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Produktdetails
  • Polnische Bibliothek
  • Verlag: Suhrkamp
  • 3. Aufl.
  • Seitenzahl: 364
  • Deutsch
  • Abmessung: 179mm x 117mm x 33mm
  • Gewicht: 370g
  • ISBN-13: 9783518406656
  • ISBN-10: 3518406655
  • Artikelnr.: 05552093
Autorenporträt
Karl Dedecius, 1921 in Lodz geboren, galt als bedeutendster Mittler polnischer Literatur und Kultur in Deutschland. Als Übersetzer hunderter Bücher, Autor zahlloser Reden und Aufsätze, Herausgeber der Polnischen Bibliothek, Gründer des Deutschen Polen-Instituts in Darmstadt wurde er vielfach gewürdigt und ausgezeichnet, u.a. mit dem Friedenspreis des Deutschen Buchhandels (1990), dem Orden des Weißen Adlers (1999) in Polen und dem Deutschen Nationalpreis (2010). Karl Dedecius starb am 26. Februar 2016 im Alter von 94 Jahren in Frankfurt am Main.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 07.02.1995

Gedichte überdauern den Staat
Adam Mickiewicz in einem zuverlässigen Lesebuch

"Slowacki", bleut Pauker Pimko in Gombrowicz' Antiroman "Ferdydurke" seinen Zöglingen ein, "weckt in uns Liebe und Begeisterung", weil er "ein großer Dichter war". Gombrowicz, der Provokateur im Allerheiligsten der polnischen Literatur, hätte hier genausogut den Zeitgenossen und Rivalen Slowackis, den romantischen Dichter Adam Mickiewicz (1798 bis 1855), schmähen können: mehr noch als jener genoß dieser als Dichterprophet (wieszcs) und Visionär des polnischen Messianismus in seiner Heimat eine fast religiöse Verehrung.

Wer allerdings nicht nur die verstaubten heroischen Epen Mickiewicz' im Blick hat, in denen der Nationalitätenkampf des Völkerfrühlings ins Mythische gehoben wird, sondern sich auch seinem lyrischen Werk zuwendet, wird erkennen, daß "Polens Goethe" (Karl Dedecius) nicht nur ein großer Dichter im Sinne eines dubiosen Klassikerkults war. In seinen Balladen, in seiner Liebes- und Landschaftslyrik, aber auch im idyllischen Epos "Herr Taddhäus" schuf Mickiewicz zeitlos gültige Dichtung.

Davon können sich auch die Leser des nun in der "Polnischen Bibliothek" des Suhrkamp-Verlags erschienenen Mickiewicz-Lesebuchs überzeugen. Karl Dedecius, prominentester Vermittler der polnischen Literatur im deutschen Sprachraum, stellt hier auf gedrängtem Raum den ganzen Mickiewicz vor: den zeitgebundenen Epiker und Publizisten, der die polnische Literatur nach der auf dem Wiener Kongreß sanktionierten Zerschlagung Polens zu einer Art Staatsersatz umgestaltete, ebenso wie den Lyriker, dessen Werk die Zeiten überdauerte.

Eine entscheidende Rolle spielen dabei die oft kongenialen Übertragungen, die Dedecius teils selbst besorgte, teils - unverändert oder überarbeitet - älteren deutschen Mickiewicz-Ausgaben entnahm. Bei seinem Bemühen, die Kunstform des Originals bis in Metrum und Reimstruktur hinein zu retten, mußte der Übersetzer allerdings mitunter von der Vorlage nicht gedeckte Dunkelheit in Kauf nehmen. Wenn Übersetzen - wie eine bekannte Maxime lautet - die Kunst des richtigen Opferns ist, so wurde in diesen Versen mit dem klaren Sinn das Falsche geopfert. Meist gelingt es Dedecius jedoch, ausgefeilte Form und inhaltliche Treue zum Original in bewundernswerter Weise miteinander in Einklang zu bringen.

Ein weniger erfreuliches Kapitel stellt die allzu lakonische Kommentierung der Texte dar. Es könne nicht Zweck eines kleinen Lesebuchs sein, so der Herausgeber in seinem Vorwort, Mickiewicz' Werk in seiner Gesamtheit zu deuten und zu kommentieren. Gewiß, aber hätte nicht ein dem deutschen Leser so entrückter Autor etwas ausführlichere Erläuterungen verdient als die insgesamt zehn knappen Seiten, die zu den einzelnen Kapiteln einleiten?

Und vor allem, mußte man deshalb gänzlich auf Anmerkungen verzichten? Bei mythologischen Exempeln wie Ixions Rad, die der Altphilologe Mickiewicz immer wieder in seine Dichtung einflocht, wird man die Erklärung nicht allzu schmerzlich vermissen. Zum Ärgernis gerät die Abstinenz jedoch, weil auch Personen und Realia, die kein gängiges Lexikon kennt, keiner Anmerkung für bedürftig befunden wurden. Wer war beispielsweise Salomea Bécu ("Im Stammbuch von Salomea Bécu")? Antwort: die Mutter des eingangs erwähnten Juliusz Slowacki.

Im Vormärz, als die deutsche liberale Intelligenz die polnischen Freiheitskämpfer feierte und die polnische Literatur begierig aufsog, erfreute sich die Dichtung Mickiewicz' großer Popularität. Zahlreiche Übersetzungen entstanden. Nach 1848 flaute dann mit dem allgemeinen Interesse an Polen auch die Rezeption der polnischen Literatur in Deutschland merklich ab. Heute sind selbst die berühmtesten polnischen Romantiker Slowacki und Mickiewicz fast nur noch Spezialisten bekannt. Daß zumindest Mickiewicz dieses Schicksal nicht verdient hat, daß er wirklich ein großer Dichter war, belegt die vorliegende Auswahl in eindrucksvoller Weise. Wir warten auf das Slowacki-Lesebuch. KONRAD FUHRMANN

Adam Mickiewicz: "Dichtung und Prosa". Ein Lesebuch von Karl Dedecius. Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 1994. 364 S., geb., 38,- DM.

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