Seine «Kriminalgeschichte des Christentums» ist auf zehn Bände angelegt: drei über die Antike, drei über das Mittelalter, vier über die Neuzeit. Nach Band 1 «Die Frühzeit» (1986) und Band 2 «Die Spätantike» (1988) liegt jetzt mit Band 3 «Die Alte Kirche» (1990) der erste Abschnitt geschlossen vor. Anders als die beiden ersten Bände, die chronologisch darstellen, wird im dritten das antike Christentum in epochalen Längsschnitten systematisch durchgemustert nach bedeutsamen, bisher jedoch regelmäßig kaschierten Verbrechensschwerpunkten:
Das christliche Fälschungswesen
Der Wunder- und Reliquienschwindel
Die Wallfahrtswirtschaft
Das bildungsfeindliche Erziehungsprogramm
Die doppelzüngige Soziallehre und die tatsächliche Sozialpolitik der Großkirche
Deschner: «Kaum in Rezensionen, doch oft in Diskussionen halten mir Christen (erfahrungsgemäß oft solche, die mich - sicherheitshalber - gar nicht gelesen haben) entgegen, ich könne noch so viele kirchliche Verbrechen zusammentragen («Kriminalromane» schreiben, wir mir im Sender Freies Berlin ein Kirchenmann zuschnaubte), das erschüttere ihren Glauben an Christentum und Christus nicht. Nun zeige ich aber in all diesen Bänden nie nur die ethische, sondern ab und zu auch die dogmatische Seite des Christentums. Und da verfängt das fromme Argument keinesfalls mehr. Allein das längste Kapitel des vorliegenden Bandes, das erste, führt eine Berufung auf den christlichen Glauben historisch ad absurdum.
Freilich: Gläubigen geht es fast nie um historische, philosophische, ethische Probleme, um Wahrheit oder, bescheidener gesagt, Wahrscheinlichkeit, sondern um ihr eigenes Problem. Sie glauben, sie könnten ohne ihren Glauben nicht leben. Obwohl sie ja, als Inder etwa, wahrscheinlich einen ganz anderen Glauben hätten. Und als Afrikaner wieder einen anderen - ein Aspekt, der jeden Glauben von vornherein relativiert. Mein Leben zeigt mit, dass man sehr gut ohne Glauben leben kann. Und Tausende von oft erschütternden Zuschriften bezeugen, dass es auch andere können, nach Preisgabe ihres christlichen Glaubens sehr viel besser können als vorher, dass sie viel freier leben, ja, dass sie erst zu leben beginnen - und kaum unmoralischer als die Christen.»
Das christliche Fälschungswesen
Der Wunder- und Reliquienschwindel
Die Wallfahrtswirtschaft
Das bildungsfeindliche Erziehungsprogramm
Die doppelzüngige Soziallehre und die tatsächliche Sozialpolitik der Großkirche
Deschner: «Kaum in Rezensionen, doch oft in Diskussionen halten mir Christen (erfahrungsgemäß oft solche, die mich - sicherheitshalber - gar nicht gelesen haben) entgegen, ich könne noch so viele kirchliche Verbrechen zusammentragen («Kriminalromane» schreiben, wir mir im Sender Freies Berlin ein Kirchenmann zuschnaubte), das erschüttere ihren Glauben an Christentum und Christus nicht. Nun zeige ich aber in all diesen Bänden nie nur die ethische, sondern ab und zu auch die dogmatische Seite des Christentums. Und da verfängt das fromme Argument keinesfalls mehr. Allein das längste Kapitel des vorliegenden Bandes, das erste, führt eine Berufung auf den christlichen Glauben historisch ad absurdum.
