Das Buch untersucht ein wichtiges Kapitel der deutschen Wirtschaftsgeschichte. Im Mittelpunkt steht die Entwicklung der Allianz AG während der Spätphase der Weimarer Republik und der Zeit des Dritten Reiches bis zur frühen Bundesrepublik. Insbesondere werden die Beziehungen zwischen dem größten Versicherungsunternehmen Deutschlands und dem NS-Staat beleuchtet. Dabei geht es auch um die zur Zeit kontrovers diskutierten Fragen des Entzugs jüdischer Vermögenswerte und der Politik der Wiedergutmachung in der Bundesrepublik. Dies ist die erste umfassende Arbeit zur Geschichte der Allianz AG in den Jahren 1933 bis 1945. Der Autor, ein international angesehener Fachmann für die deutsche Wirtschaftsgeschichte des 20. Jahrhunderts, beschreibt die Organisation des Versicherungswesens im Dritten Reich und stellt vor diesem Hintergrund die Entwicklung der Allianz AG und der gesamten Versicherungswirtschaft während des Nationalsozialismus dar. Gerald D. Feldmans Buch ist zugleich ein wichtiger Beitrag zur Unternehmens- wie auch zur Zeitgeschichte.
Behandelt werden folgende Themen:
die Verbindung zwischen Repräsentanten der Allianz und der nationalsozialistischen Führungdie Gleichschaltung der Versicherungswirtschaftdie Entwicklung des Unternehmensder Umgang der Allianz mit jüdischen Mitarbeitern und Kundendie Reichskristallnacht und die Versicherungswirtschaftdie Ausdehnung des Konzerns im Zweiten Weltkrieg und das Versicherungsgeschäft in den besetzten LändernGeschäftskontakte mit SS und NSDAPEntnazifizierung und Entschädigung nach dem Zweiten Weltkrieg
Hinweis: Dieser Artikel kann nur an eine deutsche Lieferadresse ausgeliefert werden.
Behandelt werden folgende Themen:
die Verbindung zwischen Repräsentanten der Allianz und der nationalsozialistischen Führungdie Gleichschaltung der Versicherungswirtschaftdie Entwicklung des Unternehmensder Umgang der Allianz mit jüdischen Mitarbeitern und Kundendie Reichskristallnacht und die Versicherungswirtschaftdie Ausdehnung des Konzerns im Zweiten Weltkrieg und das Versicherungsgeschäft in den besetzten LändernGeschäftskontakte mit SS und NSDAPEntnazifizierung und Entschädigung nach dem Zweiten Weltkrieg
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 09.10.2001Eine Allianz nicht nur fürs Leben
Auch die Nazis waren gut versichert: Gerald D. Feldmans große Studie wirft dunkle Schatten auf den Konzern / Von Jürgen Jeske
Dem amerikanischen Historiker Gerald D. Feldman, bekannt durch seine große Abhandlung über die deutsche Inflation, eine Stinnes-Biographie und die Beiträge zur Historie der Deutschen Bank, ist mit der Geschichte der Allianz in der Nazizeit ein weiteres herausragendes Werk gelungen. Das Buch ist einer der bislang wichtigsten Beiträge zur Aufhellung deutschen Unternehmerverhaltens im Dritten Reich. Der Vorstandsvorsitzende der Allianz-Versicherungsgruppe Henning Schulte-Noelle, Jahrgang 1942, der die Untersuchung in Auftrag gab, hat dazu angemerkt, jeder müsse das Buch mit der Fragestellung lesen, wie er sich in einer solchen Zeit verhalten hätte. In der Tat drängt das Buch die nach wie vor aktuelle Frage auf, welches Ethos von Unternehmern in Zeiten von Diktatur, Krieg und politischen Konflikten zu fordern ist. Feldmans Werk zeigt schließlich auch, daß der populäre Ruf nach mehr politischer Betätigung von Wirtschaftsrepräsentanten auf schreckliche Irrwege führen kann. Sein Buch ist mehr als eine Unternehmensgeschichte, es ist ein brillantes Sittenbild deutschen Unternehmertums in Zeiten der Diktatur.
