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Erstmals aus dem Nachlass: Zwei Essays von Arnold Zweig, die nichts von ihrer Aktualität eingebüßt haben. Im "Alpenbuch", geschrieben im Exilland Palästina während der ersten fünfzehn Monate des zweiten Weltkrieges, liefert Zweig nicht weniger als einen Abriß der europäischen Historie von der Steinzeit bis in die Gegenwart. Verbunden damit entwickelt er Ideen über den Einfluß einer Landschaft um das Alpenmassiv auf Charakter und Geschichte. Es ist ein großangelegter Versuch, die Ursprünge der Demokratie und den Zuwachs an Gesittung der Menschheit, an "Weltgesittung" nachzuweisen. Zugleich…mehr

Produktbeschreibung
Erstmals aus dem Nachlass: Zwei Essays von Arnold Zweig, die nichts von ihrer Aktualität eingebüßt haben. Im "Alpenbuch", geschrieben im Exilland Palästina während der ersten fünfzehn Monate des zweiten Weltkrieges, liefert Zweig nicht weniger als einen Abriß der europäischen Historie von der Steinzeit bis in die Gegenwart. Verbunden damit entwickelt er Ideen über den Einfluß einer Landschaft um das Alpenmassiv auf Charakter und Geschichte. Es ist ein großangelegter Versuch, die Ursprünge der Demokratie und den Zuwachs an Gesittung der Menschheit, an "Weltgesittung" nachzuweisen. Zugleich entwickelt Zweig eine psychoanalytische Deutung des Phänomens Hitler. Das Buch, auf Anregung eines US-amerikanischen Sach. und Schulbuch-Verlages im Oktober 1939 für das dortige Studentenpublikum begonnen, wurde weder in seiner englischen Übersetzung während des Krieges noch in Ost- oder Westdeutschland der Nachkriegsjahre veröffentlicht.Ähnlich großen Verlegerambitionen entsprang der Auftrag, einen "Abriß der Geschichte Palästinas und des Volkes Israel darin" zu verfassen. Der Essay entstand innerhalb von sechs Wochen im Sommer 1948, als Zweig auf einer Erkundungsreise nach einem Arbeits- und Wohnort in Europa unweit von Prag Station machte. Auch dieser Text stellt einen sehr persönlichen Rückblick auf viertausend Jahre Geschichte dar, nicht zuletzt - mit der Vorgeschichte des Staates Israel - auch auf Spannungen im Nahen Osten, die sich bis heute auswirken.
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Autorenporträt
Arnold Zweig wurde 1887 in Groß-Glogau (Schlesien) als Sohn eines jüdischen Sattlermeisters geboren. Studierte u. a. in Breslau, München, Berlin Germanistik, moderne Sprachen, Philosophie und Psychologie. Bekanntgeworden mit "Novellen um Claudia" (1912). Armierungssoldat in Serbien und vor Verdun, ab 1917 Schreiber und Zensor in der Presseabteilung Ober-Ost. 1919-1923 lebte er am Starnberger See, danach in Berlin. Neben Novellistik und Dramatik entstanden Publikationen und Vorträge über Judentum, Antisemitismus und die Lehre Sigmund Freuds. 1933-1948 Exil in Palästina, Oktober 1948 Rückkehr nach Berlin (Ost). Präsident der Akademie der Künste bis 1953 und des deutschen PEN-Zentrums. Arnold Zweig starb 1968 in Berlin.Novellistik, Dramatik, Romane u. a.: Der Zyklus Der große Krieg der weißen Männer: Der Streit um den Sergeanten Grischa (1927), Junge Frau von 1914 (1931), Erziehung vor Verdun (1935), Einsetzung eines Königs (1937), Die Feuerpause (1954), Die Zeit ist reif (1957); De Vriendt kehrt heim (1932); Das Beil von Wandsbek (1943 in Hebräisch, 1947 in Deutsch); Traum ist teuer (1962).
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 04.11.1997

