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Produktdetails
  • Zaberns Bildbände zur Archäologie
  • Verlag: WBG Philipp von Zabern
  • Seitenzahl: 62
  • Abmessung: 303mm x 215mm x 11mm
  • Gewicht: 614g
  • ISBN-13: 9783805325684
  • ISBN-10: 3805325681
  • Artikelnr.: 24380621
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 27.09.1999

In die Elbe, mit einem Gewicht an den Füßen
Die Höflinge Augusts des Starken trafen derbe Späße, die Stände aber hatten weniger Humor

Das traditionelle historiographische Bild von der Zerschlagung ständischer Mitwirkungsrechte im Zeitalter des Absolutismus ist in der neueren Forschung einem differenzierten Bild von Kooperation und Konfrontation von Herrscher und Ständen gewichen. Wieland Held, emeritierter Professor für Sächsische Landesgeschichte an der Universität Leipzig, schließt sich in seiner Untersuchung der politischen Aktivitäten des kursächsischen Adels zwischen 1694 und 1707 dieser Tendenz an. Held zeichnet die vielfältigen und bisweilen äußerst geschickten Versuche des sächsischen Adels nach, eigene Anliegen bei Kurfürst Friedrich August I. durchzusetzen, der seiner physischen Kraft wegen als August der Starke in die Geschichte einging und 1697 die polnische Königskrone erwarb.

So überraschte der Landtag von 1699/1700 den Fürsten mit dem Angebot, freiwillig eine Million Gulden zu zahlen. Er bewegte dadurch August den Starken zur Auflösung des unbeliebten Generalrevisionsrates, bei dem es sich um eine Art Finanzamt handelte, das die Aufgabe hatte, Institutionen und Einzelpersonen in Kursachsen steuerlich zu überprüfen. Während des Großen Nordischen Krieges gegen Schweden zu Beginn des achtzehnten Jahrhunderts protestierten die Stände wiederholt - freilich nicht durchweg mit Erfolg - gegen die Einführung neuer Abgaben und die umfangreichen Rekrutierungsaktionen. Als schwedische Truppen 1706/07 den Kurstaat besetzten und die Bevölkerung mit hohen Kontributionszahlungen drangsalierten, ergriff der Adel die politische Initiative und versuchte mit eigenen Bittschriften an den schwedischen König Karl XII., die Lasten zu verringern. Aus all diesen und weiteren detailliert dargestellten Ereignissen schließt Held, dass die Kurialen in Kursachsen ein "ernstzunehmender Faktor der territorialen Staatsbildung" gewesen seien und in den Ständen im achtzehnten Jahrhundert "keinesfalls nur die Verlierer der Geschichte" zu sehen seien.

Helds Belege für seine These sind überzeugend und in ihrer Ausführlichkeit kaum zu überbieten. Seine Ergebnisse sind aber insofern wenig überraschend, als Kursachsen im Gegensatz zu Brandenburg-Preußen schon lange Zeit als schlechtes Beispiel für die Herausbildung absolutistisch regierter Territorialstaaten galt. Darstellungen aus der ersten Hälfte unseres Jahrhunderts zeichneten August den Starken bereits als einen Fürsten, der es versäumte, die durchaus vorhandenen Reformansätze für den Umbau von Verwaltung, Justiz, Wirtschaft und Heer energisch durchzusetzen und somit seine persönliche Macht in der Auseinandersetzung mit den Ständen entscheidend zu erweitern. August der Starke galt nicht nur seinen borussischen Verächtern als der Typ eines kunstsinnigen barocken Fürsten, der in seinen politischen Fähigkeiten weit hinter den preußischen Herrschern zurückstand.

Dass die Leistungen Augusts des Starken weniger auf politischem, sondern mehr auf kulturellem Gebiet zu suchen sind, daran erinnert auch Dirk Syndram in seiner kunsthistorischen Studie über den Apis-Altar von Johann Melchior Dinglinger, dem Hofgoldschmied des sächsischen Herrschers. Dieses ungewöhnliche Kunstwerk wurde 1738 im Juwelenzimmer des Grünen Gewölbes des von August dem Starken ausgebauten Dresdener Schatzkammermuseums aufgestellt und kehrte 1958 nach Dresden zurück, nachdem es 1945 von einer Spezialeinheit der Roten Armee in die Sowjetunion abtransportiert worden war.

Der 195 cm hohe und 102,2 cm breite Altar erscheint wie eine sinnverwirrende Auftürmung altägyptischer Kunstwerke und Symbole, die Syndram durch seine analytische Betrachtung zu enträtseln versteht. Seinem genauen Blick auf die vielen verschiedenen Einzelelemente des Altars, zum Beispiel auf die Abbildung der Heiligen Familie der altägyptischen Götterwelt (Isis, Osiris und Horus) in der obersten Zone des Altaraufbaus oder auf die prachtvoll geschmückte Statuette einer Isis-Mumie am Sockel des bekrönenden Obelisken direkt über dem gesprengten Giebel des Altaraufbaus, gibt der Autor Schärfe durch einen Abriss der Ägyptenrezeption unter August dem Starken.

Syndram interpretiert das Kunstwerk vor dem Hintergrund der beginnenden Aufklärung, welche die Neugier auf die ägyptische Kunst und Kultur entfachte und auch August den Starken 1731 dazu veranlasste, eine Expedition an die maghrebinische Küste zu entsenden. Die Begeisterung für das mythenbeladene und daher so faszinierende Land am Nil äußerte sich in zahllosen Reiseberichten und gipfelte in den Jahrzehnten um 1800 in einer dekorativen Ägyptenmode.

