Marktplatzangebote
Ein Angebot für € 12,50 €
  • Broschiertes Buch

Wollte man sich die Bewegung der historischen Avantgardekunst in einer Geste emblematisch zusammengefaßt vorstellen, so wäre das die Geste von jemandem, der bis dahin längere Zeit im Schatten der Selbsterhaltung, auf den dämmrigen Wegen der Vernunft und des Sinns ordentlich voranschritt, und der nun plötzlich der Sonne oder der Gorgo Medusa ins Gesicht sieht. Die Grenzen der Dinge und seiner selbst werden sich verflüssigen, auflösen, und er wird entweder erstarren und versteinern oder in eine rasende, fiebrige, ekstatische Erregung verfallen. Die für die historische Avantgarde so…mehr

Produktbeschreibung
Wollte man sich die Bewegung der historischen Avantgardekunst in einer Geste emblematisch zusammengefaßt vorstellen, so wäre das die Geste von jemandem, der bis dahin längere Zeit im Schatten der Selbsterhaltung, auf den dämmrigen Wegen der Vernunft und des Sinns ordentlich voranschritt, und der nun plötzlich der Sonne oder der Gorgo Medusa ins Gesicht sieht. Die Grenzen der Dinge und seiner selbst werden sich verflüssigen, auflösen, und er wird entweder erstarren und versteinern oder in eine rasende, fiebrige, ekstatische Erregung verfallen. Die für die historische Avantgarde so charakteristische "Negativität des Triebverwerfens", welche zur "Subversion der symbolischen Funktion" der Sprache drängt (Kristeva), verwirklicht sich nicht zuletzt in dieser ästhetischen Lust am Überschreiten der Grenzen der semantischen Felder und Kategorien, in der Lust an ästhetischen Konstellationen, die den sie bildenden Zeichenelementen eine solch gewaltsame Übertretung abverlangen. Doch die innovativen poetischen Gleichungen setzen, gerade um die Negativität ihres Verfahrens zu erhalten, ihr ekstatisches Feuer in der Sprachordnung lodern zu lassen, zwingend voraus, daß die Differenzen noch in der Negation wirksam, spürbar und zugänglich bleiben. Sie unterstellen eine dynamische Kultur der Differenzen und Grenzziehungen, welche - statt naturwüchsig, traditional oder kollektiv verbindlich vorgegeben zu sein - ständig in Frage gestellt, verwandelt und verschoben werden. Ihre Spannung und Dynamik schließt ein dialektisches Spiel von Grenze und Übertretung, Differenz und Identität, Sinn und Un-Sinn zwingend ein. Über die geschichtliche Kluft hinweg versuchen die vorliegenden Aufsätze, Impulse, Atmosphären, Muster, den 'lebendigen Geist' des Projekts der radikalen Moderne wachzuhalten, ausgehend von ihren Herolden, Hegel, Poe und Baudelaire, über Symbolisten und Surrealisten, über Klassiker der deutschen literarischen Avantgarde, wie Rilke, Benn, Döblin, Kafka bis hin zu zeitgenössischen Autoren wie Kluge und Handke.
Autorenporträt
Dietmar Voss, geb. 1954, Studium der Germanistik, Politologie und Philosophie in Gießen und Marburg, Promotion 1982 in Gießen, von 1984 bis 1991 Lehrtätigkeit an der Freien Universität Berlin und der Hochschule der Künste Berlin, seit 1990 Lektor für deutsche Sprache und Literatur an der Universität Salerno, 1999 Habilitation in Berlin, Privatdozent an der Humboldt-Universität Berlin. Wichtige Veröffentlichungen: Wahrheit und Erfahrung im ästhetischen Diskurs. Studien zu Hegel, Benjamin, Koeppen. Frankfurt/M., Bern 1983; (Mithg.): Die Fremdheit der Sprache. Studien zur Literatur der Moderne. Hamburg, Berlin 1988; Ströme und Steine. Studien zur symbolischen Textur des Werkes von Alfred Döblin. Würzburg 2000. Zahlreiche Essays zu Ästhetik, Poetik und Literatur der Moderne (u.a. im Merkur).