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Wenn Mensch, Natur und Technik verschmelzen
Die "digitale Revolution" hat in jüngster Zeit ihre dunkle Seite gezeigt. Droht eine Zukunft, in der jeder Mensch lückenlos von Google und Geheimdiensten überwacht wird, in der Maschinen die Natur ersetzen und Online-Konsum die Umweltzerstörung anfacht? Christian Schwägerl beschreibt konkrete Gefahren, wenn die analoge Welt von Mensch und Natur durch die falschen Kräfte kontrolliert wird. Vor allem aber entwickelt er in diesem Buch Alternativen und eröffnet neue Perspektiven. Bei der "analogen Revolution" geht es darum, die Macht über Daten…mehr

Produktbeschreibung
Wenn Mensch, Natur und Technik verschmelzen

Die "digitale Revolution" hat in jüngster Zeit ihre dunkle Seite gezeigt. Droht eine Zukunft, in der jeder Mensch lückenlos von Google und Geheimdiensten überwacht wird, in der Maschinen die Natur ersetzen und Online-Konsum die Umweltzerstörung anfacht? Christian Schwägerl beschreibt konkrete Gefahren, wenn die analoge Welt von Mensch und Natur durch die falschen Kräfte kontrolliert wird. Vor allem aber entwickelt er in diesem Buch Alternativen und eröffnet neue Perspektiven. Bei der "analogen Revolution" geht es darum, die Macht über Daten demokratisch zu verteilen und Menschen mit der ganzen Fülle des Lebens auf der Erde zu verbinden.
Autorenporträt
Christian Schwägerl gehört zu den profiliertesten Wissenschaftsjournalisten der deutschen Medienlandschaft. Mit Umweltthemen befasst er sich schon seit 20 Jahren. Seit 2007 arbeitet er als Redakteur mit den Schwerpunktthemen Umwelt- Energie- und Forschungspolitik für den Spiegel. Zuvor war er für die Berliner Zeitung sowie für die Frankfurter Allgemeine Zeitung tätig. Christian Schwägerl erhielt mehrere renommierte Preise für journalistische Leistungen. Er lebt mit seiner Frau und drei Kindern in Berlin.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Mit gemischten Gefühlen, aber durchaus interessiert hat Rezensentin Manuela Lenzen das neue Buch "Die analoge Revolution" des Philosophen Christian Schwägerl gelesen. Denn bei dem, was Schwägerl hier ausmalt, wird der Kritikerin doch etwas mulmig zu Mute: In "Googlonien", regiert von einer kleinen Gruppe von IT-Oligarchen, werden von Algorithmen bewertete Menschen gezwungen, ständig Google-Brillen zu tragen, um mit den neusten Produkten, aber auch Therapieformen gegen Zweifel am System versorgt zu werden. Lenzen folgt dem Autor, wie er zunächst die Fortschritte von Informations- und Robotertechnologie nachzeichnet, schließlich aber darüber sinniert, was die Transformationen für die Natur bedeuten: Sinnvoll genutzt werden könnte diese Entwicklung, wenn der Mensch beginne, ein tieferes Verständnis von Mensch, Natur und Technik zu erlangen und eine Symbiose zu schaffen, lernt die Rezensentin, der das Buch hier allerdings ein wenig zu "esoterisch" gerät. Denn auch eine "tobende Party vibrierender Materie" ist nicht unbedingt das, was sich die Kritikerin für die Zukunft wünscht.

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 04.10.2014

Was nach dem Internet kommt

Google und der militärisch-industrielle Komplex: Christian Schwägerl springt in die Zukunft, um sich Alternativen zum drohenden Regime universaler Überwachung auszumalen.

In Googlonien bewertet ein Algorithmus die Menschen wie früher die Produkte. Beförderungen, ausgiebiges Shoppen und ein harmonisches Familienleben lassen deren Wert steigen, finanzielle Probleme, aggressives Verhalten und Reden über Politik führen zur Abwertung. Das Absetzen der Google-Brille steht unter Strafe, KI-Programme scannen beständig Augenbewegungen und Körperfunktionen.

Dafür bekommt der Bürger stets die passende Werbung eingeblendet. Sie schwitzen? Wie wäre es mit dem neuesten Anti-Schweiß-Shirt zum Sonderpreis? Lieferzeit zehn Minuten. Sie zweifeln am System? Wir empfehlen eine Therapie gegen politischen Extremismus. Ein paar Aufmüpfige suchen nach Funklöchern, in denen sie noch unbelauscht miteinander sprechen können. Dort erzählen sie sich dann Gerüchte wie dieses: Irgendwo in den Alpen, in einem tiefen Bunker, gebe es noch eine Kopie des alten, freien Internets.

"Intuitionenpumpe" nennt der Philosoph Daniel Dennett die in Ethik und Philosophie des Geistes so beliebten Gedankenexperimente. Intuitionenpumpen sind auch die Szenarien, mit denen Christian Schwägerl in seinem neuen Buch erkundet, wie unsere Zukunft aussehen könnte. Wird eine kleine Gruppe von IT-Oligarchen in Großkonzernen und Geheimdiensten dies entscheiden oder die breite Öffentlichkeit? Nutzen wir unsere technischen Möglichkeiten für eine demokratischere, dezentralere, gerechtere Welt, oder gehen wir in Europa zu Bett und wachen in Googlonien auf? Denn die Jahre 2013/2014 könnten als Beginn einer neuen digitalen Revolution in die Geschichte eingehen, fürchtet der Autor. Sie besteht nach den Enthüllungen Snowdens darin, das massive Überwachen und Datensammeln, das bislang im Geheimen geschah, nun öffentlich zuzulassen, legitimiert durch Bequemlichkeit, Desinteresse und Verdrängung.

