenes Leben. Sie sind Kunstwerke, unverfügbar und ihrer Übersetzung in Botschaften entzogen.
„Jeder historischen Selbstinszenierung im Bild“, schrieb der Zürcher Literaturwissenschaftler Philipp Theisohn über die „Deutschstunde“, „ist der Zerfall schon eingeschrieben – man muss nur genau hinsehen.“ Der Satz fiel in einer überflüssigen Debatte darüber, ob und in welchem Maße der moralisch zweifelhafte Charakter Emil Noldes, des offensichtlichen Vorbilds für die Figur Max Ludwig Nansens, die literarische Figur und damit den ganzen Roman kompromittiert. Wie aber, wenn das Buch in seinem Kern von versteckten Bildern handelte? Davon also, dass die in ihnen niedergelegte Geschichte vor ihren Vollstreckern bewahrt werden muss – und zu denen gehört letztlich auch Siggi Jepsen selber, der Jüngling, der sich die Werke aneignet, weil er sie zu brauchen meint, um mit sich selber „auszukommen“.
Und was ist mit der Pflicht, die, in ihrer ganzen Zwiespältigkeit, das zentrale Motiv dieses Romans darstellen soll? Mit dem ganzen Apparat aus Fanatismus und Mitläufertum, kleinbürgerlichem Gehorsam und ideologischem Wahn, Vatermacht und jugendlicher Selbstfindung, der seit fast fünfzig Jahren durch die Deutschstunden der Republik geistert?
Dieser Roman, erklärte Siegfried Lenz selbst, sei „ein Versuch, die Welt zu entblößen, dass niemand sich unschuldig oder unbetroffen fühlen kann“. Gewiss, es gibt die Möglichkeit, diesen Satz im Sinne eines schlichten Moralismus zu verstehen. Er kann aber auch etwas anderes heißen: Denn so, wie es neben den gemalten die „ungemalten“, verborgenen und versteckten Bilder Max Nansens gibt, steht neben dem geschriebenen Roman ein „ungeschriebener“. In diesem „ungeschriebenen“ Buch wäre die Pflicht ein Gegenstand von ähnlicher Art wie der rote Mantel. Es taugt nicht zur literaturpädogischen Aufbereitung.
An entscheidender Stelle fällt ein Satz, den Siegfried Lenz dem Maler in den Mund legt: „Sehen: das ist doch nicht: zu den Akten nehmen. Man muss doch bereit sein zum Widerruf.“ Man muss diesen Satz ernst nehmen. Die „Deutschstunde“ ist ein anderes Buch, als die Kritiker der frühen Stunde, in ihrer Suche nach maßgeblichen Kriegs- und Nachkriegsromanen, glauben machen wollten. Es ist auch ein anderes Buch, als der Deutschunterricht bei seiner ewigen Suche nach handlichen Botschaften behauptet. Zum fünfzigsten Jubiläum des Romans ist nun eine ästhetisch ansprechende, sorgfältig gestaltete Neuausgabe erschienen: eine Gelegenheit, das Buch wiederzulesen, mit offenen Augen und offenem Verstand.
Siegfried Lenz: Deutschstunde. Roman. Verlag Hoffmann und Campe, Hamburg 2018. 592 Seiten, 25 Euro.
Der Dorfpolizist, Siggi Jepsens
Vater, muss das Malverbot für
Max Ludwig Nansen überwachen
Wider die Aufbereitung für den
Schulunterricht: In diesem
Roman steckt ein fremdes Buch
Zwischen Schule und Atelier: Wolfgang Büttner als Maler Nansen und Andreas Poliza als Siggi Jepsen im Fernsehspiel „Deutschstunde“ von 1971.
Foto: Ullstein Bild
Siegfried Lenz 1976.
Foto: Getty Images
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Vor fünfzig Jahren, im August 1968, erschien der Roman „Deutschstunde“ von Siegfried Lenz.
