In "Die Abenteuer des Huckleberry Finn" entfaltet Mark Twain eine faszinierende Erzählung, die sich um den jungen Huck und seine Reise auf dem Mississippi dreht. Twain, ein Meister des Realismus, nutzt eine Mischung aus Dialekt und lebendiger Prosa, um die sozialen Missstände des vorbürgerlichen Amerikas, insbesondere hinsichtlich Rassismus und Sklaverei, aufzuzeigen. Durch Huck, der sich gegen die Konventionen seiner Zeit auflehnt, setzt Twain den Leser mit moralischen Dilemmata und den Fragen von Freiheit und Identität in Beziehung. Die Erzählung, oft als Fortsetzung von "Die Abenteuer von Tom Sawyer" gesehen, bringt düstere Themen und humorvolle Anklänge in einen literarischen Kontext, der den Leser zum Nachdenken anregt und zugleich unterhält. Mark Twain, mit bürgerlichem Namen Samuel Langhorne Clemens, war nicht nur ein bedeutender amerikanischer Schriftsteller, sondern auch ein scharfer Kritiker der zeitgenössischen Gesellschaft. Aufgewachsen im Süden der USA, erlebte er die Grausamkeiten der Sklaverei und die Spannungen zwischen verschiedenen gesellschaftlichen Schichten, was seinem Werk eine tiefere Schicht von Authentizität und sozialer Kritik verleiht. Twains eigene Reisen und Erlebnisse prägten seine Sichtweise und flossen direkt in die Erzählkunst ein, die das Herzstück seiner literarischen Karriere bildet. "Die Abenteuer des Huckleberry Finn" ist ein unverzichtbares Werk der amerikanischen Literatur, das nicht nur geschichtlich von Bedeutung ist, sondern auch zeitlose Themen behandelt, die bis heute relevant bleiben. Leser werden durch Huck Finns außergewöhnliche Reise inspiriert und finden sich in einer Welt wieder, die sowohl spannend als auch kritisch ist. Es ist eine dringende Empfehlung für alle, die sich mit den komplexen Fragen der menschlichen Freiheit, Moral und Identität auseinandersetzen möchten.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 04.01.2003Magst du tote Ratten gern, Becky Thatcher?
Eigentlich ist die Sache klar: Ein Strich teilt die Schiefertafel auf dem Pult von Tom Sawyer und Joe Harper in zwei Hälften, und die Zecke, die hilflos auf der Tafel herumirrt, ist immer dem Jungen ausgeliefert, dessen Seite sie durchquert. Doch Joe spielt falsch; er stupst das Tier jedesmal mit einer Stecknadel an, wenn es in Toms Bereich überwechseln will. Und weil der Kampf um die Zecke die Aufmerksamkeit der Jungen völlig absorbiert, kommt die geballte Wut des Lehrers über die beiden Freunde, unerwartet wie ein Meteorit.
Zuvor war lange vom "schläfrigsten aller Tage" die Rede, vom "einlullenden Gesumm der fünfundzwanzig lernenden Schüler", so unerträglich, daß Tom sich wünscht, "irgend etwas Interessantes unternehmen zu können, damit die eintönige Zeit verginge". Denn das ist die Grundströmung, die den Erzählfluß dieses Romans antreibt, die ihn einfärbt und ihm seinen eigenen, unverwechselbaren Ton verleiht: Es ist das Leiden am Ereignislosen und der unbedingte Drang, den gleichmäßigen Ablauf des Lebens zu durchbrechen, ein Verlangen, das dem ganzen Südstaatenstädtchen auf die eine oder andere Weise zu eigen ist, niemandem aber so sehr wie Tom Sawyer.
Wunderliche Blüten treibt dieses Leiden. Es macht die Bevölkerung - oder wenigstens Tom und seine Freunde - für einige Tage zu Gottsuchern, zu Schatzgräbern, zu Piraten, zu Zaungästen der eigenen Beerdigung oder später zu Befreiern eines längst aus der Sklaverei entlassenen Farbigen. Toms Verlobung mit Becky Thatcher, eingeleitet durch einen bezaubernden Liebesdialog ("Magst du Ratten gern? Ich meine tote, die man mit einer Schnur um den Kopf schwingt"), ist Abenteuer und Zuneigung zugleich, und Mark Twains Schilderung dieser elementaren Aufregung vor dem Hintergrund des endlos heißen Sommers teilt sich sofort und unmittelbar mit.
