Ein neuer Blick auf die Entstehung der Modernität. Affairen zwischen experimenteller Psychiatrie und Ästhetik.Als im Paris des 19. Jahrhunderts unvermittelt eine neue Experimentalkultur in der Medizin und die Crème aus Literatur und Kunst im Hôtel Pimodan auf der Île Saint-Louis aufeinandertrafen, entstand aus dieser Konstellation im Dämmer haschischgeschwängerter Abende die moderne Ästhetik. Die Auflösung des Ich durch die Psychopharmakologie, der künstliche Wahn, legte eine noch brisantere Entfremdung bloß, als die des Geistes von der Vernunft, nämlich die seiner organischen Grundlagen von ihm selbst. Nerval, Baudelaire, Rimbaud, dann auch Mallarmé, zogen daraus die poetischen Konsequenzen; moderne Literatur steht seither unter dem Unstern einer latenten Pathologie, die ihre Entstehungsgeschichte in sie eingesenkt hat.Das Buch untersucht im ersten Teil die wissenschaftshistorischen (und kolonialen) Voraussetzungen dieser solitären Begegnung von medizinischem Experiment und poetischer Tradition, die bis an die Schwelle des Allgemeinen Krankenhauses in Wien ausstrahlen, wo ein junger Privatdozent der Neuropathologie später erstaunt feststellt, daß seine Krankengeschichten sich wie Novellen lesen.Im zweiten Teil wird die Bedeutung einer drogeninduzierten "nervalen" Erneuerung der Poesie in den Werken der betroffenen Dichter selbst verfolgt, es zeichnen sich mit einemmal Nachhallmomente einer Urszene der Modernität ab, die bis heute nicht aufgehört hat, die traditionelle literarische Zeichenverwendung zu irritieren.
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