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Originalausgabe.Mit farbigen Abbildungen von Vitaly Komar, Leonid Sokov, Alexander Kosolapov, Ilja und Emilia Kabakov, Irina Nachova, Pavel Pepperstein, Viktor Pivovarov.Krim! Krim! Krim! Der Virus hat sich ausgebreitet. Manche sprechen sogar schon von einer Krim-Epidemie und darüber, dass Europa in Gefahr ist. Und das Schlimmste: Krim lässt sich nicht heilen. Die Störung entspricht der Familie der wandelbaren, fraktalen Viren, deren Erbinformation aufgrund des mimikryschen Verhaltens nicht fassbar ist. Damit ist Krim mit dem Prag-Virus von 1968 verwandt. Auf Grundlage dieser familiären…mehr

Produktbeschreibung
Originalausgabe.Mit farbigen Abbildungen von Vitaly Komar, Leonid Sokov, Alexander Kosolapov, Ilja und Emilia Kabakov, Irina Nachova, Pavel Pepperstein, Viktor Pivovarov.Krim! Krim! Krim! Der Virus hat sich ausgebreitet. Manche sprechen sogar schon von einer Krim-Epidemie und darüber, dass Europa in Gefahr ist. Und das Schlimmste: Krim lässt sich nicht heilen. Die Störung entspricht der Familie der wandelbaren, fraktalen Viren, deren Erbinformation aufgrund des mimikryschen Verhaltens nicht fassbar ist. Damit ist Krim mit dem Prag-Virus von 1968 verwandt. Auf Grundlage dieser familiären Verzweigung hat man vor kurzem herausgefunden, dass bestimmte Perspektivverschiebungen helfen können, die Krim-Symptome erträglicher zu machen. Eine solche Verschiebung lässt sich an russischen Künstlern fern der Heimat ausmachen: Die, die seit Jahrzehnten mit dem Prag-Virus leben, geben den Blick auf ihr aktuelles Schaffen frei, das deutliche Parallelen zu der Zeit nach ihrer Auswanderung aufzeigt. Und daraus lässt sich eine mögliche Resistenzbildung entwickeln.
Autorenporträt
Wladimir Velminski (_1976), Kunst- und Medienhistoriker, lehrt und arbeitet in Zürich und Berlin.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 26.06.2015

Bilder vom unberechenbaren Bären
Wladimir Velminski sammelt Diagnosen emigrierter russischer Künstler

"Glaube nicht, fürchte dich nicht, bitte um nichts!", lautet eine Lebensregel russischer Strafgefangener, die - wie auch die Straflagersprache - für große Gruppen der russischen Gesellschaft längst mit zur Technik des Überlebenskampfes gehört. Besonders subtil wird sie von den Künstlern des Moskauer Konzeptualismus angewandt, die gegenüber der Täuschungsfassade der Macht eine ironisch distanzierte Zeichensprache erfanden, die aufklärt und emotional immunisiert.

Um die Mythen und Traumata des neuen kalten Krieges zu verstehen, sind die Ferndiagnosen höchst instruktiv, die einige emigrierte Konzeptualisten ihrer Heimatkultur und deren altneuen Gegnern heute stellen und die der in Zürich lehrende Kunsttheoretiker Wladimir Velminski aufbereitet und als opulent illustriertes Handbuch herausgebracht hat. Typisch für die Affirmation wie Anklage schwebend vermeidende Haltung eines Konzeptkünstlers ist Pawel Peppersteins 2014 entstandenes Aquarell "Crimea - it's not a crime", das, Buchstaben verschiebend, mit der englischen Rechtschreibung jongliert. Dieser bewusst wässrig gemalte Kommentar zur Annexion der Krim liest sich heute wie eine Gegenformel zum Diktum "verbrecherische Annexion" von Angela Merkel. Der Moskauer Pepperstein, der regelmäßig auf der Krim weilt, versteht sich als Kritiker Putins, bezeugt jedoch, die meisten Krim-Bewohner hätten sich eine Heimkehr zu Russland stets gewünscht. Als offizielle Medien sein Bild als Zustimmung zum Kreml-Kurs deuteten, wehrte der Künstler sich mit einem utopischen Appell, die Krim und die gesamte Schwarzmeerregion müssten entmilitarisiert werden.

Der in New York lebende Konzeptualist Vitali Komar, der nach langjähriger Koautorschaft mit Alexander Melamid allein arbeitet, vergegenwärtigt die Lage der russischen Nation durch Bilder allegorischer Bären. Im Ukraine-Konflikt konstatiert der Künstler einen klaren Sieg amerikanischer Hardliner über stabilitätsversessene Alteuropäer, was er durch eine eigens erfundene amerikanische Flagge illustriert, auf der eine wirbelnden Galaxie die fünfzig Einzelsterne ersetzt hat.

Der konzeptualistische Altmeister Ilja Kabakow, mit seiner Frau Emilia ebenfalls wohnhaft in New York, bezeichnet die Angst als Hauptmotor seines Werks. Eine neue Arbeit, die Kabakow dem Autor zeigt, stellt ein hölzernes Stadtmodell von Moskau dar, in dessen Zentrum, umfasst von der Kremlmauer, ein schwarzer Sack sich langsam hebt und senkt, als atme darin ein Ungeheuer. Was im Moskauer Machtzentrum gerade wieder ausgebrütet wird, erscheint für die Anrainer mindestens ebenso bedrohlich wie für das Ausland. Velminski hat es besonders Kabakows Installation "Korridore der Angst" angetan, die der Künstler zur Jahrtausendwende in Berlin aufstellen wollte: fensterlose Durchgänge, behängt mit Zettelbotschaften der Bewohner des Westens wie des Ostens über den vermeintlichen Hass, die Tücke, die tödlichen Waffen der jeweils anderen Seite.

Dass der Kreml die russischen Medien und das öffentliche Bewusstsein manipuliere, sei offensichtlich, meint Velminski, doch er habe keine Monopolstellung. Auch in westlichen Demokratien würden abschreckende Zerrbilder von den Russen verbreitet, um den eigenen Konfrontationskurs zu rechtfertigen. Doppelt schade, dass das Lektorat des Merve Verlags einige sprachliche Ungenauigkeiten des verdienstvollen Büchleins lieblos stehenließ.

KERSTIN HOLM

Wladimir Velminski: "Diagnose: Krim". Kunst und Gewandtheit der Politik. Zu Besuch bei russischen Künstlern im Ausland.

Merve Verlag, Berlin 2015. 208 S., br., 18,- [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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