Schon Adenauer sagte, daß man die Menschen so nehmen müsse, wie sie sind. Darüber gibt sich auch Feldman keinen Illusionen hin. Es gebe keinen Grund, warum Unternehmer besser sein und mehr Heldenmut zeigen sollten als die Gesellschaft, der sie angehören. "Nichtsdestotrotz", so schreibt er aber, "haben kapitalistische Einrichtungen und diejenigen, die sie leiten, eine besondere Verantwortung in Gesellschaften, die auf der Grundlage von Privateigentum und freiheitlichen Wirtschaftsprinzipien organisiert sind." Feldman kritisiert zu Recht den rückgratlosen Konformismus der Unternehmer und Manager in jenen Jahren, ihren Opportunismus und die bedenkenlose Ausnutzung aller geschäftlichen Möglichkeiten, die sich durch die Nazis eröffneten. Es gab auch andere, wie den Generaldirektor der Alten Leipziger, Johannes Tiedke, der einen Rest von Anstand und eine gewisse Distanz zum Regime wahrte. Diese Männer blieben jedoch in der Minderheit.
Dabei gehörten die Allianz und die mit ihr verbundene Münchener Rückversicherungs-Gesellschaft nicht einmal zu den Unternehmen, die besonders tief in nationalsozialistische Verbrechen verwickelt waren. Keiner der Manager stand etwa in den Nürnberger Prozessen vor Gericht. Die leitenden Männer der Allianz waren keine rabiaten Antisemiten, wie Feldman in seiner detaillierten Analyse darlegt. Im Gegenteil: Zahlreiche leitende Mitarbeiter verhielten sich den verfolgten Juden gegenüber sehr anständig und halfen ihnen auch. Doch insgesamt versagte die Allianz dabei, die zivilisatorischen Werte in Deutschland zu verteidigen.
So erwiesen sich die Allianz-Direktoren als aktive Förderer der Nazis. Kurt Schmitt, der legendäre Generaldirektor, und Eduard Hilgard, seine rechte Hand und späterer Leiter der Reichsgruppe Versicherungen, pflegten schon vor 1933 enge Beziehungen zu Hermann Göring. Sie wollten sich aus erster Hand informieren, um eventuell Einfluß auf die Wirtschaftspolitik nehmen zu können; eine Illusion und Selbstüberschätzung, der auch viele andere Unternehmer erlagen. Als Schmitt - den Feldman als im Grunde anständig, unternehmerisch begabt, aber politisch naiv, eitel und sehr ehrgeizig beschreibt - 1933 Wirtschaftsminister wurde, wirkte das als Zeichen dafür, daß die Wirtschaft mit den Nationalsozialisten zusammenarbeiten könne und werde. Damit hatten Hitler und Göring genau das erreicht, was sie wollten: sich das Wohlwollen der internationalen Geschäftswelt zu sichern.
Schmitt, der sich einbildete, eine Art Generaldirektor der deutschen Volkswirtschaft zu sein, sah seine Rolle darin, ein Abgleiten ins Radikale zu verhindern. Er trat dazu noch in die SS ein und war häufig in SS-Uniform in der Öffentlichkeit zu sehen - weil sie ihm besonders gut stand! Obwohl er kein militanter Antisemit war, erklärte er es zum Ziel deutscher Wirtschaftspolitik, den jüdischen Einfluß in der Wirtschaft zurückzudrängen. Daß er bereits 1935 nach einem gesundheitlichen Kollaps scheiterte, weil das Amt für ihn zum Albtraum geworden war, ändert daran wenig, ebenso, daß ihn die Gestapo später als unsicheren Kantonisten betrachtete. Ähnlich zeichensetzend wirkte Hilgard an der Spitze der Reichsgruppe Versicherungen. Er übernahm Sprache und Selbstinszenierung der Nazis und hatte nach Feldmans Meinung auch keine Gewissensnöte. Sein Lebensinhalt bestand darin, die "Allianz-Familie", koste es, was es wolle, voranzubringen und den Fortbestand der privaten Versicherungswirtschaft sicherzustellen. Diese stand damals in einem Abwehrkampf gegen Angriffe der öffentlich-rechtlichen Versicherungsgruppe, der Deutschen Arbeits-Front und solcher auf Verstaatlichung drängender Nazis wie des Gauleiters von Pommern, Schwede-Coburg. Hilgard habe, ohne zu hinterfragen, mit den Karten gespielt, die ihm ausgeteilt wurden, schreibt Feldman, und seine große Begabung habe darin bestanden, sich möglichst lange im Spiel zu halten.
