Was Ästhetik ist und was sie begründen soll, ist in der Moderne Sache des Körpers. Dieser wird zum Gegenstand von Verfahren, Strategien und Theorien, die das alte Schema von Ausdruck und Einfühlung in neue Aussageformen überführen. Was immer dieser Körper tut, ob in der Kunst oder im Labor, ob in der Arbeits- oder in der Lebenswelt, wird als eine Bewegung seines individuellen Ausdrucks gewertet. Möglich wird diese Konjunktur des Körpers durch Disziplinen wie die Physiologie und die Apparaturen, Medien und Anordnungen, mit denen das Leben in seiner zeitlichen Verlaufsform Gegenstand von Wissen werden konnte. Eine Fülle zum Teil vergessener Sachbearbeiter aus Medizin, Physiologie, Psychologie, Biologie, Anthropologie oder Kunstwissenschaft etabliert so das Leben als Gegenstand von Anliegen, hinter deren Kasuistik die Ordnung des modernen Wissens selbst zutage tritt.
Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension
In einem schleichenden Prozess hat sich die technische "Apparatur" nicht nur der menschlichen Physis, sondern auch der Psyche angenommen, erklärt der Rezensent (Kürzel: upj) in seiner knappen Besprechung von Stefan Riegers Studie über das "Technische in Leben und Kunst". Rieger, ein Heisenberg-Stipendiat der Deutschen Forschungsgemeinschaft, geht nach Angaben des Rezensenten darin den "nicht eben immer sichtbaren Wegen nach", auf denen Physis und Psyche des Menschen in die Fänge der technischen Gerätschaft gelangten. Mitunter gemahne Riegers Buch an den Gang durch ein verstaubtes Monstrositätenkabinett, findet der Rezensent. Doch so viel Staub liegt seines Erachtens dann da auch wieder nicht: Noch 1925 suchte man schließlich die Seele mittels Röntgenstrahlen und in Fachzeitschriften erschienen wissenschaftliche Artikel, die die "Elektrodiagnostik des Charakters" versprachen.
© Perlentaucher Medien GmbH
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