Falsch gelabelt
„Die Abschaffung des Todes“, der neue Thriller von Andreas Eschbach, erschienen 2024 bei Bastei Lübbe, scheitert vielleicht an dem Label, das der Verlag ihm gegeben hat. Viel mehr Wissenschaftsroman als Thriller, weist der enorm ausführlich recherchierte 650-Seiten-Brecher leider
neben einer Menge spannender Informationen und Gedanken erhebliche Längen und leerlaufende…mehrFalsch gelabelt
„Die Abschaffung des Todes“, der neue Thriller von Andreas Eschbach, erschienen 2024 bei Bastei Lübbe, scheitert vielleicht an dem Label, das der Verlag ihm gegeben hat. Viel mehr Wissenschaftsroman als Thriller, weist der enorm ausführlich recherchierte 650-Seiten-Brecher leider neben einer Menge spannender Informationen und Gedanken erhebliche Längen und leerlaufende Plotstränge auf. Zudem war für mich die Handlung und Entwicklung durchweg sehr vorhersehbar. So bin ich nach mehrfachen Abbruchüberlegungen, da zu keiner Zeit bei mir Thrill aufkam, aus dem Buch gegangen mit dem Gefühl, dass hier entweder ein Lektorat dem Werk mit deutlichen Straffungen hätte helfen sollen – oder der Verlag sich für vielleicht geringere Verkaufszahlen aber dafür eine etwas ehrlichere Einordnung in ein anderes Genre hätte entscheiden müssen.
Der Thriller beginnt mit einer netten Grundkonstruktion, die Hauptfigur, der Journalist James Henry Windover schreibt ein Buch im Buch, in dem er uns über seinen wilden Ritt durch die Untiefen der Neurologie und Existenzphilosophie erzählen wird. Dieser kleine Trick sorgt im Verlauf des Buches immer wieder für Comic Relief – nur dass ich leider zu keinem Zeitpunkt Relief brauchte. Windover wird beauftragt, sich für eine Investorin ein neues Geschäftskonzept vorstellen zu lassen, Youvatar, und soll seine Einschätzung geben, ob sich hier eine Investition lohnen würde. Ich will nicht spoilern, aber sagen wir mal so: Der Titel des Buches lässt in der Tat ein wenig erahnen, worum es vielleicht geht. Von diesem Punkt aus wird Windover im Versuch, das Geschäftskonzept und den damit zu erlangenden Profit genau zu entschlüsseln, in eine Verkettung von Kontakten und Erkenntnissen gestürzt, die dazu führt, dass er um sein Leben fürchten muss.
Klingt nach Thriller – stellt sich aber im Buch nicht so dar, da Eschbach, der selbst sagt, noch nie hätte er für ein Buch so viel recherchiert (und das stimmt gewiss!!!), gefühlt auch all sein recherchierter Wissen in den Roman pressen will, was zu einer enormen Verlangsamung der, sowieso eher dürftigen, Handlung führt und einfach keine Suspense aufkommen lässt. Zudem sind die scheinbaren Plottwists allesamt so klar aus der Vorhandlung ablesbar, dass auch hier keine Überraschung aufkommt. Leider bleiben auch Figuren, die spannend eingeführt werden, dadurch auf der Strecke, wahrscheinlich war einfach kein Platz mehr, auch noch für sie die Handlung weiterzuführen (und hier trifft es vor allem die Frauenfiguren, was feministisch gesprochen besonders schade ist, da Eschbach hier eigentlich mit aufregenden Charakterisierungen startet, für die am Ende dann doch nur 50er Jahre Problematiken übrigbleiben).
Gut gefallen haben mir die Diskussionen von Werten und Moral, die existenzphilosophischen Aspekte und Debatten, die Eschbach wirklich hervorragend herauskristallisiert, jedem Philosophie Leistungskurs würde ich dieses Buch ans Herz legen wollen! Und auch der Humor, der sich immer wieder kurz zeigt, hat mich ein bisschen bei der Stange gehalten. Aber für einen Thriller fehlt mir einfach fast alles, was das Genre ausmacht. Als es dann doch einmal kurz zu einer Verfolgungsjagd kommt, wirkt diese eher wie reingepropft, huch, ach ja, es ist ja ein Thriller!
Ich glaube wirklich, hier wurde sich leider nicht klar für ein Genre entschieden im Vorfeld und so hängt das Buch zwischen allen Stühlen. Großer Respekt vor der enormen Rechercheleistung, wie immer schreibt Eschbach auch fluffig und elegant und dröselt die Sachzusammenhänge enorm klug auf. Es fehlt aber an Tempo, Handlung und einem wirklichen überraschenden Clou am Ende, nachdem über 600 Seiten lang darauf hingearbeitet wurde. Thematisch stark, Fans der Neurowissenschaften sollten hier unbedingt reinschauen. Als Thriller leider am Ziel vorbei.