Feldman arbeitet verdienstvollerweise heraus, in welchem Maße der enge Blick auf das Unternehmensinteresse, auf das Überleben und die Fortentwicklung des Unternehmens um jeden Preis zum moralischen Verfall beigetragen hat. Schmitt hielt es für besser, innerhalb des Systems für das Wohl des ihm anvertrauten Unternehmens zu sorgen, als sich und den Konzern mit einer aussichtslosen Oppositionspolitik der Katastrophe auszuliefern. Auch nach 1945 meinte er, ein Geschäftsmann müsse in solchen Situationen durch Ausweichen und Konzessionen Zeit und Existenz gewinnen. Feldman stellt dem zwar Beispiele des Widerstands und der offenen Konfrontation gegenüber, schreibt aber zugleich - und solche Differenzierungen machen den Rang des Buches aus -, daß die Manager in einem Umfeld agiert hätten, in dem traditionelle Moralvorstellungen nicht mehr viel galten. Gleichwohl: Der Konzern wurde zum Nutznießer des Regimes und seiner Politik. Die Partei erwies sich als Umsatzgarantin. Aus der obligatorischen Haftpflichtversicherung für Jagdpächter wurde durch Schmitts Beziehungen zu Göring ein Allianz-Versicherungsmonopol. Die Gelegenheiten aus Arisierungsfällen wurden genutzt.
Die Expansion des Deutschen Reichs im Krieg führte zur Expansion der Versicherungsgruppe. Mehr noch: Allianz und Münchener Rück sahen in dieser Expansion die Möglichkeit einer europäischen Wirtschaftsordnung mit Deutschland als tonangebendem Akteur. Die Allianz wirkte wie die übrige Versicherungswirtschaft an der indirekten und später direkten Enteignung jüdischer Versicherungsnehmer mit, wenn auch widerstrebend, weil es um eine gute Kundengruppe ging. Feldman tritt in diesem Zusammenhang der nach wie vor verbreiteten Meinung entgegen, die Versicherungswirtschaft habe von der Enteignung profitiert. Das Gegenteil war jedoch der Fall. Nutznießer war allein der NS-Staat, der sich diese Gelder aneignete. Der Krieg brachte ferner eine Steigerung des Prämienaufkommens in der Transportversicherung und in der Bauwesenversicherung. Die Allianz versicherte Produktionsstätten in den jüdischen Ghettos, in Zwangsarbeiterlagern und in Konzentrationslagern, darunter Auschwitz. Man habe dort kaum aktiv sein können, ohne zu bemerken, was vor sich ging, merkt Feldman an, doch hätten die Handelnden das Gefühl für die Verwerflichkeit ihres Tuns längst verloren gehabt.