In der Gralsburg hausen die Räuber
Die Essays Arnold Zweigs: "Dialektik der Alpen" und "Emigrationsbericht" / Von Günther Rühle

Traum ist teuer". So nannte Arnold Zweig einen Roman, den er nach seiner Rückkehr aus dem palästinensischen Exil in Ost-Berlin schrieb. Nach Thema und Bedeutung ist er weit entfernt von Zweigs großem Werk, dem "Grischa-Zyklus", dessen sechs Bücher vom "Krieg der weißen Männer" ein Hauptstück der deutschen Literatur geworden sind. Der Titel jenes Romans aber könnte über Zweigs Leben stehen. Denn Zweig gehörte einst zu jenen ergriffenen Geistern, die, zurückkehrend von den Schlachtfeldern des Ersten Weltkriegs, vom Erschaffen einer freiheitlichen, befriedeten und sozial gerechten Weltordnung träumten. Zweimal hat Arnold Zweig in seinem Schriftstellerleben, das sich einer immer lebendigen erzählerischen Phantasie, aber ebensosehr auch jenen Vernichtungserlebnissen verdankt, diesem Traum Realität zu schaffen versucht. Zuerst, als er nach seinen jüdischen Erfahrungen in Berlin beschloß, sich Theodor Herzls zionistischem Aufruf zu einem eigenen Judenstaat im damals englisch verwalteten Palästina zu assoziieren. Hoffend auf ein Gemeinwesen proletarisch-sozialistisch geprägter Siedlergemeinschaften, wählte Zweig, als sich ihm 1933 sein Deutschland versperrte, Palästina als Ort seiner Zuflucht und Zukunft.

Doch schon vier Wochen nach seiner Ankunft, Anfang 1934, schrieb er an den "Vater Freud", Freund, der ihm wichtig blieb fürs Leben: "Ich habe keinerlei zionistische Illusionen mehr . . . Ich gehöre nicht hierher." Er, der damals doch ein Weltautor war, fand sich nicht gut aufgenommen in jenen jüdischen Zellen, aus denen der Staat Israel unter vielen Kämpfen heranwuchs. Enttäuschung mischte sich mit der Gewißheit, "nicht zu den Leuten gleicher Abstammung, sondern gleichen Geistes zu passen", also auch hier ein outcast zu bleiben. Das machte Gefühle und Worte bitter, Lebensnot steigerte sie. Nur ein einziges größeres Werk, "Das Beil von Wandsbeck", in Palästina geschrieben, erschien von ihm auf hebräisch; und dieses befaßte sich abermals mit deutschen Problemen. Es gehört also nicht zur Literatur jener neuen Heimat, sondern entschieden zu seiner deutschen und ist heute das Zeichen, daß dem Verfasser die dichterische Kraft in jenen Jahren doch nicht abhanden kam - wie es ein Wunder bleibt, daß ihm aus der Ferne Lebensabläufe und Atmosphäre im höllisch gewordenen Land so greifbar gelangen. Auch im biblischen Land lebte Zweig mit seinen Gedanken, seinem Erkenntnisverlangen wie in seiner Sprache noch immer in der europäischen Mitte. Acht Wochen nach der Gründung des Staates Israel, den er herbeigesehnt hatte, im Jahr 1948 also, verließ er das Land seines Überlebens, um Deutschland zu besuchen, und blieb dann auf Dauer in der entstehenden DDR, wie Zuflucht suchend in einem zweiten Traum einer neuen, sozial befriedeten Gesellschaft. Damals galt er manchem im neuen Israel sogar als Verräter.

Zweigs Leben hatte viele Frakturen; er überwölbte sie mit seinem schließlich treuherzigen Engagement für den DDR-Staat, der ihn hoch ehrte, seine Bücher gesammelt, jedoch "in Auswahl", verlegte und sie wieder in die deutsche Literatur einzubringen versuchte (spät erst kamen sie über die binnendeutsche Grenze).