"Tom Sawyers Abenteuer" und "Huckleberry Finns Abenteuer" sind bei Diogenes in einer schmucken Ausgabe erschienen, zwei Bände im Schuber, hinreißend illustriert von Tatjana Hauptmann. Die Übersetzung ist altbekannt und bisweilen etwas staubig, die Bilder atmen dafür eine zeitlose Frische, die sich wesentlich aus dem festen Vorsatz der Zeichnerin speist, sich nirgendwo anzubiedern: nicht bei den Erwachsenen, die solche schönen Bücher verschenken, und nicht bei den vermeintlichen Vorlieben der jugendlichen Leser. Mit der gleichen Ernsthaftigkeit wie Twain behandelt sie die Einwohner des Städtchens, und wenn sie die Kinder als schmutzstarrende, anmutige Wesen zeichnet, liegt darin ein Vermögen, das jede einzelne Illustration zu einem Albumblatt der Sehnsucht macht: nach einem Sommer voller Sensationen.
TILMAN SPRECKELSEN.
Mark Twain: "Tom Sawyers Abenteuer". "Huckleberry Finns Abenteuer". Aus dem Amerikanischen von Lore Krüger. Illustriert von Tatjana Hauptmann. Diogenes Verlag, Zürich 2002. Zwei Bände im Schuber, 816 S., geb., 26,90 [Euro]. Ab 10 J.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Eigentlich ist die Sache klar: Ein Strich teilt die Schiefertafel auf dem Pult von Tom Sawyer und Joe Harper in zwei Hälften, und die Zecke, die hilflos auf der Tafel herumirrt, ist immer dem Jungen ausgeliefert, dessen Seite sie durchquert. Doch Joe spielt falsch; er stupst das Tier jedesmal mit einer Stecknadel an, wenn es in Toms Bereich überwechseln will. Und weil der Kampf um die Zecke die Aufmerksamkeit der Jungen völlig absorbiert, kommt die geballte Wut des Lehrers über die beiden Freunde, unerwartet wie ein Meteorit.
Zuvor war lange vom "schläfrigsten aller Tage" die Rede, vom "einlullenden Gesumm der fünfundzwanzig lernenden Schüler", so unerträglich, daß Tom sich wünscht, "irgend etwas Interessantes unternehmen zu können, damit die eintönige Zeit verginge". Denn das ist die Grundströmung, die den Erzählfluß dieses Romans antreibt, die ihn einfärbt und ihm seinen eigenen, unverwechselbaren Ton verleiht: Es ist das Leiden am Ereignislosen und der unbedingte Drang, den gleichmäßigen Ablauf des Lebens zu durchbrechen, ein Verlangen, das dem ganzen Südstaatenstädtchen auf die eine oder andere Weise zu eigen ist, niemandem aber so sehr wie Tom Sawyer.
Wunderliche Blüten treibt dieses Leiden. Es macht die Bevölkerung - oder wenigstens Tom und seine Freunde - für einige Tage zu Gottsuchern, zu Schatzgräbern, zu Piraten, zu Zaungästen der eigenen Beerdigung oder später zu Befreiern eines längst aus der Sklaverei entlassenen Farbigen. Toms Verlobung mit Becky Thatcher, eingeleitet durch einen bezaubernden Liebesdialog ("Magst du Ratten gern? Ich meine tote, die man mit einer Schnur um den Kopf schwingt"), ist Abenteuer und Zuneigung zugleich, und Mark Twains Schilderung dieser elementaren Aufregung vor dem Hintergrund des endlos heißen Sommers teilt sich sofort und unmittelbar mit.
"Tom Sawyers Abenteuer" und "Huckleberry Finns Abenteuer" sind bei Diogenes in einer schmucken Ausgabe erschienen, zwei Bände im Schuber, hinreißend illustriert von Tatjana Hauptmann. Die Übersetzung ist altbekannt und bisweilen etwas staubig, die Bilder atmen dafür eine zeitlose Frische, die sich wesentlich aus dem festen Vorsatz der Zeichnerin speist, sich nirgendwo anzubiedern: nicht bei den Erwachsenen, die solche schönen Bücher verschenken, und nicht bei den vermeintlichen Vorlieben der jugendlichen Leser. Mit der gleichen Ernsthaftigkeit wie Twain behandelt sie die Einwohner des Städtchens, und wenn sie die Kinder als schmutzstarrende, anmutige Wesen zeichnet, liegt darin ein Vermögen, das jede einzelne Illustration zu einem Albumblatt der Sehnsucht macht: nach einem Sommer voller Sensationen.
TILMAN SPRECKELSEN.
Mark Twain: "Tom Sawyers Abenteuer". "Huckleberry Finns Abenteuer". Aus dem Amerikanischen von Lore Krüger. Illustriert von Tatjana Hauptmann. Diogenes Verlag, Zürich 2002. Zwei Bände im Schuber, 816 S., geb., 26,90 [Euro]. Ab 10 J.
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"Überzeugt durch sehr gute Sprecher und klug eingesetzte Geräusch-Effekte."