Can Merey entfaltet einen umfassenden, einzigartigen Blick auf die Bevölkerung des krisengeschüttelten Afghanistans. Kaum ein Buch hat es bisher vermocht, dem einzelnen ein Gesicht zu geben. Der dpa-Korrespondent beobachtet und bereist Afghanistan seit vier Jahren beinahe monatlich. In ausführlichen Gesprächen sowohl mit ausländischen Diplomaten, Militärs, Entwicklungshelfern als auch mit Afghanen gelingt es Merey, ein detailliertes Bild über die dortige Lage zu zeichnen. Der Autor analysiert die politische Situation in Afghanistan und portraitiert die Opfer und Protagonisten des Krieges. Auf seinen Reisen in verschiedene Gegenden des vom Krieg zerrissenen Landes schildert er die militärischen Konflikte, das Leiden der Landbevölkerung ebenso wie die Drogenökonomie und den Verlust der Menschlichkeit in einer schier aussichtslosen Krisensituation.So lernt er einen Mann kennen, der sich den Taliban anschließen und seine zwei ältesten Söhne (7 und 10) als Selbstmordattentäter überlassen wird, weil die ISAF im März seinen ältesten Sohn versehentlich erschossen hat. Er sitzt neben einem weinenden Vater, dessen Sohn von den Taliban geköpft wurde, weil die Regierung einen Gefangenenaustausch verweigerte. Er spricht mit einem deutschen Soldaten und einem afghanischen Mädchen, die erst vor wenigen Wochen einen Selbstmordanschlag überlebten. Auch wird es Merey als erstem Deutschen vom afghanischen Geheimdienst gestattet, ein Gespräch mit zwei Selbstmordattentätern zu führen.Eindringlich verknüpft der Autor ihre Lebenswege zu einem Gesamtbild der Ereignisse, das die Gegenwart bestimmtund die Zukunft beeinflussen wird.
Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
Rezensent Wilfried von Bredow hat zwei Bücher über die brenzlige Lage in Zentralasien gelesen, die er beide sehr empfehlen kann. Can Merey hat als dpa-Korrespondent in Afghanistan gearbeitet, und seinem Buch "Die afghanische Misere" merkt der Rezensent nicht nur diese Erfahrung an, sondern auch, dass Merey ein "guter Beobachter und aufmerksamer Zuhörer" ist. Die immer wieder durchschimmernde Sympathie des Autors für das Land lässt sich Bredow gern gefallen, besonders hervor hebt er aber die abgewogene Darstellung des militärischen Unterfangens hervor, zugleich die Taliban zu bekämpfen und die Zivilbevölkerung beim Wiederaufbau des Staates zu unterstützen. Mereys Warnung vor einem verfrühten Truppenanzug findet Rezensent Bredow dabei ebenfalls sehr überzeugend.
© Perlentaucher Medien GmbH
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