Achtsamkeit ist in aller Munde. Gwyneth Paltrow baut mit Selfcare und Wellbeing ein Millionenimperium auf, Popstars schwören auf Infusionen und Pilates. Arbeitgeber propagieren mit Wellnessangeboten eine neue Resilienz in der Arbeitskultur.Der Markt alternativer Sinnstiftung boomt. Doch der Mensch ächzt unter einer Welt im Umbruch, ansteigendem ökonomischem Druck, sozialer Isolation und permanenter Verfügbarkeit. Was als wachsendes Bewusstsein und strengere Selbstliebe in Zeiten erhöhter Unsicherheit und Sorge daherkommt, ist der wohl perverseste Angriff des Kapitalismus auf Körper, Geist und Seele. Er eliminiert Erschöpfung als Widerstandsgeste und sabotiert Gemeinschaft als Mobilisierungsakt. Jeder brav auf seine Yogamatte. Dann abwarten und Tee trinken.Diana Kinnert fordert ein Ende der Geduld und das Bekenntnis zur Erschöpfung. Sie zeigt, dass die Gesundheits- und Mental-Health-Krise in Wahrheit eine Krise der Arbeitskultur und eines manipulativen Kapitalismus ist. Nur wer die Überlastungen und Übergriffe von Arbeit und Konsum auf den Menschen anerkennt, statt sie wegzuatmen, kann sich zur Wehr setzen. Wer Autonomie am Arbeitsplatz und den Aufstand gegen die Ausbeutung will, muss der verdeckten Selbstoptimierung im Zeitalter der Selleriesäfte und Demutsfloskeln den Riegel vorschieben.