Nach dem Krieg und in der Zeit der von den Besatzungsmächten angeordneten Entnazifizierung begann die Stunde der Selbstrechtfertigung, die Feldman ebenfalls ausführlich beschreibt. Schmitt und Hilgard wurden in den Entnazifizierungsverfahren am Ende in die Kategorie "Mitläufer" eingestuft. Das empörte sie, weil ausgesprochene Nazis ebenfalls eine Einstufung als "Mitläufer" erreichten. Am Fall Schmitt zeigt Feldman eindrucksvoll, daß die meisten jener Generation von ihrer Unschuld überzeugt blieben und durch selektives Erinnern und gezielte Retuschen die Frage der persönlichen Verantwortung verdrängten. Es ist daher falsch, zu behaupten, die Deutschen und speziell die Unternehmer hätten sich nicht mit der Vergangenheit auseinandergesetzt. Sie haben es nur unter dem Eindruck des Zusammenbruchs und der Besatzung in einer Weise getan, die ihrer Verantwortung ein weiteres Mal nicht gerecht wurde.
Am Beispiel Schmitts zeigt Feldman, wie dynamische Persönlichkeiten nach dem Krieg wieder in die Öffentlichkeit drängten. Schmitt habe unter der ihm zunächst durch die Entnazifizierung aufgezwungenen Untätigkeit zutiefst gelitten und darauf gebrannt, sich nicht nur in den Wiederaufbau des Versicherungswesens zu stürzen, sondern auch eine Rolle beim Aufbau eines vereinten Europa zu spielen. Schmitt übernahm 1949 den Aufsichtsratsvorsitz der Münchener Rückversicherungs-Gesellschaft, starb aber noch im selben Jahr. Hilgard gehörte dem Allianz-Aufsichtsrat bis 1960 an. Diese personelle Kontinuität habe wesentlich zu der Überzeugung beigetragen, die deutsche Versicherungswirtschaft und ihre Konzerne hätten zu den Opfern der nationalsozialistischen Diktatur gehört. Vor diesem Hintergrund ist auch die Frage der Wiedergutmachung zu sehen. Besonders bei arisierten Immobilien stellen die Akten nach Feldmans Analyse dem Konzern ein schlechtes Zeugnis aus für den Umgang mit den Antragstellern. Als besonders peinlich empfindet der Historiker, wie die Allianz 1990 unter dem damaligen Vorstandsvorsitzenden Wolfgang Schieren zur Feier des hundertjährigen Bestehens mit ihrer Vergangenheit umging. Doch auch damit stand die Allianz nicht allein.
Gerald D. Feldman: "Die Allianz und die deutsche Versicherungswirtschaft im Nationalsozialismus 1933 bis 1945". Aus dem Englischen von Karl Heinz Siber. Verlag C.H. Beck, München 2001. 731 S., 38 Abb., geb., 78,- DM.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Auch die Nazis waren gut versichert: Gerald D. Feldmans große Studie wirft dunkle Schatten auf den Konzern / Von Jürgen Jeske
Dem amerikanischen Historiker Gerald D. Feldman, bekannt durch seine große Abhandlung über die deutsche Inflation, eine Stinnes-Biographie und die Beiträge zur Historie der Deutschen Bank, ist mit der Geschichte der Allianz in der Nazizeit ein weiteres herausragendes Werk gelungen. Das Buch ist einer der bislang wichtigsten Beiträge zur Aufhellung deutschen Unternehmerverhaltens im Dritten Reich. Der Vorstandsvorsitzende der Allianz-Versicherungsgruppe Henning Schulte-Noelle, Jahrgang 1942, der die Untersuchung in Auftrag gab, hat dazu angemerkt, jeder müsse das Buch mit der Fragestellung lesen, wie er sich in einer solchen Zeit verhalten hätte. In der Tat drängt das Buch die nach wie vor aktuelle Frage auf, welches Ethos von Unternehmern in Zeiten von Diktatur, Krieg und politischen Konflikten zu fordern ist. Feldmans Werk zeigt schließlich auch, daß der populäre Ruf nach mehr politischer Betätigung von Wirtschaftsrepräsentanten auf schreckliche Irrwege führen kann. Sein Buch ist mehr als eine Unternehmensgeschichte, es ist ein brillantes Sittenbild deutschen Unternehmertums in Zeiten der Diktatur.
