Die Wiederentdeckung des DDR-Bestsellers über die Herausforderung, den Traum von Freiheit zu leben
Almut, eine alleinerziehende Literaturwissenschaftlerin, übernimmt von ihrem Vater ein Segelboot, einen Drachen - wunderschön, doch viel zu groß und viel zu kostspielig für sie. Bald verschlingt der Drache all ihre Zeit und ihr Geld. Sie verbringt die Wochenenden nur noch am See, mit der Instandhaltung und Renovierung beschäftigt, oder läuft auf der Suche nach Lack, Sandpapier, Planstoff durch ganz Ostberlin. Die anderen Bootsbesitzer, alles Männer, belächeln sie - so ein Boot sei nichts für eine einzelne Person, schon gar nicht für eine Frau. Mehrfach versucht sie den Drachen zu verkaufen, aber dann kann sie sich doch nicht von ihm trennen. Denn mit ihm entdeckt sie eine Freiheit, die sie weder in ihrem Land noch in einer Beziehung je finden konnte.
Dieser zeitgemäße moderne Klassiker bricht eine emanzipatorische Lanze, die an Aktualität bis heute nicht verloren hat.
»'Die Alleinseglerin' ist eine intelligent komponierte Erzählung, die von weiblichem Eigensinn handelt. Und zu gleich ist sie eine stilistisch brillante Etüde über das Loslassen.« Katharina Teusch, Die Zeit
»Die Neuauflage der "Alleinseglerin" ist eine bereichernde Wiederentdeckung.« Emilia Kröger, FAZ
»Dieser Roman [...] lebt von einer Sprache, die rhythmisch auf und ab wogt, sich von einfachen Hauptsatz-Reihungen zu Parataxen aufschwingt, mal nüchtern registriert, dann malerisch-atmosphärisch erzählt, und den Leser im sanften Wellengang schaukelt.« Marlen Hobrack, Welt am Sonntag
Almut, eine alleinerziehende Literaturwissenschaftlerin, übernimmt von ihrem Vater ein Segelboot, einen Drachen - wunderschön, doch viel zu groß und viel zu kostspielig für sie. Bald verschlingt der Drache all ihre Zeit und ihr Geld. Sie verbringt die Wochenenden nur noch am See, mit der Instandhaltung und Renovierung beschäftigt, oder läuft auf der Suche nach Lack, Sandpapier, Planstoff durch ganz Ostberlin. Die anderen Bootsbesitzer, alles Männer, belächeln sie - so ein Boot sei nichts für eine einzelne Person, schon gar nicht für eine Frau. Mehrfach versucht sie den Drachen zu verkaufen, aber dann kann sie sich doch nicht von ihm trennen. Denn mit ihm entdeckt sie eine Freiheit, die sie weder in ihrem Land noch in einer Beziehung je finden konnte.
Dieser zeitgemäße moderne Klassiker bricht eine emanzipatorische Lanze, die an Aktualität bis heute nicht verloren hat.
»'Die Alleinseglerin' ist eine intelligent komponierte Erzählung, die von weiblichem Eigensinn handelt. Und zu gleich ist sie eine stilistisch brillante Etüde über das Loslassen.« Katharina Teusch, Die Zeit
»Die Neuauflage der "Alleinseglerin" ist eine bereichernde Wiederentdeckung.« Emilia Kröger, FAZ
»Dieser Roman [...] lebt von einer Sprache, die rhythmisch auf und ab wogt, sich von einfachen Hauptsatz-Reihungen zu Parataxen aufschwingt, mal nüchtern registriert, dann malerisch-atmosphärisch erzählt, und den Leser im sanften Wellengang schaukelt.« Marlen Hobrack, Welt am Sonntag
Perlentaucher-Notiz zur TAZ-Rezension
Rezensent Helmut Böttiger schreibt berührt über Christine Wolters wieder entdeckten Roman "Die Alleinseglerin" . Die Ich-Erzählerin Almut erinnert sich im Italien des Jahres 1982 - wie die Autorin - an den "Drachen", das Boot, das im real existierenden Sozialismus der DDR zurückblieb - genauso wie der Vater, die Freunde und Nachbarn. Böttiger zufolge eröffnet dieser "Drache" als "Metapher für Sehnsucht und Entgrenzung" Wolter die Möglichkeit einer "Kampfansage" gegen die SED, aber auch für ein Plädoyer der persönlichen Selbstbehauptung durch die "emphatische Besetzung der Kunst".
