Die Dialektik der Verfehlung oder: Wie man ein richtig schlechtes Buch schreibt.
Frank Hansel unternimmt in diesem bloß 118 Seiten schwachen Buch den Versuch, nach dem Zusammenbruch des Sozialismus in der letzten Dekade des vorigen Jahrhunderts, die Moderne "rückabzuwickeln". Soweit so gut und man
darf auf diese durchaus teilbare Idee auch noch keine Polemik nieder regnen lassen. Viele haben den…mehrDie Dialektik der Verfehlung oder: Wie man ein richtig schlechtes Buch schreibt.
Frank Hansel unternimmt in diesem bloß 118 Seiten schwachen Buch den Versuch, nach dem Zusammenbruch des Sozialismus in der letzten Dekade des vorigen Jahrhunderts, die Moderne "rückabzuwickeln". Soweit so gut und man darf auf diese durchaus teilbare Idee auch noch keine Polemik nieder regnen lassen. Viele haben den Versuch unternommen, im blinden Getümmel der "Postmoderne" sichere Wege abseits der Dialektik der Aufklärung zu finden wie z.B. Habermas. Doch kein mir bekannter Autor, und ich behaupte mal, einige zu kennen, scheitert so offensichtlich und wie Frank-Christian Hansel. (ein Name, den man sich nicht merken muss)
Angefangen mit dem äußeren Erscheinen des Buches , denn schon dort wähnt der (sich bald vor Reue ob des Buchkaufs ärgernde) Leser, dass hier etwas nicht stimmen kann. Vollmundig wird die Dialektik der Abklärung ausgerufen (immerhin ein Prinzip! Das scheint dem Auto gar nicht klar zu werden, vielmehr benutzt er diesen schweren Titel als ein modisches Accessoire) "es klingt eben gut", doch was dahinter steht, wird damit geschändet) und man erwartet da nun zurecht ein Feuerwerk geistiger Akrobatik auf jeder Seite. Doch der letztliche Text, also der bare Platz der Hypothesenaufstellung und -rechtfertigung, beläuft sich auf magere 70 Seiten. 118 Seiten sollten es doch sein! Die verlorenen 48 sind jedoch in den ersten 15 Seiten und in den letzten 33 verloren gegangen, im wörtlichen Sinn. Denn besagte 33 Seiten sind mit mehr oder weniger geistreichen und vornehmlich irrelevanten Anmerkungen gespickt, die in den meisten Fällen nicht Quellenbelege, sondern tatsächlich fehlgeleitete Ausführungen sind, nach deren aufwändiger Lektüre man sich meist denkt: Geholfen hat es nicht, Hansels "Fließ-"text weiter zu durchdringen, vielmehr brachte es den Leser, der stellenweise glaubte, einen eigenständigen, tragfähigen Gedanken entdeckt zu haben, wieder auf Holzwege. Der Haupttext selbst ist "einem Musikstück nachempfunden" in Form einer Introductio, zwei Transkriptionen mit einem Intermezzo dazwischen und einer "Coda als Kadenz". Doch bei aller Mühe, musikalisch auszusehen, harmonisch wird es nicht. Er klingt nach dem Lesen wie eine musikalische Karikatur, als schmisse ein Kleinkind einen Topf mit Münzen auf den Boden und die Mutter ruft ein musikalisches Genie aus. Und dieser Krach, der dem Leser da sprichwörtlich entgegenkommt, nennt Hansel ganz von sich überzeugt: "Nachkritische Theorie"
Der kundige Leser scheitert schon beim ersten Abschnitt der "Introductio": Dort wird von der "[...] Emanzipation nach dem großen Scheitern des scheinbar emanzipatorischen Projekts marxistischer Provenienz [..." geredet, wo dem Leser der Verstand abgehen muss. Die Emanzipation (wovon?) nach dem großen Scheitern (der Autor nimmt ohne große Diskussion die Revolution von 89 als ein Scheitern der kritischen Theorie hin) des scheinbar emanzipatorischen Projekts (wovon? Wieso scheinbar? Welches Projekt?) marxistischer Provenienz (warum soll das gescheitert sein? Es gibt genügend griffige, aktuelle, zeitgemäße Theorien marxistischer Provenienz")... Die Ungenauigkeit der Wortwahl, führt man einfach mal auf fehlende Durchdringung der Theorien und ihrer Definitionen zurück, der einzige rote Faden, der sich in diesem Buch konsequent hält.
Die anderen sprachlichen Unglücksfälle, aus den Transkriptionen vor allem, spare ich mir, doch soll -zur Abschreckung- dem Leser noch ein Zitat zur Seite gestellt werden aus dem "Intermezzo: "Gibt es etwas Größeres, als sich auf sein Ich-Sein und sein Ich-als-Ich-Sein-Sein-Wollen zu beschränken, ohne dies als Beschränkung zu verstehen?
Hansels Versuch, die Moderne rückabzuwickeln" ist kläglich gescheitert, da Hansel nicht den intellektuellen Horizont, die wissenschaftliche Ausbildung und den Überblick über die Literatur besitzt, um den Grundriss einer nachkritischen Theorie zu zeichnen.