'In deutschen Unternehmen tobt ein Kampf der Kulturen. Viele Führungskräfte importieren unreflektiert Konzepte wie Shareholder Value und Managementtechniken aus den USA. Dadurch stolpern immer mehr Unternehmen in eine tiefe Identitätskrise. Einst waren eigenverantwortlich handelnde Mitarbeiter das Erfolgsrezept deutscher Firmen, heute werden sie zu austauschbaren Erfüllungsgehilfen gemacht. Statt Innovationen zu entwickeln, wird zugekauft. Statt ertragsschwächere Teile zu sanieren und zu neuer Blüte zu führen, werden diese abgestoßen.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 10.09.2007Fremdes Amerika
Deutsche Unternehmensführung ist anders
Ratingagenturen haben einen ziemlichen Imageschaden erlitten, seit im Zuge der amerikanischen Immobilienkrise der breiten Öffentlichkeit vor Augen geführt wurde, dass ein AAA-Rating oft nicht das Papier wert ist, auf dem es bestätigt wird. Der Glaube in die harten Fakten ist erschüttert, obwohl es doch so logisch erscheint, den Rechenmodellen zu folgen, die stets aktuell und scheinbar immer objektiv daherkommen. Reingetappt in die Amerikanisierungsfalle, möchte man ausrufen, wenn man gerade Ulrike Reisachs gleichnamiges Buch gelesen hat. Kaum etwas ist amerikanischer als das Wirken von Ratingagenturen und Investmentbankern, und selten treten die Unterschiede zwischen amerikanischem und deutschem Wirtschaften so deutlich zutage. Die promovierte Betriebswirtin Reisach, die in der Strategieabteilung von Siemens arbeitet, wirbt dafür, diese Unterschiede zu beachten, den "american way" nicht einfach gedankenlos zu übernehmen.
Der Fall BenQ wirft ein Schlaglicht auf jene Fälle, in denen Nachdenken über kulturelle Rahmenbedingungen hilfreich gewesen wäre. Siemens-Chef Klaus Kleinfeld, geprägt durch seine Arbeit in Amerika und ermutigt durch die Analysten, entschied sich aufgrund miserabler Zahlen für einen Verkauf der Handy-Sparte und wollte sich damit eines Problems entledigen. Stattdessen handelte er sich Negativschlagzeilen ein. "Selbst wenn keine rechtliche Verpflichtung besteht, so glaubt doch ein großer Teil der Menschen in Deutschland an eine Art unsichtbare moralische Verbundenheit aus langjähriger Zusammenarbeit", schreibt Reisach - während man in Amerika akzeptiere, dass die Beziehung zu einem abgestoßenen Unternehmensteil mit dem Verkauf beendet sei. Dabei müsse es kein Nachteil sein, schwierige Zeiten durchzustehen, führt Reisach aus: "So hielt das Chemieunternehmen BASF, anders als Hoechst und Bayer, entgegen der gängigen Analystenmeinung an der traditionellen Chemie fest und ist inzwischen Weltmarktführer."
Siemens böte garantiert eine Menge Anschauungsmaterial für den "Kulturkampf in deutschen Unternehmen", nur von Daimler-Chrysler gäbe es vielleicht noch mehr Geschichten über die Unvereinbarkeit von deutschen und amerikanischen Managementprinzipien zu erzählen. Doch Ulrike Reisach plaudert nicht aus dem Nähkästchen. Sie bleibt bei der nüchternen Bestandsaufnahme der Rahmenbedingungen, die unterschiedliche Managementstile geprägt haben: hier der Hang zu Grundsatzdebatten zwischen sachorientierten Bedenkenträgern, dort die Begeisterung und Lust an der Vereinfachung. Nicht Managementtheorien analysiert Ulrike Reisach, sondern die unterschiedliche kulturelle Prägung, die auch im Zeitalter der Globalisierung nicht von heute auf morgen abgestreift werden kann.
SUSANNE PREUSS
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Deutsche Unternehmensführung ist anders
Ratingagenturen haben einen ziemlichen Imageschaden erlitten, seit im Zuge der amerikanischen Immobilienkrise der breiten Öffentlichkeit vor Augen geführt wurde, dass ein AAA-Rating oft nicht das Papier wert ist, auf dem es bestätigt wird. Der Glaube in die harten Fakten ist erschüttert, obwohl es doch so logisch erscheint, den Rechenmodellen zu folgen, die stets aktuell und scheinbar immer objektiv daherkommen. Reingetappt in die Amerikanisierungsfalle, möchte man ausrufen, wenn man gerade Ulrike Reisachs gleichnamiges Buch gelesen hat. Kaum etwas ist amerikanischer als das Wirken von Ratingagenturen und Investmentbankern, und selten treten die Unterschiede zwischen amerikanischem und deutschem Wirtschaften so deutlich zutage. Die promovierte Betriebswirtin Reisach, die in der Strategieabteilung von Siemens arbeitet, wirbt dafür, diese Unterschiede zu beachten, den "american way" nicht einfach gedankenlos zu übernehmen.
Der Fall BenQ wirft ein Schlaglicht auf jene Fälle, in denen Nachdenken über kulturelle Rahmenbedingungen hilfreich gewesen wäre. Siemens-Chef Klaus Kleinfeld, geprägt durch seine Arbeit in Amerika und ermutigt durch die Analysten, entschied sich aufgrund miserabler Zahlen für einen Verkauf der Handy-Sparte und wollte sich damit eines Problems entledigen. Stattdessen handelte er sich Negativschlagzeilen ein. "Selbst wenn keine rechtliche Verpflichtung besteht, so glaubt doch ein großer Teil der Menschen in Deutschland an eine Art unsichtbare moralische Verbundenheit aus langjähriger Zusammenarbeit", schreibt Reisach - während man in Amerika akzeptiere, dass die Beziehung zu einem abgestoßenen Unternehmensteil mit dem Verkauf beendet sei. Dabei müsse es kein Nachteil sein, schwierige Zeiten durchzustehen, führt Reisach aus: "So hielt das Chemieunternehmen BASF, anders als Hoechst und Bayer, entgegen der gängigen Analystenmeinung an der traditionellen Chemie fest und ist inzwischen Weltmarktführer."
Siemens böte garantiert eine Menge Anschauungsmaterial für den "Kulturkampf in deutschen Unternehmen", nur von Daimler-Chrysler gäbe es vielleicht noch mehr Geschichten über die Unvereinbarkeit von deutschen und amerikanischen Managementprinzipien zu erzählen. Doch Ulrike Reisach plaudert nicht aus dem Nähkästchen. Sie bleibt bei der nüchternen Bestandsaufnahme der Rahmenbedingungen, die unterschiedliche Managementstile geprägt haben: hier der Hang zu Grundsatzdebatten zwischen sachorientierten Bedenkenträgern, dort die Begeisterung und Lust an der Vereinfachung. Nicht Managementtheorien analysiert Ulrike Reisach, sondern die unterschiedliche kulturelle Prägung, die auch im Zeitalter der Globalisierung nicht von heute auf morgen abgestreift werden kann.
SUSANNE PREUSS
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