Er wurde ein Bestseller, über den die Kritiker lästerten – und ist besser als sein Ruf
VON THOMAS STEINFELD
Als Siegfried Lenz im Jahr 1955 die Erzählungen „So zärtlich war Suleyken“ veröffentlichte, die scheinbar lauter Reminiszenzen an das volkstümliche Masuren enthielten, stellte er einen kurzen Kommentar an das Ende des Bandes. Darin steht der Satz: „Meine Heimat lag im Rücken der Geschichte.“ Aus dieser Region Ostpreußens, legte er weiter dar, stammten keine bedeutenden Menschen, keine „Rollschuhmeister“ und keine berühmten Physiker. Siegfried Lenz selber, glaubt der Leser zu verstehen, zähle sich auch nicht zur Prominenz. Dann wären mit „Geschichte“ die Ereignisse und Auftritte gemeint, deretwegen sich die Öffentlichkeit einer Gegend zuwendet.
Man kann den Satz indessen auch programmatisch verstehen, als Auskunft eines Schriftstellers über sich selbst. Dann würde sich hinter dem Wort „Geschichte“ auch die „Erzählung“ verbergen. Und wenn man jenen Satz in seiner ersten Bedeutung noch für kokett halten könnte, so gilt das nicht für seine zweite Bedeutung. Er wäre dann nämlich schlicht wahr und besagte: Siegfried Lenz war, allem Anschein und den meisten kritischen Urteilen zum Trotz, nie ein wirklich realistischer Erzähler. Sein Schreiben findet „im Rücken der Geschichte“ statt, und erst dort entfaltet es seine eigentliche Qualität.
Vor fünfzig Jahren, im August 1968, erschien „Deutschstunde“, der mit Abstand erfolgreichste Roman des Schriftstellers. Er spielt in Hamburg sowie in einem Dorf im Norden Schleswig-Holsteins und enthält die Geschichte eines Jünglings namens Siggi Jepsen, der, einer langen Reihe von Bilderdiebstählen wegen, in einer Anstalt für schwer erziehbare Jugendliche einsitzt und die lange Kette der Verhängnisse niederschriebt, die endlich zu seinem Vergehen führte. Doch sind die Diebstähle im Grunde genommen Rettungsversuche: Sie gelten dem Werk des expressionistischen Malers Max Ludwig Nansen, gegen den im Jahr 1943 ein Malverbot verhängt wird, das der Dorfpolizist, Siggi Jepsens Vater und ein Mann der bedingungslosen Pflichterfüllung, zu überwachen hat. Der Sohn aber steht dem Maler nahe. Er verbirgt die Bilder.
Doch als der Polizist die einmal ausgesprochene Verfügung selbst dann noch zu exekutieren trachtet, als es offiziell gar keine Nationalsozialisten mehr gibt, wird er, in einem wahnhaften Aufbegehren gegen den Maler wie den Vater, zum Dieb: „Keiner, keiner würde dieses Bild zu Gesicht bekommen, das war beschlossen, und auch die anderen Bilder waren nur noch für mich da, ich hatte da etwas gelernt, hatte an mir selbst erfahren, was ich brauchte, um mit mir auszukommen.“ Eine Pflicht meint der Vater gegenüber Max Ludwig Nansen erfüllen zu müssen, eine Pflicht erkennt der Sohn zuerst gegenüber dem Maler, dann gegenüber dem Werk und sich selbst. Eine Pflicht schließlich ist die Strafarbeit, die Siggi Jepsen über die „Freuden der Pflicht“ zu verfassen hat. Und sind nicht die unzähligen „Besinnungsaufsätze“ (sie heißen meist nicht mehr so, haben ihren Charakter aber nicht verloren), die an deutschen Gymnasien über die „Deutschstunde“ zu verfassen waren und womöglich immer noch sind, über die Zwiespältigkeit der Pflicht, über Fanatismus, Mitläufertum und Widerstand, nicht selbst lauter Übungen in der Erfüllung von Pflicht?