Schon Adenauer sagte, daß man die Menschen so nehmen müsse, wie sie sind. Darüber gibt sich auch Feldman keinen Illusionen hin. Es gebe keinen Grund, warum Unternehmer besser sein und mehr Heldenmut zeigen sollten als die Gesellschaft, der sie angehören. "Nichtsdestotrotz", so schreibt er aber, "haben kapitalistische Einrichtungen und diejenigen, die sie leiten, eine besondere Verantwortung in Gesellschaften, die auf der Grundlage von Privateigentum und freiheitlichen Wirtschaftsprinzipien organisiert sind." Feldman kritisiert zu Recht den rückgratlosen Konformismus der Unternehmer und Manager in jenen Jahren, ihren Opportunismus und die bedenkenlose Ausnutzung aller geschäftlichen Möglichkeiten, die sich durch die Nazis eröffneten. Es gab auch andere, wie den Generaldirektor der Alten Leipziger, Johannes Tiedke, der einen Rest von Anstand und eine gewisse Distanz zum Regime wahrte. Diese Männer blieben jedoch in der Minderheit.
Dabei gehörten die Allianz und die mit ihr verbundene Münchener Rückversicherungs-Gesellschaft nicht einmal zu den Unternehmen, die besonders tief in nationalsozialistische Verbrechen verwickelt waren. Keiner der Manager stand etwa in den Nürnberger Prozessen vor Gericht. Die leitenden Männer der Allianz waren keine rabiaten Antisemiten, wie Feldman in seiner detaillierten Analyse darlegt. Im Gegenteil: Zahlreiche leitende Mitarbeiter verhielten sich den verfolgten Juden gegenüber sehr anständig und halfen ihnen auch. Doch insgesamt versagte die Allianz dabei, die zivilisatorischen Werte in Deutschland zu verteidigen.
So erwiesen sich die Allianz-Direktoren als aktive Förderer der Nazis. Kurt Schmitt, der legendäre Generaldirektor, und Eduard Hilgard, seine rechte Hand und späterer Leiter der Reichsgruppe Versicherungen, pflegten schon vor 1933 enge Beziehungen zu Hermann Göring. Sie wollten sich aus erster Hand informieren, um eventuell Einfluß auf die Wirtschaftspolitik nehmen zu können; eine Illusion und Selbstüberschätzung, der auch viele andere Unternehmer erlagen. Als Schmitt - den Feldman als im Grunde anständig, unternehmerisch begabt, aber politisch naiv, eitel und sehr ehrgeizig beschreibt - 1933 Wirtschaftsminister wurde, wirkte das als Zeichen dafür, daß die Wirtschaft mit den Nationalsozialisten zusammenarbeiten könne und werde. Damit hatten Hitler und Göring genau das erreicht, was sie wollten: sich das Wohlwollen der internationalen Geschäftswelt zu sichern.
Schmitt, der sich einbildete, eine Art Generaldirektor der deutschen Volkswirtschaft zu sein, sah seine Rolle darin, ein Abgleiten ins Radikale zu verhindern. Er trat dazu noch in die SS ein und war häufig in SS-Uniform in der Öffentlichkeit zu sehen - weil sie ihm besonders gut stand! Obwohl er kein militanter Antisemit war, erklärte er es zum Ziel deutscher Wirtschaftspolitik, den jüdischen Einfluß in der Wirtschaft zurückzudrängen. Daß er bereits 1935 nach einem gesundheitlichen Kollaps scheiterte, weil das Amt für ihn zum Albtraum geworden war, ändert daran wenig, ebenso, daß ihn die Gestapo später als unsicheren Kantonisten betrachtete. Ähnlich zeichensetzend wirkte Hilgard an der Spitze der Reichsgruppe Versicherungen. Er übernahm Sprache und Selbstinszenierung der Nazis und hatte nach Feldmans Meinung auch keine Gewissensnöte. Sein Lebensinhalt bestand darin, die "Allianz-Familie", koste es, was es wolle, voranzubringen und den Fortbestand der privaten Versicherungswirtschaft sicherzustellen. Diese stand damals in einem Abwehrkampf gegen Angriffe der öffentlich-rechtlichen Versicherungsgruppe, der Deutschen Arbeits-Front und solcher auf Verstaatlichung drängender Nazis wie des Gauleiters von Pommern, Schwede-Coburg. Hilgard habe, ohne zu hinterfragen, mit den Karten gespielt, die ihm ausgeteilt wurden, schreibt Feldman, und seine große Begabung habe darin bestanden, sich möglichst lange im Spiel zu halten.