Freilich: Gläubigen geht es fast nie um historische, philosophische, ethische Probleme, um Wahrheit oder, bescheidener gesagt, Wahrscheinlichkeit, sondern um ihr eigenes Problem. Sie glauben, sie könnten ohne ihren Glauben nicht leben. Obwohl sie ja, als Inder etwa, wahrscheinlich einen ganz anderen Glauben hätten. Und als Afrikaner wieder einen anderen - ein Aspekt, der jeden Glauben von vornherein relativiert. Mein Leben zeigt mit, dass man sehr gut ohne Glauben leben kann. Und Tausende von oft erschütternden Zuschriften bezeugen, dass es auch andere können, nach Preisgabe ihres christlichen Glaubens sehr viel besser können als vorher, dass sie viel freier leben, ja, dass sie erst zu leben beginnen - und kaum unmoralischer als die Christen.»
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 27.09.1999Böser Mann, böser Mann!
Gibt es eine langweiligere Darstellung des hohen Mittelalters durch einen lebenden Autor als diese? Was Karlheinz Deschner im sechsten Band seiner "Kriminalgeschichte des Christentums" bietet, ist einerseits eine phantasiearme Kompilation des konventionellen Tatsachenwissens über das elfte und zwölfte Jahrhundert, andererseits das einsinnige Pamphlet eines Atheisten, der nicht einmal den Toten ihren Glauben gönnt (Karlheinz Deschner: "Kriminalgeschichte des Christentums". Band 6: "Elftes und Zwölftes Jahrhundert. Von Kaiser Heinrich II., dem "Heiligen" (1002), bis zum Ende des Dritten Kreuzzugs (1192). Rowohlt Verlag, Reinbek bei Hamburg 1999. 656 S., geb., 54,- DM). Deschner hat die historischen Sachverhalte nach der neuen Forschungsliteratur zwar im Wesentlichen richtig wiedergegeben und wenigstens hie und da, freilich nur zur Illustration, auch mittelalterliche Quellen in deutscher Übersetzung benutzt, aber er trug seinen manischen Hass aufs Christentum an diesen Stoff heran und las nur das heraus, was sich ihm fügte. Nirgendwo zeigt sich die Angst des Historikers vor dem ungerechten Urteil, und nie wird der Leser durch skrupulöses Abwägen des Autors gefangengenommen. Eine zentrale Figur der Zeit wie Papst Gregor VII., dessen religiöse Antriebe - auch zum gewalttätigen Handeln - neuerdings immer wieder herausgearbeitet wurden, hatte nach Deschner "nur ein Ziel: Macht, Macht, Macht". Der Schlichtheit solcher Behauptungen entspricht die Lieblosigkeit der Sprache mit ihren manchmal groben Neologismen (so soll Erzbischof Anno von Köln ein "Brutalist" gewesen sein). Dabei wäre es durchaus aller Mühen wert, danach zu fragen, ob - wie in der Forschung behauptet wird - das Hochmittelalter wirklich eine Zeit der Christianisierung der Gesellschaft gewesen ist oder nicht? Und ob man denn die Christen vergangener Zeiten moralisch überhaupt objektiv beurteilen könne oder sie nach dem Wort eines sensiblen Historikers "dem höchsten Richter überlassen" müsse? Deschner erreicht die Tiefenschichten seines Themas auch deshalb nicht, weil er sich für das religiöse Leben des Alltags gar nicht interessiert. Von Mönchen und Nonnen, von Bauern und Stadtbewohnern ist bei ihm so gut wie nie die Rede. Ein anderer gravierender Mangel, der mit seinem im ganzen konventionellen Geschichtsbild zusammenhängt, liegt darin, dass er vom Christentum des elften und zwölften Jahrhunderts nur die europäische Mitte in sein Gesichtsfeld zieht. Die damals noch neu missionierte Welt Skandinaviens und Osteuropas bleibt ebenso ausgeklammert wie die schismatisch vom Westen getrennte Christenheit in Byzanz; ja selbst den europäischen Westen mit England und Irland, Frankreich und Spanien übergeht der Autor fast vollständig. Für eine Revision der angeblich herrschenden "positiven" Geschichte des Christentums im mittelalterlichen römisch-deutschen Reich, um die es ihm also tatsächlich geht, fehlt seinem Werk jedoch die intellektuelle und moralische Kraft, die er für sich für fie zahlreichen Invektiven gegen Andersdenkende in Anspruch genommen hat.