Im ersten Teil zeichnet Schwägerl die Fortschritte in Informations- und Robotertechnologie nach, die ihre Produkte laufen, springen, fliegen, sich selbst verbessern und vernetzen lässt. Doch dies ist nur ein Teil einer viel größeren Entwicklung, so Schwägerl. Während die meisten gedanklich noch an der digitalen Revolution herumknabbern dürften, ist der Autor schon einen Schritt weiter: So attraktiv die Möglichkeiten der virtuellen Welten sein mögen, die eigentliche Revolution spiele sich in der wirklichen Welt ab. Denn die virtuelle Welt braucht echte Kabel, echte Geräte, die echten Strom und echte Rohstoffe verbrauchen, die von echten Menschen unter prekären Bedingungen der Natur abgerungen werden.

Die Transformationen, die wir derzeit mit der Natur vornehmen, seien so gravierend, dass man von einer neuen Phase in der geologischen Evolution sprechen könne. Zugleich erwache die Technik zum Leben, entstünden der Natur nachempfundene Kunstwesen und natürlich-künstliche Mischwesen. Hier stehen wir am Beginn einer gerichteten Evolution, so Schwägerl. Dies alles nennt er analoge Revolution. Sie könnte faszinierend sein und neue Chancen bieten, würde sie nicht zum größten Teil aus dem Militäretat bezahlt und gehörten die einschlägigen Konzerne inzwischen nicht fast alle zu Google.

Der Konzern werde sich aber nicht zu einem eigenständigen Militärdienstleister entwickeln, zitiert Schwägerl einen Firmensprecher. Ein gemeinsames Geschäftsmodell der privaten und militärischen Datenmächte macht der Autor dennoch aus: Überwachung und Datensammeln zu rechtfertigen, indem man Bedrohungsszenarien aufrechterhält, und durch gezielte Werbung den Konsum anzuheizen. Es wäre ein Albtraum für diesen Komplex, hätte die amerikanische Regierung nach dem 11. September die Billionen Dollar statt in den Krieg in eine Versöhnungs- und Aufbaupolitik gesteckt, so Schwägerl.

Und wie könnte eine Alternative zu Googlonien aussehen? Die Antwort auf diese Frage nimmt den größten Teil des Buches ein, und für sie geht Schwägerl tief, vielleicht zu tief hinunter, bis zum Bild des Menschen von sich selbst und von der Natur. Wenn sich die Technologie mehr und mehr an Vorbildern aus der Natur orientiert, sollten wir ein Augen darauf haben, welche Natur das ist, so Schwägerl. Das Konzept einer neoliberalen Natur, geprägt von egoistischen Genen und dem Recht des Stärkeren, sei so veraltet wie die entsprechende Wirtschaftsdoktrin. An seine Stelle müsse die Natur als vernetzter Gesamtorganismus treten.

Das Anthropozän, das Zeitalter des Menschen, bedeute nicht, aus der Natur heraus-, sondern, in sie einzutreten. In diesem Fall: die Technologe zu nutzen, um ein tieferes Verständnis der Zusammenhänge von Mensch, Natur und Technik zu erlangen und eine Symbiose zu schaffen, von der alle profitieren. In einem seiner Szenarien schießen vor dem Berliner S-Bahnhof Friedrichstraße Eisvögel und Uferschwalben durch die Schilfgürtel der renaturierten Spree, und der Chef von Google lässt sich von einem meditierenden Aussteiger beeindrucken. An die Stelle des Internets ist das Allesnetz getreten, indem man sich in Tiere, Pflanzen oder Gesteine verwandeln und die innere Verbindung von allem erfahren kann.

So beeindruckend Schwägerls Analysen sind, die Zukunftsvisionen sind ihm ein wenig esoterisch geraten. Der Mensch erkennt, wie wenig er ein autonomes Ich und wie stark er auf die Natur angewiesen und mit ihr verflochten ist. Natur und Technik verweben sich zu einer "Welt voll von Neuheit, Leben, Vielfalt und Gemeinsinn" und "feiern eine tobende Party vibrierender Materie". Da dürfen dann auch das universale Bewusstsein und die universale Liebe nicht fehlen.

Damit hat der Autor zweifellos recht: Unser Wirtschaftssystem zielt nicht auf Zufriedenheit, sondern heizt Unzufriedenheit an, um den Konsum zu befördern. Und weil wir uns von ein paar elektronischen Gadgets blenden lassen, sind wir drauf und dran, unsere Demokratie und unsere Zukunft ein paar Konzernen zu überlassen. Der Autor fasst es diplomatisch: Was diese für gut und richtig halten, muss nicht das sein, was dem Gemeinwohl dient. In der Tat. Vielleicht brauchen wir wirklich ein neues Selbstverständnis, um nicht schon bald in Googlonien aufzuwachen.

MANUELA LENZEN

Christian Schwägerl: "Die analoge Revolution". Wenn Technik lebendig wird und die Natur mit dem Internet verschmilzt. Riemann Verlag, München 2014. 320 S., geb., 22,99 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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"Vielleicht brauchen wir wirklich ein neues Selbstverstandnis, um nicht schon bald in Googlonien aufzuwachen." Manuela Lenzen, Frankfurter Allgemeine Zeitung