Das Buch enthält zwei große bisher unveröffentlichte Essays. Sie entstammen jenen Jahren des Exils und der Rückkehr ins Heimische. Lesenswert sind sie aus vielerlei Gründen. In Zweigs weit ausgreifender Bildung mischen sich sein geschichtliches Interesse eng mit intensiver geologischer und geographischer Erkundung. Anlaß aber ist immer die aktuelle Schmerzerfahrung, für die sein Leben Zeuge ist. Beide Texte sind angeregt von sachlichen verlegerischen Erwägungen. Jedoch füllen sie sich - da ihre Edition sich aus unterschiedlichen Gründen immer wieder verschleppt (und schließlich unterblieb) - über die Jahre mit Zeitstoff, mit neuen Aspekten; Historisches wandelt sich in Gegenwärtiges. Doch als Grundmotiv bleibt - allen Abschweifungen zum Trotz - die Schaffung menschlich erfüllbarer Lebensformen.

Zweig gibt zwei Beispiele. Aus der Betrachtung der Erd- und Kulturgeschichte der Alpen hebt sich langsam, dann leuchtend hervor der gegen die politischen Mächte sich durchsetzende Freiheits-, Friedens- und schließlich der Staatswillen der Schweiz. Und im "Emigrationsbericht" erscheint aus der langen, blutdurchströmten Geschichte der Juden ihr umkämpfter und durchkämpfter Selbstgewinn in einem selbständigen Staat. Die Kämpfe sind miterlebt. Noch in der Polemik gegen das Verhalten der Engländer (die er im "Alpenbuch" für ihre Unbeugsamkeit gegen Hitler rühmt) spürt man die Unmittelbarkeit der Erinnerung und die Ambivalenzen der Gefühle. Und doch liest sich der "Emigrationsbericht" wie eine späte Liebesbezeugung an das doch nicht unwillig verlassene Land. Sie birgt noch Zweigs Gewißheit, daß das Aufeinanderangewiesensein der jüdischen und der arabischen Bewohner im verständigen Miteinander ein freies, befriedetes Land möglich mache.

Die "Dialektik der Alpen" verblüfft aufs erste durch den Titel; dann durch die Anstrengung, das steinerne Zentralmassiv in der Mitte Europas zivilisationsgeschichtlicher und gar moralischer Betrachtung auszusetzen. Aber man läßt sich - manchmal widerstrebend, manchmal selbstvergessen über Klüfte springend - doch in ein Unternehmen führen, das seinen Stoff wohl ordnet, die Formationen der Berge geologisch, ihre Wirkung als Barriere historisch beschreibt, dem Eindringen der frühen Zivilisation und ihrem Fortgang sorgsam nachspürt. Von Hannibal an, mit dessen Heereszug ihm die Geschichtlichkeit der menschenfremden Alpen beginnt, sammelt Zweig seine Beweise, daß sich um die Alpen das moderne Europa organisiert.

Zwingli und Calvin, Zürich und Genf, Bodmer, Breitinger und Klopstock, dann Rousseau und Voltaire, Mozart und Pestalozzi, die Schweizer Dichter, schließlich Henri Dunant und sein Rotes Kreuz, Böcklin und Hodler sind ihm Zeugen, wie Lenin in Zürich und Herzl in Basel, die Gründerfiguren neuen Denkens. Mit dem Aufkommen des Naturgefühls beginnt der Eintritt der Alpen in die europäische Seelengeschichte, Voraussetzung dafür, daß sie heute mit ihrer erworbenen Gastlichkeit Kurpark und Sanatorium in einem Europa sind, das die Barriere der Berge überwunden hat. Die Alpen: ein Demonstrationsobjekt für den Zivilisationsprozeß?

