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Produktdetails
  • btb
  • Verlag: btb
  • Originaltitel: The Monkey's Mask
  • Seitenzahl: 219
  • Abmessung: 190mm
  • Gewicht: 214g
  • ISBN-13: 9783442723720
  • Artikelnr.: 08868475
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 06.05.1998

Testliege für Jungdichterinnen
Oft ruppig, aber immer lyrisch: Dorothy Porters "Affenmaske"

Jill Fitzpatrick, "jetzt achtunddreißig / durchtrainiert, gewieft / ohne Bildung", mag, beruflich und erotisch, den "Trouble". Daß die Privatdetektivin, während sie den Mord an Mickey, einer Studentin aus bestem Sydneyer Hause aufklärt, mit deren Lyrikdozentin ein heftiges und folgenreiches Verhältnis beginnt, paßt insofern ins Programm. Daß sie aber im Verlauf ihrer Untersuchungen Einblick in die moralischen Abgründe der australischen Lyrikszene erhalten würde, hat sie nicht erwartet. Was die Leser von Dorothy Porter nicht erwarten konnten, ist, daß sie ihre spannende und soziologisch aufschlußreiche Kriminalstory als Gedichtzyklus servieren würde.

Dorothy Porter, 1954 in Sydney geboren, war zwar als Lyrikerin, nicht aber als Krimi-Autorin hervorgetreten, ehe sie mit der "Affenmaske" auch außerhalb Australiens bekannt wurde. Wenn man Porter glauben darf, hat sie die Gedichte erst nachträglich in den Handlungszusammenhang eines Kriminalromans gebracht. Daß einige Gedichte ihre Entstehung einem lyrischen Impuls verdanken und andere offenbar geschrieben wurden, um die Löcher der Kriminalhandlung zu stopfen, fällt nicht weiter auf. Denn Dorothy Porters poetische Sprache und ihr Stoff sind füreinander wie geschaffen. Fast keiner in diesem Buch, der nicht von Berufs wegen mit Dichtung befaßt wäre. Fast keiner, der nicht Dreck am Stecken hätte. Auch die blonde Mickey hat gedichtet: verzehrende Gesänge von Sex und Tod. Sie richteten sich offenkundig an ihre lyrischen Idole. Mit einigen von ihnen war sie auch körperlich vertraut. "Opferlyrik" meint Diana, Mickeys ehemalige Dozentin, abschätzig. Sie findet Mickeys Gedichte einfach "Scheiße", sagt sie - wobei man nie weiß, wie weit den Worten der schillernden Philologin zu trauen ist. Und auch Jill greift irgendwann gegen ihre Gewohnheiten zur Feder, um der Geliebten, diesem "Miststück", ein Gedicht zu widmen.

Bei Dorothy Porters eigener Lyrik handelt es sich durchweg um ungereimte und rhythmisch ungebundene Erzählgedichte, die offen genug sind, um Dialoge, Figurenbeschreibungen und auch Thriller-Momente in sich aufzunehmen. Erzähltechnisch gibt es wenig, das in und mit Porters Gedichten nicht möglich wäre. Manchmal, sozusagen in den Rezitativen, sind sie sachlich und berichtend, etwa wenn es zu Jills Nachforschungen in der Uni-Cafeteria heißt: "Im aromatischen Gemisch / heißer Pommes und brutzelnden / Fleisches / halten Studenten Händchen / blasen einander Rauch ins Gesicht und reden / war das Mickeys Leben / Bücher, Quasseln, Drogen, Fresserei / und Magersucht?" Dazwischen sind als Intermezzi Gedichte eingestreut, in denen die Privatdetektivin melancholisch mit sich selbst zu Rate geht und dabei auch der für sie ungewohnten Frage nachgrübelt, "wie Gedichte entstehen": "Entstehen so Gedichte? / wenn jedes Riff vom Radio / dir in der Kehle hakt / entstehen so Gedichte? / wenn die Ader unter ihrer Haut / dir in der Kehle hakt".

Die Rockmusik prägt den Drive und die Tonlage dieser Gedichte, die sich, dem Charakter der Protagonistin entsprechend, vorwiegend abgebrüht und rüde gerieren. Angesichts der Machenschaften, die im Lauf der Handlung ans Licht kommen, könnte es kaum anders sein. Sex, Crime und Poesie wachsen zu einem Gestrüpp aus Eitelkeit, Gier und Tücke zusammen, in dem die Detektivin sich zusehends verfängt. Die Akteure in diesem Spiel tragen eine "Affenmaske". Porter entnimmt diese Chiffre für die doppelbödige Verfassung ihrer Figuren einem Haiku von Matsuo Busho. Auch in Jills Affäre mit der Literaturdozentin Diana mischt sich bald eine Ahnung von Betrug.

Die Abenteuer der eher kulturresistenten, an Fun und Action interessierten Detektivin im Literaturmilieu sind zugleich der Stoff für eine Satire auf die akademische Boheme. Diana, die mondäne Poststrukturalistin, und ihr Mann Nick, ein "junger Sozi-Anwalt", verbinden Gesinnungstugend und ein ausschweifendes Sexualleben ebenso gekonnt wie die Lyrik-Größe Bill McDonald oder sein Kollege Tony Knight, der angeblich "eine Talent-Testliege / für Jungdichterinnen" betreibt. Lyrik, so erfahren wir aus diesem Buch, kann die Hölle und Lyriker können ziemlich schlechte Menschen sein. So amüsant und originell wie Dorothy Porter hat diesen durchaus bekannten Sachverhalt schon lange niemand dargestellt. CHRISTOPH BARTMANN Dorothy Porter: "Die Affenmaske". Aus dem Englischen übersetzt von Uwe Wuttke. Residenz Verlag, Salzburg 1997. 220 S., geb., 42,- DM.

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