Siegfried Lenz war ein beliebter Autor, als die „Deutschstunde“ erschien, seine Werke wurden von der Kritik wohlwollend behandelt, mit der Einschränkung, sie seien eher konventionell. Angesichts der „Deutschstunde“ steigerte sich der Vorbehalt indessen zu einem Vorwurf, der Autor habe sich in der Erzähltechnik geirrt: Ein so junger Mensch sei doch weder der Einsichten noch der Sprache fähig, die dessen angebliche „Strafarbeit“ auszeichne. „Das vorgespiegelte Erleben und die tatsächliche Erlebnisfähigkeit ... stehen in einem beinahe grotesken Missverhältnis“, befand Hans-Albert Walter in dieser Zeitung. Im Spiegel erklärte Peter Härtling, Siegfried Lenz habe seinen Roman „ruiniert“. Es sei „unbegreiflich“, warum er „den aufbegehrenden Sohn“ habe „derart früh reifen“ lassen. Und in der Zeit fragte Marcel Reich-Ranicki, nachdem das Buch sieben Monate die Bestsellerliste angeführt hatte, den Autor in bewährt boshafter Manier: „Wäre es also möglich, dass der Publikumserfolg Ihres Romans eher mit seinen schwachen als mit seinen starken Seiten zusammenhängt?“
Der Leser, antwortete Siegfried Lenz, sei „ein unbekanntes Wesen, unberechenbar, unkalkulierbar“. In diesem Fall war der Leser indessen auch klüger als die Kritiker, die dem Ideal einer gemäßigten Moderne anzuhängen schienen, eines sinnlich geläuterten Expressionismus womöglich, und mit dem Ineinander von scheinbar realistischem Erzählen und erzähl- und bildkritischer Konstruktion wenig anzufangen wussten.
In Siegfried Lenz steckte ein Landschaftsmaler, oder genauer: ein Autor, der Landschaften mit einer Geduld und Genauigkeit zu beschreiben wusste, wie sie ansonsten dem Maler von Landschaften zukommt: „Ich rolle einfach das flache Land aus, schneide ein paar Gräben und dunkle Kanäle hinein, die ich mit holländischen Schleusen bestücke, setze auf künstlichen Hügeln die fünf Mühlen hin, die ich von unserem Schuppen aus sehen konnte ...“ So weit ist der Himmel, und so flach ist dieses Land, dass die Menschen darin alle gleich unmittelbar in der Welt stehen – und nicht, wie in den Städten oder in den hügeligen oder gar gebirgigen Landschaften, in vielfach gegliedertem, stark differenziertem Gelände.
Man kann sie betrachten, wie man will, unter dem hohen Himmel, unter den dahinziehenden Wolken und im klaren Licht: Immer stehen sie da, als hätte man sie dort abgesetzt, mehr oder minder willkürlich, ein jeder für sich allein. Wenn der Autor von ihnen erzählt, geht er mit ihnen um wie Max Ludwig Nansen mit einem Modell, das einen roten Mantel trägt: „Er verkürzte seine koboldhaften Füße, die aus dem Mantel herausragten. Er verstärkte die blaue Grundierung, um das Rot des Mantels daran zu brechen. Und der Mantel leuchtete über dem verlassenen Strand vor einer schwarzen, winterlichen Nordsee – leuchtete und widersprach zugleich aller Schwerkraft.“ So, bewusst im „Rücken der Geschichte“, schreibt auch der Jüngling von Erfahrungen, die er nicht gemacht haben kann, und er tut es in einer Sprache, über die er nicht verfügen kann.
Nicht nur die Landschaften sind deswegen von großer Bedeutung für dieses Buch, die Elbinsel, auf der sich die Anstalt befindet, oder die kleine Welt hinter dem Deich, in der Max Ludwig Nansen wie die Familie des Polizisten zu Hause sind. Neben ihnen stehen die Gemälde: Denn diese, von „Plötzlich am Strand“, dem Bild mit dem roten Mantel, bis zur „Wellenreiterin“, dem Werk, an dem sich Siggi Jepsens Leben zur „Besserungsanstalt“ wendet, besitzen ein eigenes Leben. Sie sind Kunstwerke, unverfügbar und ihrer Übersetzung in Botschaften entzogen.