Aus Verletzungen entstehen die Bücher Zweigs. Auch der Faschismus gehört für ihn in die Geschichte der Alpen. Hitler ist ihm die bedrängende Beispielfigur für alle destruktiven, zivilisationsfeindlichen Kräfte. Auch er: ein Abkünftling der Bergwelt. Einen "Gnom" nennt er ihn und widmet dem Berggeist vom Obersalzberg und seiner "Rückwärtserei", seiner Zivilisationszerstörung viele Seiten. Auch dem, der wie Zweig in Kategorien der Psychoanalyse denkt, der mythischen Bindungen des Unbewußten nachspürt, mag Zweigs Versuch, das Phänomen Hitler in das Bild und das Wirken eines Bergdämons zu fassen, in der noch immer währenden historischen Auseinandersetzung unstatthaft und zu kurzschlüssig erscheinen. Aber man glaubt in seinen Darlegungen noch zu spüren, wie sehr das Auffinden und Lesen jenes Briefs, den der französische Botschafter François Poncet im Oktober 1938 nach einem Besuch in Hitlers Adlerhorst, hoch über dem Obersalzberg, schrieb, ihn in seiner Vision, in seiner Interpretation bestätigt haben muß. "Der Besucher fragt sich, ob er wacht oder träumt. Er möchte wissen, wo er ist. Ist es die Burg Montsalvat, darin die Gralsritter hausten . . ., oder ist es nur der Schlupfwinkel, in dem Räuber ausruhen und Schätze ansammeln? Ist es das Werk eines normalen Geistes oder eines Menschen, der von Größenwahn, von Herrsch- und Einsamkeitssucht oder einfach von Angst gepeinigt ist?"

Zone der Sittigung, der Zivilisierung und: Zone der Gegenkräfte, das ist die Dialektik, deren Darlegung man einem Essayisten, nicht dem Historiker zugestehen wird, zumal in einer Zeit, in der die "Sichtweisen" vor die historischen Objektivitäten rücken. Auch solche Sicht mag ein Grund gewesen sein, Zweigs Text in der ersten Ausgabe seiner Werke in der DDR auszulassen, in der er sich vergeblich bemühte, dem Freudschen Erkenntnissystem einen Platz zu verschaffen.

"Dialektik der Alpen" liest sich stellenweise wie eine Huldigung an die Schweiz. Manchmal kommt Zweigs Sprache fast ins Singen, weil solche Überschau über Zeiten und Ströme den, der sich betrachtend über sie erhebt, ins schwelgend-fabulierende Formulieren bringen kann. Dann aber darf und muß man sich vergegenwärtigen, welcher Not diese Texte abgerungen sind. Dem (scheiternden) Versuch, damit Geld zu verdienen und die Armut im Exil zu lindern, den Schwierigkeiten, Bücher zu beschaffen und den Stoff zu verdichten, nicht zuletzt der zunehmenden, fast blindmachenden Sehschwäche, die den Verfasser immer mehr auf immer wiederholtes Vorlesen und Diktieren reduzierte, von den Enttäuschungen durch die Editionsverweigerungen gar nicht zu reden.

Die auf 26 Bände angelegte Neuausgabe seiner Werke im Aufbauverlag bezieht nun (in fünf Bänden) Zweigs Essays ein, die in der DDR verweigert wurden. Julia Bernhard hat den Band sorgfältig ediert und die Werkgeschichte ausführlich erschlossen. Die Anstrengung, die Wiederherstellung der zerstörten deutschen Literatur zu betreiben, ist noch immer nicht zu Ende.

Arnold Zweig: "Dialektik der Alpen. Emigrationsbericht". Essays 4 der Berliner Ausgabe. Herausgegeben von der Humboldt-Universität und der Akademie der Künste zu Berlin. Aufbau Verlag, Berlin 1997. 516 S., geb., 68,- DM / Subskr.-Preis 58,- DM.

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»Ohne Zweifel gehört Arnold Zweig in die erste Reihe der "großen" deutschen Autoren.« Das historisch-Politische Buch