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Plutarch gibt der Liebesphilosophie Platons eine neue Wendung: er überträgt deren Grundgedanken auf die eheliche Liebe, und er verteidigt die Bedeutung der Sexualität für Persönlichkeitsentwicklung und menschliche Bindung. Sein Dialog ist kunstvoll gebaut. Er findet während des Eros-Festes in Thespiai statt; eine Hintergrundhandlung hat Züge einer Komödie und der Autor läßt sich selbst als frischverheirateten, verliebten jungen Mann auftreten. Die Schrift wird hier vorgelegt mit einer literarisch orientierten Einführung, kritisch durchgesehenem griechischen Text, einer möglichst lesbaren…mehr

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Produktbeschreibung
Plutarch gibt der Liebesphilosophie Platons eine neue Wendung: er überträgt deren Grundgedanken auf die eheliche Liebe, und er verteidigt die Bedeutung der Sexualität für Persönlichkeitsentwicklung und menschliche Bindung. Sein Dialog ist kunstvoll gebaut. Er findet während des Eros-Festes in Thespiai statt; eine Hintergrundhandlung hat Züge einer Komödie und der Autor läßt sich selbst als frischverheirateten, verliebten jungen Mann auftreten. Die Schrift wird hier vorgelegt mit einer literarisch orientierten Einführung, kritisch durchgesehenem griechischen Text, einer möglichst lesbaren deutschen Übersetzung und eingehenden Einzelerklärungen. Vier Essays verschiedener Autoren kommen hinzu: über den Eros-Kult in Thespiai, über die philosophischen Aspekte der Schrift, über sozialgeschichtliche Voraussetzungen der Gedanken über Sexualität und Ehe, über den christlichen Liebesbegriff.
Autorenporträt
Plutarch (ca. 45-125 n. Chr.) stammte aus einer wohlhabenden Familie in Chaironeia, Böotien. Er studierte Philosophie in Athen. Reisen nach
Kleinasien, Alexandria und Rom unterbrachen seine beschauliche Gelehrtenexistenz in der Provinz. Er war ein äußerst produktiver Schriftsteller, der neben den berühmten Biographien Schriften populärphilosophischen Inhalts und zu Fragen des alltäglichen Lebens verfasste.

Fritz Graf, geb. 1944, ist seit 1999 Andrew Fleming West Professor für Klassische Philologie an der Universität Princeton, USA.

Fritz Graf, geb. 1944, ist seit 1999 Andrew Fleming West Professor für Klassische Philologie an der Universität Princeton, USA.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 24.10.2006