„Jeder historischen Selbstinszenierung im Bild“, schrieb der Zürcher Literaturwissenschaftler Philipp Theisohn über die „Deutschstunde“, „ist der Zerfall schon eingeschrieben – man muss nur genau hinsehen.“ Der Satz fiel in einer überflüssigen Debatte darüber, ob und in welchem Maße der moralisch zweifelhafte Charakter Emil Noldes, des offensichtlichen Vorbilds für die Figur Max Ludwig Nansens, die literarische Figur und damit den ganzen Roman kompromittiert. Wie aber, wenn das Buch in seinem Kern von versteckten Bildern handelte? Davon also, dass die in ihnen niedergelegte Geschichte vor ihren Vollstreckern bewahrt werden muss – und zu denen gehört letztlich auch Siggi Jepsen selber, der Jüngling, der sich die Werke aneignet, weil er sie zu brauchen meint, um mit sich selber „auszukommen“.
Und was ist mit der Pflicht, die, in ihrer ganzen Zwiespältigkeit, das zentrale Motiv dieses Romans darstellen soll? Mit dem ganzen Apparat aus Fanatismus und Mitläufertum, kleinbürgerlichem Gehorsam und ideologischem Wahn, Vatermacht und jugendlicher Selbstfindung, der seit fast fünfzig Jahren durch die Deutschstunden der Republik geistert?
Dieser Roman, erklärte Siegfried Lenz selbst, sei „ein Versuch, die Welt zu entblößen, dass niemand sich unschuldig oder unbetroffen fühlen kann“. Gewiss, es gibt die Möglichkeit, diesen Satz im Sinne eines schlichten Moralismus zu verstehen. Er kann aber auch etwas anderes heißen: Denn so, wie es neben den gemalten die „ungemalten“, verborgenen und versteckten Bilder Max Nansens gibt, steht neben dem geschriebenen Roman ein „ungeschriebener“. In diesem „ungeschriebenen“ Buch wäre die Pflicht ein Gegenstand von ähnlicher Art wie der rote Mantel. Es taugt nicht zur literaturpädogischen Aufbereitung.
An entscheidender Stelle fällt ein Satz, den Siegfried Lenz dem Maler in den Mund legt: „Sehen: das ist doch nicht: zu den Akten nehmen. Man muss doch bereit sein zum Widerruf.“ Man muss diesen Satz ernst nehmen. Die „Deutschstunde“ ist ein anderes Buch, als die Kritiker der frühen Stunde, in ihrer Suche nach maßgeblichen Kriegs- und Nachkriegsromanen, glauben machen wollten. Es ist auch ein anderes Buch, als der Deutschunterricht bei seiner ewigen Suche nach handlichen Botschaften behauptet. Zum fünfzigsten Jubiläum des Romans ist nun eine ästhetisch ansprechende, sorgfältig gestaltete Neuausgabe erschienen: eine Gelegenheit, das Buch wiederzulesen, mit offenen Augen und offenem Verstand.
Siegfried Lenz: Deutschstunde. Roman. Verlag Hoffmann und Campe, Hamburg 2018. 592 Seiten, 25 Euro.
Der Dorfpolizist, Siggi Jepsens
Vater, muss das Malverbot für
Max Ludwig Nansen überwachen
Wider die Aufbereitung für den
Schulunterricht: In diesem
Roman steckt ein fremdes Buch
Zwischen Schule und Atelier: Wolfgang Büttner als Maler Nansen und Andreas Poliza als Siggi Jepsen im Fernsehspiel „Deutschstunde“ von 1971.
Foto: Ullstein Bild
Siegfried Lenz 1976.
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