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Stefanie Sargnagel ist im Internet groß geworden, aber auf der Straße aufgewachsen. Daher drehen wir mit ihrem zweiten Band bei Rowohlt das Rad der Geschichte nun noch einmal zurück - aber lesen Sie selbst:
«Die kindliche Doris mit ihren zwei Mäusen kam auch immer mal wieder vorbei. Sie erzählte Sarah und mir, dass sie schwanger sei, seit mehr als einem Jahr habe sie ihre Regel nicht mehr. Sie meinte, ein Menschenkind brauche ja nur 9 Monate, um geboren zu werden, deshalb sei sie sich ziemlich sicher, dass es ein Alien werde. Möglicherweise aber auch ein Engel. Ein Engel sei auch daher…mehr

Produktbeschreibung
Stefanie Sargnagel ist im Internet groß geworden, aber auf der Straße aufgewachsen.
Daher drehen wir mit ihrem zweiten Band bei Rowohlt das Rad der Geschichte nun noch einmal zurück - aber lesen Sie selbst:

«Die kindliche Doris mit ihren zwei Mäusen kam auch immer mal wieder vorbei. Sie erzählte Sarah und mir, dass sie schwanger sei, seit mehr als einem Jahr habe sie ihre Regel nicht mehr. Sie meinte, ein Menschenkind brauche ja nur 9 Monate, um geboren zu werden, deshalb sei sie sich ziemlich sicher, dass es ein Alien werde. Möglicherweise aber auch ein Engel. Ein Engel sei auch daher wahrscheinlich, weil ihr nämlich vor zwei Wochen im Flex einer erschienen sei. Wir trauten uns nicht zu fragen, ob sie etwa ungeschützten Sex mit einem Engel hatte und schauten stoisch ihren Mäusen beim Durchdrehen zu.»

Stefanie Sargnagel hat eine Form des Erzählens gefunden, die lustig und brutal ist, eigensinnig und populär. Hier legt sie ihren ersten (beinahe klassischen) Coming-of-Age-Roman vor.

Für «Iowa» ist Stefanie Sargnagel für den Deutschen Buchpreis 2024 nominiert.
Autorenporträt
Stefanie Sargnagel, geb. 1986, studierte in der von Daniel Richter angeleiteten Klasse der Akademie der bildenden Künste Wien Malerei, verbrachte aber mehr Zeit bei ihrem Brotjob im Callcenter. Seit 2016 ist sie freie Autorin - und verbringt seitdem mehr Zeit bei ihrem Steuerberater. Sie erhielt den BKS-Bank-Publikumspreis beim Wettbewerb zum Ingeborg-Bachmann-Preis 2016. Ihre beiden Bücher Statusmeldungenund Dicht waren Bestseller.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur FR-Rezension

Rezensent Björn Hayer singt eine Hymne auf den neuen Roman von Stefanie Sargnagel, die er in einem Atemzug mit modernen österreichischen AutorInnen wie Horvath, Schnitzler, Bernhard und Jelinek nennt. Dem "zynischen Schneid" und lässigen Sound der Sargnagel kann sich der Kritiker auch nicht entziehen, wenn sie ihm hier weniger politisch als privat von Saufgelagen in Spelunken, Depressionen und romantischen Sehnsüchten erzählt und dabei leichthändig und geschliffen verschiedene Milieus und Typen skizziert. Wie eine Karussellfahrt erscheint dem Rezensenten die Lektüre, bei der ihm viel Ironie, Sprachwitz und "Provokationslust" um die Ohren fliegen.

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 10.10.2020

Es traf sie hart, wir lachten trotzdem

Wie ein langer Abend auf dem ranzigen Sofa einer WG: "Dicht", Stefanie Sargnagels autobiographischer Roman, ist voller Nächstenliebe.

Von Elena Witzeck

So eindringlich, voller betäubter Schildkröten und menschlicher Kobolde, hat seit T. C. Boyle niemand mehr Rauschzustände beschrieben. Stefanie Sargnagel war zuletzt ja eher dem Theater verpflichtet. In Berlin verhalf sie Iphigenie, einer der redlichsten Figuren der Theatergeschichte, zu einem gesunden Appetit auf fettes Essen und Sex, am Volkstheater in München stieg sie in die Untiefen der Oktoberfest-Tradition. Drei Jahre liegt mittlerweile ihr Buch "Statusmeldungen", eine Sammlung ihrer Facebook-Status-Gesellschaftsanalysen, zurück. Danach konnte man sie noch auftreten sehen mit einem Programm voller Pointen, die zum sofortigen Niederschreiben animierten, was widersinnig war, weil ja alles längst im Internet stand. Sargnagel, die kabarettistische Alleinunterhalterin, in Wien als Tochter einer Krankenschwester und eines Elektrikers geboren, ist ein schonungsloses Genie in der Kurzform. Shitstorms und Morddrohungen: Das hat sie alles schon hinter sich.

"Dicht" heißt nun ihr autobiographischer Roman, dem sein Problem vorangestellt ist: die Frage, ob sie bereit sei, auch auf lange Strecke zu schreiben. Ihre Antwort lautet: Mal sehen. "Mein Alltag ist jetzt halt sehr langweilig, da müssen jetzt die anarchischen Jugendjahre herhalten."

Die Geschichte handelt von der jungen Stefanie, die sich von einer deprimierten Tocotronic-Hörerin zum herumlungernden Hippie verwandelt, als sie, von der Schule entnervt und vom Alltag gelangweilt, in ihrer Schulkameradin Sarah eine versierte Kifferkumpanin findet. Dies verändert ihr Leben und Umfeld grundlegend. "Vom Avantgardefaktor her war das eine eher regressive Entwicklung, aber als verlauster Straßenhippie erlebte man halt doch mehr als als zynischer Indiesnob, und Punks gab es in Währing nicht."