Feldman arbeitet verdienstvollerweise heraus, in welchem Maße der enge Blick auf das Unternehmensinteresse, auf das Überleben und die Fortentwicklung des Unternehmens um jeden Preis zum moralischen Verfall beigetragen hat. Schmitt hielt es für besser, innerhalb des Systems für das Wohl des ihm anvertrauten Unternehmens zu sorgen, als sich und den Konzern mit einer aussichtslosen Oppositionspolitik der Katastrophe auszuliefern. Auch nach 1945 meinte er, ein Geschäftsmann müsse in solchen Situationen durch Ausweichen und Konzessionen Zeit und Existenz gewinnen. Feldman stellt dem zwar Beispiele des Widerstands und der offenen Konfrontation gegenüber, schreibt aber zugleich - und solche Differenzierungen machen den Rang des Buches aus -, daß die Manager in einem Umfeld agiert hätten, in dem traditionelle Moralvorstellungen nicht mehr viel galten. Gleichwohl: Der Konzern wurde zum Nutznießer des Regimes und seiner Politik. Die Partei erwies sich als Umsatzgarantin. Aus der obligatorischen Haftpflichtversicherung für Jagdpächter wurde durch Schmitts Beziehungen zu Göring ein Allianz-Versicherungsmonopol. Die Gelegenheiten aus Arisierungsfällen wurden genutzt.
Die Expansion des Deutschen Reichs im Krieg führte zur Expansion der Versicherungsgruppe. Mehr noch: Allianz und Münchener Rück sahen in dieser Expansion die Möglichkeit einer europäischen Wirtschaftsordnung mit Deutschland als tonangebendem Akteur. Die Allianz wirkte wie die übrige Versicherungswirtschaft an der indirekten und später direkten Enteignung jüdischer Versicherungsnehmer mit, wenn auch widerstrebend, weil es um eine gute Kundengruppe ging. Feldman tritt in diesem Zusammenhang der nach wie vor verbreiteten Meinung entgegen, die Versicherungswirtschaft habe von der Enteignung profitiert. Das Gegenteil war jedoch der Fall. Nutznießer war allein der NS-Staat, der sich diese Gelder aneignete. Der Krieg brachte ferner eine Steigerung des Prämienaufkommens in der Transportversicherung und in der Bauwesenversicherung. Die Allianz versicherte Produktionsstätten in den jüdischen Ghettos, in Zwangsarbeiterlagern und in Konzentrationslagern, darunter Auschwitz. Man habe dort kaum aktiv sein können, ohne zu bemerken, was vor sich ging, merkt Feldman an, doch hätten die Handelnden das Gefühl für die Verwerflichkeit ihres Tuns längst verloren gehabt.
