„Ist Gesundheit eine Frage des Geschlechts?“
Christina Pingel stellt diese provokante Frage und erzählt ihre Geschichte.
Sie ist ist neun Jahre alt, als ihre Mutter durch ein nicht vollständig behandeltes Herzleiden klinisch tot aufgefunden wird. Die Reanimation ist erfolgreich, doch auf
Grund des Herzstillstands ist sie schwerbehindert. Da der Ehemann mit der Pflege daheim überfordert…mehr„Ist Gesundheit eine Frage des Geschlechts?“
Christina Pingel stellt diese provokante Frage und erzählt ihre Geschichte.
Sie ist ist neun Jahre alt, als ihre Mutter durch ein nicht vollständig behandeltes Herzleiden klinisch tot aufgefunden wird. Die Reanimation ist erfolgreich, doch auf Grund des Herzstillstands ist sie schwerbehindert. Da der Ehemann mit der Pflege daheim überfordert ist, überstellt man sie in ein Pflegeheim, in dem sie einige Jahre später stirbt.
Wie sich wenig später zeigen wird, ist die Geschichte von Christinas Mutter auch Christinas Geschichte, selbst wenn die Ärzte das Gegenteil behaupten.
Denn als Christina bei sich ähnliche Symptome feststellt, wird sie als hysterisch hingestellt. Sie sei zu jung, für eine Herzerkrankung. Die Vorgeschichte ihrer Mutter wird nicht ernst genommen. Nach rund zehn Jahren, zahlreichen Panikattacken und einem inkompetenten jungen Mediziner in der Notaufnahme, lässt sie sich freiwillig für zwölf Wochen in die Psychiatrie einweisen. Bei einem Therapiegesprächsrunde, bei dem zahlreiche Ärzte hospitieren, ist jener Mann dabei. Sie erzählt von dem Vorfall in der Notaufnahme, was unter der Kollegen für Empörung sorgt. Diesmal wird eine PTBS festgestellt.
Um es kurz zu machen, nach einer schier endlosen Odyssee durch zahlreiche Ordinationen, gerät sie endlich an eine Kardiologin, die sie und ihre Beschwerden erstens ernst nimmt, und zweitens die richtige Diagnose stellt: Eine undichte Herzklappe, was zugegeben für Frauen Mitte dreißig eher selten ist.
Warum hat man den Herzklappenfehler, der vermutlich bereits seit ihrer Geburt besteht, nicht früher erkannt?
Wie wenig man sich mit dem jungen weiblichen Körper beschäftigt, merkt man auch, dass niemand fragt, in welchen Stadium ihres Monatszyklus‘ Christina sich am Vorabend der Operation befindet. Prompt wird sie wieder nach Hause geschickt. Erst im dritten Anlauf kann die Operation stattfinden, weil zuvor noch eines der wichtige Geräte defekt ist.
Auf ihrer langen Odyssee beschäftigt sich Christina Pingel vermehrt mit Gender Medizin, bzw. viel mehr mit dem Fehlen derselben. Medikament wurden und werden fast ausschließlich an Männern getestet.
Die eingangs gestellte Frage, ob Gesundheit eine Frage des Geschlechts ist, muss leider mit JA beantwortet werden.
Gender Medizin hat nichts mit Binnen-I oder Gender*Sternchen zu tun, sondern konzentriert sich auf die geschlechtsspezifische Erforschung und Behandlung von Krankheiten. Durch zahlreiche Studien ist inzwischen belegt, dass koronare Erkrankungen bei (jungen) Frauen nicht oder zu spät erkannt werden, wie es eben bei Christina Pingel und ihrer Mutter geschehen ist. Bei Männern hingegen werden psychische Erkrankungen zu wenig in Betracht gezogen.
Wie viel Arbeit hier noch zu tun ist, dass erst seit 2003 in der Berliner Charité Gender Medizin gelehrt wird. In Österreich gibt es seit 2010 einen Lehrstuhl für Gender Medizin in an der MedUni Wien und seit 2014 einen an der MedUni Innsbruck.
Fazit:
Diesem Buch, mit Christina Pingel aufrüttelt und Betroffenen klar macht, dass entsprechende medizinische Hilfe für alle da sein muss, gebe ich gerne 5 Sterne.