Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 15.10.2008Vom Dach steigt Rauch
An den Abenteuern der "schwarzen hand" ist die Zeit spurlos vorübergegangen / Von Patrick Bahners
Beim Wiedersehen nach Jahrzehnten stellt sich sofort das Gefühl der Heimkehr ein - als hätte ich gewohnt in diesen so verwinkelten wie wohlgeordneten, in die Vertikalität hineingebauten Städtchen mit ihren Litfasssäulen und Feuerleitern. Das satte Schwarz, der runde Strich der Suchbilder von Hans Jürgen Press hatten diese Vertrautheit begründet, den Eindruck einer Welt, die so ist und nicht anders sein kann. Die Menschen haben die kleinen Knollennasen von Comicfiguren, die nicht weiter auffallen sollen. An den Gesichtern lesen die Detektive von der "schwarzen hand" nichts ab; die Zeichen müssten ihnen schon aufgeklebt sein, wie die gekreuzten Pflaster, an denen der Motorradfahrer identifiziert wird, der den Helm abgelegt hat.
Die Mienen der Mitglieder der "schwarzen hand" spiegeln erst recht nichts; Felix, der Chef, hat noch nicht einmal Augenpunkte hinter den Brillengläsern. Noch erschöpft sich der Begriff der Aufklärung in der Ermittlung objektiver Tatsachen. Alles Interesse gehört den Gegenständen, die Press unter liebevollster Beachtung ihrer Gleichwertigkeit im Raum verteilt hat.
Ich würde gerne behaupten, mit der "schwarzen hand" das Spurenlesen gelernt und die hermeneutische Witterung aufgenommen zu haben. Aber beim Aufschlagen der Neuauflage fällt mir auf, dass mir die Zeitspuren auf den Genrebildern komplett entgangen sind. Als ich Mitte der siebziger Jahre das Ravensburger-Taschenbuch las, interessierte mich nicht, dass die erste Buchausgabe schon 1965 erschienen war und dass die für die Kinderbeilage des "Stern" angefertigten Geschichten noch ein paar Jahre älter waren. Heute fallen mir natürlich die Motive der fünfziger Jahre ins Auge - der Kontrast zwischen dem VW Käfer des Gendarmen und dem amerikanischen Straßenkreuzer des Schmugglers.
Dass das verräterische Detail hervorstach, machte den Detektiv zum Komplizen des Schöpfers. Ich meine mich noch zu erinnern, wie stolz ich war, als ich auf dem allerersten Bild der ersten der vier Geschichten den Rauch aus dem kleinen Schornstein entdeckte, an dem man sieht, dass die zugewachsene Villa bewohnt ist - und ich meine, dass die Einfachheit der Lösung die Befriedigung steigerte, die Schönheit ausmachte. Das Kapitel mit der treffenden Überschrift "Ein sicheres Zeichen" ist emblematisch, das Bild geradezu klassisch; der Efeu lenkt den Blick auf den Rauch, dessen Gekräusel er variiert. Am gleichen Zeichen erkennt Odysseus, wo Menschen wohnen, wie in der Heimat.
Hans Jürgen Press: "Die Abenteuer der ,schwarzen hand'". Detektivgeschichten zum Mitraten. Ravensburger Buchverlag 2008. 128 S., Abb., geb., 4,95 [Euro]. Ab 6 J.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
An den Abenteuern der "schwarzen hand" ist die Zeit spurlos vorübergegangen / Von Patrick Bahners
Beim Wiedersehen nach Jahrzehnten stellt sich sofort das Gefühl der Heimkehr ein - als hätte ich gewohnt in diesen so verwinkelten wie wohlgeordneten, in die Vertikalität hineingebauten Städtchen mit ihren Litfasssäulen und Feuerleitern. Das satte Schwarz, der runde Strich der Suchbilder von Hans Jürgen Press hatten diese Vertrautheit begründet, den Eindruck einer Welt, die so ist und nicht anders sein kann. Die Menschen haben die kleinen Knollennasen von Comicfiguren, die nicht weiter auffallen sollen. An den Gesichtern lesen die Detektive von der "schwarzen hand" nichts ab; die Zeichen müssten ihnen schon aufgeklebt sein, wie die gekreuzten Pflaster, an denen der Motorradfahrer identifiziert wird, der den Helm abgelegt hat.
Die Mienen der Mitglieder der "schwarzen hand" spiegeln erst recht nichts; Felix, der Chef, hat noch nicht einmal Augenpunkte hinter den Brillengläsern. Noch erschöpft sich der Begriff der Aufklärung in der Ermittlung objektiver Tatsachen. Alles Interesse gehört den Gegenständen, die Press unter liebevollster Beachtung ihrer Gleichwertigkeit im Raum verteilt hat.
Ich würde gerne behaupten, mit der "schwarzen hand" das Spurenlesen gelernt und die hermeneutische Witterung aufgenommen zu haben. Aber beim Aufschlagen der Neuauflage fällt mir auf, dass mir die Zeitspuren auf den Genrebildern komplett entgangen sind. Als ich Mitte der siebziger Jahre das Ravensburger-Taschenbuch las, interessierte mich nicht, dass die erste Buchausgabe schon 1965 erschienen war und dass die für die Kinderbeilage des "Stern" angefertigten Geschichten noch ein paar Jahre älter waren. Heute fallen mir natürlich die Motive der fünfziger Jahre ins Auge - der Kontrast zwischen dem VW Käfer des Gendarmen und dem amerikanischen Straßenkreuzer des Schmugglers.
Dass das verräterische Detail hervorstach, machte den Detektiv zum Komplizen des Schöpfers. Ich meine mich noch zu erinnern, wie stolz ich war, als ich auf dem allerersten Bild der ersten der vier Geschichten den Rauch aus dem kleinen Schornstein entdeckte, an dem man sieht, dass die zugewachsene Villa bewohnt ist - und ich meine, dass die Einfachheit der Lösung die Befriedigung steigerte, die Schönheit ausmachte. Das Kapitel mit der treffenden Überschrift "Ein sicheres Zeichen" ist emblematisch, das Bild geradezu klassisch; der Efeu lenkt den Blick auf den Rauch, dessen Gekräusel er variiert. Am gleichen Zeichen erkennt Odysseus, wo Menschen wohnen, wie in der Heimat.
Hans Jürgen Press: "Die Abenteuer der ,schwarzen hand'". Detektivgeschichten zum Mitraten. Ravensburger Buchverlag 2008. 128 S., Abb., geb., 4,95 [Euro]. Ab 6 J.
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