Nach dem Krieg und in der Zeit der von den Besatzungsmächten angeordneten Entnazifizierung begann die Stunde der Selbstrechtfertigung, die Feldman ebenfalls ausführlich beschreibt. Schmitt und Hilgard wurden in den Entnazifizierungsverfahren am Ende in die Kategorie "Mitläufer" eingestuft. Das empörte sie, weil ausgesprochene Nazis ebenfalls eine Einstufung als "Mitläufer" erreichten. Am Fall Schmitt zeigt Feldman eindrucksvoll, daß die meisten jener Generation von ihrer Unschuld überzeugt blieben und durch selektives Erinnern und gezielte Retuschen die Frage der persönlichen Verantwortung verdrängten. Es ist daher falsch, zu behaupten, die Deutschen und speziell die Unternehmer hätten sich nicht mit der Vergangenheit auseinandergesetzt. Sie haben es nur unter dem Eindruck des Zusammenbruchs und der Besatzung in einer Weise getan, die ihrer Verantwortung ein weiteres Mal nicht gerecht wurde.
Am Beispiel Schmitts zeigt Feldman, wie dynamische Persönlichkeiten nach dem Krieg wieder in die Öffentlichkeit drängten. Schmitt habe unter der ihm zunächst durch die Entnazifizierung aufgezwungenen Untätigkeit zutiefst gelitten und darauf gebrannt, sich nicht nur in den Wiederaufbau des Versicherungswesens zu stürzen, sondern auch eine Rolle beim Aufbau eines vereinten Europa zu spielen. Schmitt übernahm 1949 den Aufsichtsratsvorsitz der Münchener Rückversicherungs-Gesellschaft, starb aber noch im selben Jahr. Hilgard gehörte dem Allianz-Aufsichtsrat bis 1960 an. Diese personelle Kontinuität habe wesentlich zu der Überzeugung beigetragen, die deutsche Versicherungswirtschaft und ihre Konzerne hätten zu den Opfern der nationalsozialistischen Diktatur gehört. Vor diesem Hintergrund ist auch die Frage der Wiedergutmachung zu sehen. Besonders bei arisierten Immobilien stellen die Akten nach Feldmans Analyse dem Konzern ein schlechtes Zeugnis aus für den Umgang mit den Antragstellern. Als besonders peinlich empfindet der Historiker, wie die Allianz 1990 unter dem damaligen Vorstandsvorsitzenden Wolfgang Schieren zur Feier des hundertjährigen Bestehens mit ihrer Vergangenheit umging. Doch auch damit stand die Allianz nicht allein.
Gerald D. Feldman: "Die Allianz und die deutsche Versicherungswirtschaft im Nationalsozialismus 1933 bis 1945". Aus dem Englischen von Karl Heinz Siber. Verlag C.H. Beck, München 2001. 731 S., 38 Abb., geb., 78,- DM.
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
"Das Buch, meint der Rezensent Jürgen Jeske, hält fast mehr als sein Titel verspricht. Über die Darstellung des Verhältnisses der Allianz-Versicherung zum Nazi-Regime hinaus ist dem amerikanischen Historiker Gerald D. Feldman nach Ansicht Jeskes "ein brillantes Sittenbild deutschen Unternehmertums in Zeiten der Diktatur" gelungen. Das Bild, das die Allianz und ihre Direktoren im Dritten Reich in dieser von der Allianz selbst in Auftrag gegebenen Studie abgeben, ist nicht angetan, den Ruhm des Unternehmens zu mehren. Zwar war keiner der leitenden Männer ein "rabiater Antisemit" - als "aktive Förderer der Nazis" erwiesen sie sich jedoch allemal. Das war auch gut fürs eigene Geschäft: von den Arisierungsfällen hat man profitiert. Ebenso unerfreulich stellt sich das Verhalten der Direktoren nach dem Krieg dar. Durch "selektives Erinnern und gezielte Retuschen" haben Kurt Schmitt und Eduard Hilgard, die leitenden Männer der Allianz im Dritten Reich, keine Probleme gehabt, im demokratischen Deutschland gleich wieder an vorderster Stelle mitzumischen. Jeskes Rezension referiert weitgehend die Ergebnisse, zu denen der Autor gelangt ist - darüber, dass er das Buch für ein "herausragendes Werk" hält, lässt er einen jedoch nicht im unklaren.
© Perlentaucher Medien GmbH"
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