Auf ihrem Weg hinaus in die ungefilterte Realität trifft die Erzählerin mit jugendlicher Neugier auf die tragischen Protagonisten der Großstadt: einen "König Mao" genannten sudanesischen Alkoholiker mit Hang zur Sentimentalität, einen traumatisierten Heroinjunkie, der im Jugoslawien-Krieg kämpfte, bipolare und paranoid-schizophrene Mathematiker, Nazis, die schon mit Ende zwanzig aufs Sterben warten ("Ich bin ein Psychopath"), kluge Frauen mit Haifischblick, Jungen, die sich mit Zahnpasta duschen wollen, immer wieder Kontrollbeamte - und den an Aids erkrankten Michi. Sie alle lungern mit ihr auf den Straßen von Wien oder in zwielichtigen Beisln. Einen Zufluchtsort gibt es: Michis Wohnung, in der auf Matratzen diskutiert wird und Stefanie niemand zwischen die Beine greifen darf. Als Teenager in solchen Kreisen ist man nämlich beliebtes Opfer sexuellen Frusts.

Sargnagels Stefanie ist eine interessante Erzählerin, abgeklärt und naiv zugleich, sie verachtet die Zwänge des Bildungssystems, würde die Schule gern niederbrennen und als Landstreicherin durch die Welt ziehen. Die psychisch Kranken, mit denen sie die Abende verbringt, betreut ihre Mutter tagsüber als Krankenschwester. Aber vom Zynismus der späteren Kabarettistin ist noch nichts zu spüren. Tritt Stefanie aus dem Schulgebäude, erkennt sie die Wahrhaftigkeit im Existenzkampf ihrer Gefährten und versöhnt sich wieder mit dem Leben. Wenn sie dann auf Klassenfahrt geht, freut sie sich wie ein kleines Kind über die Natur rund um den irischen Küstenort Bray, was bei Stefanie Sargnagel so klingt: "kräftige Wellen, knallblauer Ozean und grasgrüne Wiesen".

"Dicht" ist wie ein langer Abend auf dem ranzigen Sofa einer Wohngemeinschaft. Überhaupt keine Rede von der Stadt Wien, ihren Eigenarten oder gar der Welt da draußen. Wenn neben den Erlebnisberichten der Erzählerin etwas beschrieben wird, dann das Naheliegende. Im Lehrerzimmer riecht es nach Angstschweiß und alten Büchern. Viele der erstaunlich nuancierten Begegnungen heben sich für Momente aus dem Handlungsfluss ab, ohne dass man die Figuren greifen könnte. Schon wartet die nächste Erfahrung, so wie es eben mit sechzehn Jahren ist, und wenn die Freundin Liebeskummer hat, ohne darüber zu sprechen, heißt es lapidar: "Sie hatte mir wenig darüber erzählt, aber es traf sie sehr hart. Die meiste Zeit verbrachten wir trotzdem mit Lachen." Was ziemlich akkurat die Realität von Jugendfreundschaften wiedergibt.

Nur Michi, der Lebenskünstler am Abgrund, der klug daherredet, mit Wörtern spielt und den die Welt in ihrer Dummheit amüsiert, wird hör- und spürbar. Erst war er bei den Wiener Sängerknaben, später hat er gestohlen, betrogen und dafür eingesessen. Mit ihm geht Stefanie auf Vernissagen, weil es dort Brötchen und Wein umsonst gibt, und wenn er wieder einmal auf Entzug ist, pilgern seine Freunde eben in die Klinik. In seiner Gegenwart scheint die Welt wie ein Spielplatz, heiter und leicht. Einmal kommt seine Mutter vorbei, dann erzählt Michi, sie habe sich schon ein Messer in die Brust gerammt. Es ist klar, dass dieser Gefährte es nicht bis zum Ende der Coming-of-Age-Geschichte schaffen wird, er wird sterben und die Jungen zurücklassen, die nicht an ein Ende geglaubt und alle Zeichen missachtet haben. Für eine Weile haben sie so vieles erträglicher gemacht.

Stefanie Sargnagel hätte kein Buch schreiben müssen, nur weil österreichische Kabarettistinnen gerade zum Zeitvertreib Bücher schreiben. "Dicht" ist mehr Blog als Belletristik, aber es ist selbstironisch und voller Gespür für den Stolz der Unsichtbaren und Gedemütigten. Es ist in Sargnagel-Manier witzig und entlarvend, wenn etwa Trinker mittleren Alters ihrem siebzehnjährigen Ich zuraunen, mit ein bisschen Sport könne sie richtig geil aussehen, und dabei missachten, "dass ich sie nicht im Geringsten begehrte". Und es offenbart eine große Liebe zum Menschen, die sich trefflich mit der Rolle der schonungslosen Kabarettistin vereinbaren lässt.

Stefanie Sargnagel: "Dicht". Aufzeichnungen einer Tagediebin.

Rowohlt Verlag, Hamburg 2020. 304 S., geb., 20,- [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Ein Roman zwischen Depression und Dullijöh. Ein Buch wie der Hamlet-Monolog der Wiener Generation Z: Sein oder nichts sein. Man entscheidet sich deutlich für das Erste. Erst einmal leben. Werden kann man dann immer noch irgendetwas. Paul Jandl Neue Zürcher Zeitung 20201028