Nach Syndrams Auffassung suchte Dinglinger mit seinem Apis-Altar, auf dem Isis als Urnatur und Osiris als Prinzip des Vergehens und der Wiedergeburt dargestellt werden, nach einer Ausdrucksform für einen zentralen Aspekt des Christentums: den Glauben an die Wiederauferstehung nach dem Tode. Diese Deutung erscheint durchaus plausibel, nicht nur angesichts der Tatsache, dass der Altar zu einer Zeit entstand, als sich der greise Künstler selbst an der Schwelle des Todes befand. Dass Dinglinger für die Darstellung eines christlichen Inhalts auf die ägyptische Formensprache zurückgriff, ist für Syndram Ausdruck der hochbarocken Lebenslust, "wie sie am sächsischen Hofe und vor allem vom Kurfürst-König August dem Starken gepflegt wurde".

Nicht nur Künstler wie Dinglinger erhielten am sächischen Hof Raum zur Entfaltung ihrer Fähigkeiten. August umgab sich mit derben Spaßmachern, von denen der Taschenspieler und Hofnarr Joseph Fröhlich der bekannteste ist. Rainer Rückert widmet sich in einer umfangreichen Studie dem Leben dieses bizarren Gauklers, der 1694 im steirischen Alt-Aussee zur Welt kam.

Schon als Müllerlehrling fiel Fröhlich nicht durch Fleiß, sondern durch seine schlechten Tischsitten und seinen unbändigen Heißhunger auf. Das Müllerhandwerk füllte den gefräßigen Jungen nicht aus, was wahrscheinlich auch daran lag, dass sein Lehrmeister ihm wegen manchen unerlaubten Griffs in die Speisekammer eine Tracht Prügel verabreichte. Während seiner Wanderjahre machte Fröhlich die Bekanntschaft eines Taschenspielers, der ihm seine Tricks beibrachte, so dass er in den zwanziger Jahren des achtzehnten Jahrhunderts selbst eine Anstellung als Taschenspieler beim Markgrafen von Bayreuth erhielt.

Auf den derben Burschen, den die Leute mit einem Borstenvieh verglichen, wurde der sächsische Hof aufmerksam, als Fröhlich 1725 auf Schloss Pretzsch das Kunststück gelang, die kalte und starre sächsische Kurfürstin Christiane Eberhardine zum Lachen zu bringen. August der Starke engagierte ihn 1727 und hatte in den folgenden Jahren seinen Spaß, wenn Fröhlich am sächsischen Hof während der Mahlzeiten seine Taschenspielertricks vorführte, Possen riss, deftige Witze erzählte oder sich Pseudoprügeleien mit anderen Angestellten lieferte. Der Spaßmacher hatte Narrenfreiheit, und für manche respektlose Äußerung revanchierte sich der König auf seine Weise, beispielsweise indem er Fröhlich ein Pferd mit überlangen Beinen schenkte und sich mit seinem Hofstaat köstlich darüber amüsierte, wie der pummelige Kerl es unter großem Gestöhne zu besteigen versuchte.

Als August der Starke 1733 starb, war auch Fröhlichs beste Zeit vorbei. Der neue Kurfürst von Sachsen, Friedrich August II., besoldete Fröhlich zwar weiter, doch im Gegensatz zu August dem Starken war er ein auf steife Würde bedachter Herrscher, der den Gaukler nur noch selten auftreten ließ. Fröhlich muss wohl bei Amtsantritt des neuen Kurfürsten geahnt haben, dass ihm nicht mehr jene Aufmerksamkeit zuteil werden würde, die er unter August dem Starken genossen hatte. Während der neue Herrscher in Krakau gekrönt wurde, betrank sich der Hofnarr in Dresden hemmungslos. Als er nach dem Gelage nach Hause reiten wollte, fiel er von dem Rücken seines Pferdes in einen Straßengraben, wo ihn ein Bauer beinahe erschossen hätte, weil er ihn für einen Bären hielt.

Rückert erzählt die Lebensgeschichte Fröhlichs mit wissenschaftlichem Ehrgeiz. Infolge der zahlreichen Anmerkungen und eingeschobene Zitate verliert das Buch bei der Lektüre gelegentlich ein wenig von der amüsanten Leichtigkeit des Themas. Dennoch ist Rückerts Buch ein wichtiger Beitrag zur sächsischen Geschichte der Neuzeit, weil es auch einen Eindruck von der Person Augusts des Starken abseits der großen Politik vermittelt und ihn als einen vergnügungssüchtigen barocken Herrscher kennzeichnet, dem das Leben zu kostbar erschien, um es ausschließlich in den Dienst des Staates und der Erweiterung der fürstlichen Machtfülle zu stellen.

NILS HAVEMANN.

Wieland Held: "Der Adel und August der Starke". Konflikt und Konfliktaustrag zwischen 1694 und 1707 in Kursachsen. Böhlau Verlag, Köln 1999. 295 S., br., 68,- DM.

Dirk Syndram: "Die Ägyptenrezeption unter August dem Starken". Der "Apis-Altar" Johann Melchior Dinglingers. Verlag Philipp von Zabern, Mainz 1999. 62 S., zahlr. Abb., geb., 48,- DM.

Rainer Rückert: "Der Hofnarr Joseph Fröhlich 1694 - 1757". Taschenspieler und Spaßmacher am Hofe Augusts des Starken. Edition Volker Huber, Offenbach 1998. 376 S., zahlr. Abb., geb., 128,- DM.

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