Entführung eines jungen Mannes
Am Eros-Heiligtum: Plutarch schreibt für die Gleichberechtigung
Eine reiche Witwe lässt einen jungen Mann entführen und heiratet ihn. Die Geschichte bildet den Hintergrund in einem bedeutenden Text. Plutarchs „Dialog über die Liebe” („Erotikos”) dürfte bislang eher Spezialisten bekannt sein; einem weiteren Publikum ist der Autor, der belesenste griechische Schriftsteller der frühen Kaiserzeit, bestenfalls ein Name der Literaturgeschichte. Zu Unrecht, wie die jetzt in der Reihe „Sapere” erschienene zweisprachige Ausgabe zeigt.
Sie wird, wie in der Reihe üblich, angereichert mit Essays, die das Verständnis des Textes vertiefen sollen. Dem Ziel von „Sapere” entsprechend tritt mit dem „Dialog über die Liebe” ein Text der „späteren Antike” aus dem Dunkel klassizistischen Vergessens. Der Heidelberger Gräzist Herwig Görgemanns, ein Platon- und Plutarch-Kenner, hat den griechischen Text erstellt, elegant übersetzt, eingeleitet und kommentiert. Die Essays sind thematisch gut auf die Plutarch-Schrift zugeschnitten: Fritz Graf, ein in Amerika lehrender Schweizer Religionshistoriker, orientiert über den im boiotischen Thespiai (dem Schauplatz des Geschehens) gepflegten Kult des Eros, der Kölner Philosoph Jan Opsomer erläutert die Rolle des Eros in Plutarchs Psychologie, der schwedische Theologe Werner Jeanrond vergleicht Plutarchs Liebesgott mit dem Neuen Testament.
Das Provozierende am „Erotikos” arbeitet in einem glänzenden Beitrag die Konstanzer Latinistin Barbara Feichtinger heraus. Plutarch, dessen besondere literarische Leistung in seinem gigantischen Werk darin besteht, aus der überreichen griechischen Literatur der Klassik und des Hellenismus Grundgedanken der Philosophien und der historischen Erinnerung zu bewahren, ist sonst kein origineller Denker. Doch in diesem Dialog stellt er zwei Grundgegebenheiten seiner Kultur zur Disposition.
In der griechischen Welt, einer Welt des Patriarchats, galt als Mann, wer die aktive Rolle in einem Paar spielte. Ferner fasste die griechische Kultur die Verbindung zwischen Mann und Frau weitgehend als Funktion auf, um Nachkommen zu zeugen: „Liebe” war reserviert (und lizenziert) in der Verbindung eines älteren Mannes zu einem Heranwachsenden, ein Konzept, das Platon in seinem „Symposion” philosophisch als Weg zu Tugend und Erkenntnis adelte. Diese platonische Liebe blieb bis in die Kaiserzeit ein Ideal.
Ganz neu: Hingabe und Treue
Der „Erotikos” greift die literarische Form Platons auf. Wie im „Symposion” wird das eigentliche Geschehen als Ereignis der Vergangenheit referiert – von Plutarchs Sohn. Der berichtet, wie einst sein Vater, jung vermählt, gemeinsam mit seiner Frau nach Thespiai reiste, um den Gott Eros um Hilfe für eine Ehekrise seiner Schwiegereltern zu erbitten, dort aber in eine verbale Auseinandersetzung verwickelt wird. Thespiai ist gespalten. Da sind die Verfechter der traditionellen Liebe, die den jungen Bakchon, der zwanzig Jahre alt ist, von einem älteren Liebhaber gefördert, nicht aber mit der ihn umwerbenden älteren Ismenodora – sie ist 32 – verbunden sehen wollen. Auf der anderen Seite stehen einige, die Ismendoras Wunsch nicht ablehnen.
Plutarch lässt die „Traditionalisten” die platonische Liebe in ihren Vorzügen erläutern, sich selbst – im Referat des Sohnes – aber die Liebe von Mann und Frau als etwas Ebenbürtiges darstellen. Beide Formen der Liebe seien, anders als bei Platon, ihrem Wesen nach gleich, beide Formen würden der Seele Flügel verleihen, denn Männer und Frauen – ein ungewöhnlicher Gedanke in Griechenland – seien zur Tugend fähig. Die Ehe sei der Rahmen, in dem sich eine enge wechselseitige Verbindung, eine tiefe Liebe, philia, entwickeln könne. Das ist neu in der Antike: Die starke Betonung von „Verehrung, Hingabe, gegenseitiger Zuneigung und Treue” für die Verbindung zwischen Mann und Frau hatte vor Plutarch im philosophischen Diskurs keinen Platz.
„Eros” wird damit nicht mehr allein aufgefasst als unbezwingliche göttliche Kraft, die den Menschen, besonders den Mann, überfällt, nicht mehr allein als platonische Kraft, die den Mann über das Streben nach Schönheit zur Idee des Guten führt, sondern auch als Anziehungskraft, die zur ehelichen „Liebe” führt.
Die Rahmenhandlung bestätigt die Rede Plutarchs: Nach der Tradition wäre Ismenodoras Liebe Ausdruck der zerstörerischen Kraft des Eros und Ismenodora ein weiteres Beispiel einer liebestollen Frau. Doch hier löst sich alles in Wohlgefallen auf. Während im Dialog die Kontroverse der Parteien andauert, dringt die Nachricht von der Entführung Bakchons durch Ismenodora in den Kreis. Dann hält Plutarch seine entscheidende Rede – und man versöhnt sich in Thespiai mit Ismenodoras Vorgehen. Die doppelte Infragestellung der Tradition hat ein glückliches Ende gefunden. Wenn die eheliche Liebe – im doppelten Sinne – „gleichberechtigt” ist, darf auch Ismenodora die aktive Rolle spielen.
Der Band eröffnet darüber hinaus eine Perspektive. Ausgehend von Jeanronds Beitrag über den „Gott der Liebe” wird man zwischen der Enzyklika „Deus est caritas” Benedikts XVI. und dem „Erotikos” manche Übereinstimmung finden, aber auch Differenz.
MARTIN HOSE
PLUTARCH: Dialog über die Liebe. Amatorius. Eingeleitet, übersetzt und mit interpretierenden Essays versehen von Herwig Görgemanns, Barbara Feichtinger, Fritz Graf, Werner Jeanrond und Jan Opsomer. Mohr Siebeck, Tübingen 2006. 323 Seiten, 29 Euro.
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