© Perlentaucher Medien GmbH
© Perlentaucher Medien GmbH
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 27.08.2022Das Erinnern restaurieren
Wiederentdeckung eines bemerkenswerten Romans aus der DDR: Christine Wolters "Die Alleinseglerin"
Wiederauflagen von älteren Romanen stellen eine besondere Veröffentlichungssituation dar, denn sie ermöglichen es, die eigene Leseerfahrung auch mit der historischen Rezeption zu vergleichen. Bei der jüngst erschienenen Neuauflage von Christine Wolters Roman "Die Alleinseglerin" ist das umso interessanter, als der Titel bei seiner Erstausgabe 1982 in der DDR ein Bestseller und schließlich sogar verfilmt wurde.
"Die Ich-Erzählerin erinnert sich an den Norden, an märkische Wälder und Seen, an ihr früheres Leben, an die Mutter, mehr an den Vater, an deren wenig glückliche Ehe. Und sie erinnert sich an ein Boot, ein Segelboot." Mit diesen Worten beschrieb der Rezensent Christoph Trilse "Die Alleinseglerin". In Trilses Besprechung - erschienen am 18. April 1983 in der "Neuen Zeit", der Tageszeitung der CDU in der DDR - klingen neben den lobenden Worten allerdings auch harsche Töne an: Ihn "verstimme" an dem Roman, dass explizit eine weibliche Perspektive betont werde, wenn es ums Erlernen des Segelns geht. Laut Trilse sind "Alleinsegler stets auf irgendeine Art im Blick- und Tuschelfeld, um nicht zu sagen, gebrandmarkt. Gleich, ob Frau oder Mann."
Diese historische Lesart erscheint nach der eigenen Lektüre des Romans nicht nur zweifelhaft, sie begründet zugleich, warum die aktuelle Neuauflage des Romans sinnvoll ist. Denn den Schilderungen des Romans folgend, gab es einen Unterschied darin, wie Menschen anhand ihres Geschlechts wahr- und ernstgenommen werden, in den achtziger Jahren in der DDR - ebenso, wie es ihn leider auch heute noch gibt. Um das nachzuvollziehen, reicht ein Blick in Wolters Text. Die Protagonistin Almut erzählt davon, wie sie in der "Männerwerft" ihr Boot liegen hat und es im Winter restaurieren muss. Dabei muss sie sich als Anfängerin, aber eben vor allem auch als Frau, ununterbrochen Ratschläge und Meinungen der anderen Bootseigner anhören.
Einem anderen neuen Eigner, "dem Kuttermenschen", widerfährt auf dem Werftgelände Ähnliches. Und doch gibt es einen Unterschied zwischen den beiden, der sich eben aus dem Geschlecht ergibt. Nach getaner Arbeit gehen die Männer in die nahe gelegene Kneipe. Almut auch: "Da saßen sie alle. Es wurde einen Moment still, als ich hereinkam. Der Kuttermensch hockte dazwischen, die Verzweiflung war aus seinem Gesicht gewischt, aus seinen Augen leuchtete Gemeinschaftsglück: ich gehör dazu." Sie hingegen treffen feindselige Blicke: "Hier sind wir unter uns und wollen es bleiben. Hier habt ihr nichts zu suchen, ihr und die Gören, die wir sonst Großer, Kleiner, Süße, Mausi, Liebling nennen."
Es sind diese differenzierte Beobachtungsgabe der Erzählerin in Bezug auf die patriarchalen Gesellschaftsstrukturen der DDR der achtziger Jahre und die dezidiert weibliche Perspektive auf das Segeln, das Arbeiten und das Leben zu jener Zeit, die dazu geführt haben werden, dass sich der Ecco Verlag um die Neuauflage bemüht hat. Unter dem Motto "Was wir lesen wollen" veröffentlicht der Verlag nur Bücher von Autorinnen. Doch auch aus anderen Perspektiven ist "Die Alleinseglerin" inhaltlich relevant. Historisch etwa ist die Beziehung Almuts zu ihrem Vater hervorzuheben, in der auch sein Verhältnis zum SED-Regime verhandelt wird. Er war als Architekt in der DDR berühmt und erfolgreich, wurde mit dem Nationalpreis ausgezeichnet, kehrte jedoch im Alter dem politischen System den Rücken.