MICHAEL BORGOLTE
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Gibt es eine langweiligere Darstellung des hohen Mittelalters durch einen lebenden Autor als diese? Was Karlheinz Deschner im sechsten Band seiner "Kriminalgeschichte des Christentums" bietet, ist einerseits eine phantasiearme Kompilation des konventionellen Tatsachenwissens über das elfte und zwölfte Jahrhundert, andererseits das einsinnige Pamphlet eines Atheisten, der nicht einmal den Toten ihren Glauben gönnt (Karlheinz Deschner: "Kriminalgeschichte des Christentums". Band 6: "Elftes und Zwölftes Jahrhundert. Von Kaiser Heinrich II., dem "Heiligen" (1002), bis zum Ende des Dritten Kreuzzugs (1192). Rowohlt Verlag, Reinbek bei Hamburg 1999. 656 S., geb., 54,- DM). Deschner hat die historischen Sachverhalte nach der neuen Forschungsliteratur zwar im Wesentlichen richtig wiedergegeben und wenigstens hie und da, freilich nur zur Illustration, auch mittelalterliche Quellen in deutscher Übersetzung benutzt, aber er trug seinen manischen Hass aufs Christentum an diesen Stoff heran und las nur das heraus, was sich ihm fügte. Nirgendwo zeigt sich die Angst des Historikers vor dem ungerechten Urteil, und nie wird der Leser durch skrupulöses Abwägen des Autors gefangengenommen. Eine zentrale Figur der Zeit wie Papst Gregor VII., dessen religiöse Antriebe - auch zum gewalttätigen Handeln - neuerdings immer wieder herausgearbeitet wurden, hatte nach Deschner "nur ein Ziel: Macht, Macht, Macht". Der Schlichtheit solcher Behauptungen entspricht die Lieblosigkeit der Sprache mit ihren manchmal groben Neologismen (so soll Erzbischof Anno von Köln ein "Brutalist" gewesen sein). Dabei wäre es durchaus aller Mühen wert, danach zu fragen, ob - wie in der Forschung behauptet wird - das Hochmittelalter wirklich eine Zeit der Christianisierung der Gesellschaft gewesen ist oder nicht? Und ob man denn die Christen vergangener Zeiten moralisch überhaupt objektiv beurteilen könne oder sie nach dem Wort eines sensiblen Historikers "dem höchsten Richter überlassen" müsse? Deschner erreicht die Tiefenschichten seines Themas auch deshalb nicht, weil er sich für das religiöse Leben des Alltags gar nicht interessiert. Von Mönchen und Nonnen, von Bauern und Stadtbewohnern ist bei ihm so gut wie nie die Rede. Ein anderer gravierender Mangel, der mit seinem im ganzen konventionellen Geschichtsbild zusammenhängt, liegt darin, dass er vom Christentum des elften und zwölften Jahrhunderts nur die europäische Mitte in sein Gesichtsfeld zieht. Die damals noch neu missionierte Welt Skandinaviens und Osteuropas bleibt ebenso ausgeklammert wie die schismatisch vom Westen getrennte Christenheit in Byzanz; ja selbst den europäischen Westen mit England und Irland, Frankreich und Spanien übergeht der Autor fast vollständig. Für eine Revision der angeblich herrschenden "positiven" Geschichte des Christentums im mittelalterlichen römisch-deutschen Reich, um die es ihm also tatsächlich geht, fehlt seinem Werk jedoch die intellektuelle und moralische Kraft, die er für sich für fie zahlreichen Invektiven gegen Andersdenkende in Anspruch genommen hat.
MICHAEL BORGOLTE
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main