Auf emotionaler Ebene wird diese Familienbeziehung als zentraler Konflikt der Protagonistin einleuchtend dargestellt, begründet er doch ihre Vertrauensprobleme und den Wunsch, das eigene Erinnern an Gegenständliches zu binden. Die schwere Arbeit an dem vom Vater übernommenen Boot symbolisiert ihre Erinnerungsarbeit: "Die Erinnerungsstücke, die Erbstücke: plötzlich sind sie Reliquienschrein der Erinnerung an uns selbst: so war ich, und so schwer hab ich's gehabt, und ich hab's doch geschafft."
Auch die Sprache des Romans durchläuft eine Entwicklung, ist zu Beginn schemenhaft-metaphorisch und gewinnt im Laufe der Erzählung Kraft durch die zunehmenden assoziierenden und poetischen Passagen. Oft in erlebter Rede gefasst, werden die Gedanken der Protagonistin mit den Gesprächen vermischt, zum Beispiel zum Thema Reisen in der DDR: "ich war in, ich will nach, ich habe beantragt. Dienstreisen. Ich nicht. Ich war besetzt, befasst. Mit dem Menschenbild, frühbürgerlich. Mit dem Frauenbild, vorausdeutend. Mit Hin- und Herfahrten zum Büro, am dem mein Name stand und: Wiss. Mitarb. Mit dem Kind, dem Kindergartenkind, dem Fragekind, die Republik hat Geburtstag, wer is'n die Republik?" In diesem "anekdotischen Aroma" liegt die Stärke der Autorin Christine Wolter. Die Neuauflage der "Alleinseglerin" ist eine bereichernde Wiederentdeckung. EMILIA KRÖGER
Christine Wolter: "Die Alleinseglerin". Roman.
Ecco Verlag, Hamburg 2022. 206 S., geb., 22,- Euro.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Wiederentdeckung eines bemerkenswerten Romans aus der DDR: Christine Wolters "Die Alleinseglerin"
Wiederauflagen von älteren Romanen stellen eine besondere Veröffentlichungssituation dar, denn sie ermöglichen es, die eigene Leseerfahrung auch mit der historischen Rezeption zu vergleichen. Bei der jüngst erschienenen Neuauflage von Christine Wolters Roman "Die Alleinseglerin" ist das umso interessanter, als der Titel bei seiner Erstausgabe 1982 in der DDR ein Bestseller und schließlich sogar verfilmt wurde.
"Die Ich-Erzählerin erinnert sich an den Norden, an märkische Wälder und Seen, an ihr früheres Leben, an die Mutter, mehr an den Vater, an deren wenig glückliche Ehe. Und sie erinnert sich an ein Boot, ein Segelboot." Mit diesen Worten beschrieb der Rezensent Christoph Trilse "Die Alleinseglerin". In Trilses Besprechung - erschienen am 18. April 1983 in der "Neuen Zeit", der Tageszeitung der CDU in der DDR - klingen neben den lobenden Worten allerdings auch harsche Töne an: Ihn "verstimme" an dem Roman, dass explizit eine weibliche Perspektive betont werde, wenn es ums Erlernen des Segelns geht. Laut Trilse sind "Alleinsegler stets auf irgendeine Art im Blick- und Tuschelfeld, um nicht zu sagen, gebrandmarkt. Gleich, ob Frau oder Mann."
Diese historische Lesart erscheint nach der eigenen Lektüre des Romans nicht nur zweifelhaft, sie begründet zugleich, warum die aktuelle Neuauflage des Romans sinnvoll ist. Denn den Schilderungen des Romans folgend, gab es einen Unterschied darin, wie Menschen anhand ihres Geschlechts wahr- und ernstgenommen werden, in den achtziger Jahren in der DDR - ebenso, wie es ihn leider auch heute noch gibt. Um das nachzuvollziehen, reicht ein Blick in Wolters Text. Die Protagonistin Almut erzählt davon, wie sie in der "Männerwerft" ihr Boot liegen hat und es im Winter restaurieren muss. Dabei muss sie sich als Anfängerin, aber eben vor allem auch als Frau, ununterbrochen Ratschläge und Meinungen der anderen Bootseigner anhören.
Einem anderen neuen Eigner, "dem Kuttermenschen", widerfährt auf dem Werftgelände Ähnliches. Und doch gibt es einen Unterschied zwischen den beiden, der sich eben aus dem Geschlecht ergibt. Nach getaner Arbeit gehen die Männer in die nahe gelegene Kneipe. Almut auch: "Da saßen sie alle. Es wurde einen Moment still, als ich hereinkam. Der Kuttermensch hockte dazwischen, die Verzweiflung war aus seinem Gesicht gewischt, aus seinen Augen leuchtete Gemeinschaftsglück: ich gehör dazu." Sie hingegen treffen feindselige Blicke: "Hier sind wir unter uns und wollen es bleiben. Hier habt ihr nichts zu suchen, ihr und die Gören, die wir sonst Großer, Kleiner, Süße, Mausi, Liebling nennen."
Es sind diese differenzierte Beobachtungsgabe der Erzählerin in Bezug auf die patriarchalen Gesellschaftsstrukturen der DDR der achtziger Jahre und die dezidiert weibliche Perspektive auf das Segeln, das Arbeiten und das Leben zu jener Zeit, die dazu geführt haben werden, dass sich der Ecco Verlag um die Neuauflage bemüht hat. Unter dem Motto "Was wir lesen wollen" veröffentlicht der Verlag nur Bücher von Autorinnen. Doch auch aus anderen Perspektiven ist "Die Alleinseglerin" inhaltlich relevant. Historisch etwa ist die Beziehung Almuts zu ihrem Vater hervorzuheben, in der auch sein Verhältnis zum SED-Regime verhandelt wird. Er war als Architekt in der DDR berühmt und erfolgreich, wurde mit dem Nationalpreis ausgezeichnet, kehrte jedoch im Alter dem politischen System den Rücken.
Auf emotionaler Ebene wird diese Familienbeziehung als zentraler Konflikt der Protagonistin einleuchtend dargestellt, begründet er doch ihre Vertrauensprobleme und den Wunsch, das eigene Erinnern an Gegenständliches zu binden. Die schwere Arbeit an dem vom Vater übernommenen Boot symbolisiert ihre Erinnerungsarbeit: "Die Erinnerungsstücke, die Erbstücke: plötzlich sind sie Reliquienschrein der Erinnerung an uns selbst: so war ich, und so schwer hab ich's gehabt, und ich hab's doch geschafft."
Auch die Sprache des Romans durchläuft eine Entwicklung, ist zu Beginn schemenhaft-metaphorisch und gewinnt im Laufe der Erzählung Kraft durch die zunehmenden assoziierenden und poetischen Passagen. Oft in erlebter Rede gefasst, werden die Gedanken der Protagonistin mit den Gesprächen vermischt, zum Beispiel zum Thema Reisen in der DDR: "ich war in, ich will nach, ich habe beantragt. Dienstreisen. Ich nicht. Ich war besetzt, befasst. Mit dem Menschenbild, frühbürgerlich. Mit dem Frauenbild, vorausdeutend. Mit Hin- und Herfahrten zum Büro, am dem mein Name stand und: Wiss. Mitarb. Mit dem Kind, dem Kindergartenkind, dem Fragekind, die Republik hat Geburtstag, wer is'n die Republik?" In diesem "anekdotischen Aroma" liegt die Stärke der Autorin Christine Wolter. Die Neuauflage der "Alleinseglerin" ist eine bereichernde Wiederentdeckung. EMILIA KRÖGER
Christine Wolter: "Die Alleinseglerin". Roman.
Ecco Verlag, Hamburg 2022. 206 S., geb., 22,- Euro.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
»Dieser Roman [...] lebt von einer Sprache, die rhythmisch auf und ab wogt, sich von einfachen Hauptsatz-Reihungen zu Parataxen aufschwingt, mal nüchtern registriert, dann malerisch-atmosphärisch erzählt, und den Leser im sanften Wellengang schaukelt.« Marlen Hobrack Welt am Sonntag 20220807
Rezensent Helmut Böttiger schreibt berührt über Christine Wolters wieder entdeckten Roman "Die Alleinseglerin" . Die Ich-Erzählerin Almut erinnert sich im Italien des Jahres 1982 - wie die Autorin - an den "Drachen", das Boot, das im real existierenden Sozialismus der DDR zurückblieb - genauso wie der Vater, die Freunde und Nachbarn. Böttiger zufolge eröffnet dieser "Drache" als "Metapher für Sehnsucht und Entgrenzung" Wolter die Möglichkeit einer "Kampfansage" gegen die SED, aber auch für ein Plädoyer der persönlichen Selbstbehauptung durch die "emphatische Besetzung der Kunst".
© Perlentaucher Medien GmbH
© Perlentaucher Medien GmbH