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Was ist der Platz der japanischen Kultur in der Welt? Lassen sich Kulturen überhaupt miteinander vergleichen? Das sind zwei der Fragen, die den Japanreisenden Claude Lévi-Strauss umgetrieben haben. Seine Antworten finden sich in seinen Schriften über Japan. Obwohl Lévi-Strauss das fernöstliche Land erst spät in seinem Leben durch eigene Reisen kennengelernt hat, verband ihn bereits seit seiner Kindheit eine tiefe ästhetische Zuneigung zur japanischen Kunst und die japanische Musik war neben der europäischen Klassik die einzige, die ihn berührte. Später beschreibt er Japan als die einzige…mehr

Produktbeschreibung
Was ist der Platz der japanischen Kultur in der Welt? Lassen sich Kulturen überhaupt miteinander vergleichen? Das sind zwei der Fragen, die den Japanreisenden Claude Lévi-Strauss umgetrieben haben. Seine Antworten finden sich in seinen Schriften über Japan.
Obwohl Lévi-Strauss das fernöstliche Land erst spät in seinem Leben durch eigene Reisen kennengelernt hat, verband ihn bereits seit seiner Kindheit eine tiefe ästhetische Zuneigung zur japanischen Kunst und die japanische Musik war neben der europäischen Klassik die einzige, die ihn berührte. Später beschreibt er Japan als die einzige moderne Gesellschaft, der eine Balance zwischen der Treue zur Tradition und dem rasanten wissenschaftlichen und technischen Fortschritt gelungen ist - ein Beispiel einer humanen Moderne. Die aus diesen Erfahrungen und Betrachtungen gespeiste Zuneigung zu Japan spiegelt sich in den einzelnen Schriften, die das Buch nun versammelt: darunter wunderbare Stücke über den shintoistischen Sakraltanz oder den japanischen Zen-Meister und Maler Sengai, die einen großen, anteilnehmenden Beobachter zeigen.
Autorenporträt
Lévi-Strauss, Claude
Claude Lévi-Strauss wurde 1908 in Brüssel geboren und starb am 1. November 2009 in Paris. Er gilt als Begründer des Strukturalismus und lehrte von 1935 bis 1939 Soziologie an der Universität von São Paulo und von 1935 bis 1945 an der New School for Social Research. 1950 erhielt er an der École Pratique des Hautes Études einen Lehrstuhl für Vergleichende Religionswissenschaften der schriftlosen Völker und 1959 am Collège de France den Lehrstuhl für Anthropologie.

Moldenhauer, Eva
Eva Moldenhauer, 1934 in Frankfurt am Main geboren, war seit 1964 als Übersetzerin tätig. Sie übersetzte Literatur und wissenschaftliche Schriften französischsprachiger Autoren ins Deutsche, u.a. von Claude Simon, Jorge Semprún, Marcel Mauss, Mircea Eliade, Gilles Deleuze und Lévi-Strauss. Sie wurde mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet, u.a. mit dem Helmut-M.-Braem-Übersetzerpreis und dem Paul-Celan-Preis. Eva Moldenhauer verstarb am 22. April 2019.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 30.04.2012

Lévi-Strauss wirft Liebesblicke auf Japan

Ethnologen müssen auf unscheinbar anmutende Züge im Verhalten ihrer Gastgeber zu achten wissen. Darauf zum Beispiel, wie jene ihre Werkzeuge handhaben. Als die Japaner von den Chinesen Hobel und Ziehmesser übernahmen, schien das eigentlich wenig Spielraum zu lassen. Aber eben doch diesen: das Werkzeug nicht von sich wegzuschieben, sondern vielmehr zu sich heranzuziehen. Der Ethnologe, der diesen Sachverhalt Ende der achtziger Jahre vor seinem japanischem Publikum kommentierte, war Claude Lévi-Strauss.

Die Bewegung auf sich zu, meinte der Begründer der strukturalistischen Anthropologie, verrate die tief angelegte Tendenz, sich am Ende und nicht am Anfang einer auf die Materie einwirkenden Handlung zu sehen. So wie auch das Subjekt selbst in Japan nicht der Ausgangspunkt von Handlungen und Ausdrucksleistungen sei, wie es westlichem Verständnis entspricht, sondern vielmehr von außen definiert werde. Was sich auch an der japanischen Syntax zeige, in der mit dem Allgemeinen begonnen und das Subjekt nach eingrenzenden Bestimmungen zuletzt kommen würde.

Man sieht da natürlich den Strukturalisten an der Arbeit, der solchen Umkehrungen elementarer Operationen quer durch alle Register nachspürt. Doch nicht, um damit ein Tableau wie andere auch zu erstellen. Es ging vielmehr darum, der eigenen von früh an empfundenen Bewunderung für Japanisches auf die Spur zu kommen. Am Anfang, noch in Jugendzeiten, hatten Farbholzschnitte und japanisches Kunsthandwerk gestanden, später war die Literatur hinzugekommen.

Sie blieben für den Amerikanisten Lévi-Strauss, trotz aller ausschweifenden Gelehrsamkeit, Facetten einer fremden Welt, deren Sprache er nicht beherrschte und die er erst in den späten siebziger Jahren, also schon im fortgeschrittenen Alter, zum ersten Mal bereiste. Und selbst wenn er in einem der Texte, die mit diesen späten Besuchen in Japan zwischen 1977 und 1988 verknüpft sind und nun erstmals in einem Band vorliegen, auf den Schock zu sprechen kommt, den der Anblick des modernen Tokio für ihn bedeutete: Es lief durchaus auf keine Ernüchterung hinaus. Im Gegenteil: Japan bewährte sich für Lévi-Strauss als Gegen- und Hoffnungsbild einer Zivilisation, die er nicht wie die westliche Welt auf die Erschöpfung ihrer materiellen wie historisch-kulturellen Ressourcen zulaufen sah (Claude Lévi-Strauss: "Die andere Seite des Mondes". Schriften über Japan. Aus dem Französischen von Eva Moldenhauer. Suhrkamp Verlag, Berlin 2012. 175 S., geb., 24,95 [Euro]).

Man staunt bei der Lektüre dieser Texte nicht selten darüber, bis zu welchen idealtypischen Abgleichungen und Entgegensetzungen zwischen japanischem und französischem Geist Lévi-Strauss sich hinreißen ließ. Yunzo Kawada bringt es auf den Punkt, wenn er in seinem Vorwort auf einen in Japan verliebten Autor einstimmt. Über die Details des Japan-Bilds, das sich dieser Neigung verdankte, müssen die Kenner urteilen. Aber man braucht ein solcher überhaupt nicht zu sein, um die Aufschlusskraft dieser Texte für tief wurzelnde Motive eines großen Anthropologen und Kulturkritikers zu schätzen.

HELMUT MAYER

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur ZEIT-Rezension

Die Schriftstellerin Yoko Tawada gibt eine warme Empfehlung ab für Claude Levi-Strauss' Schriften über Japan, das der französische Anthropologe zwischen 1977 und 1988 fünf Mal besuchte. Levi-Strauss baut keine Brücke zu Japan, so Tawada, was er statt dessen tut, erklärt sie am Beispiel des japanischen Mythos vom weißen Hasen: Der sitzt auf einer Insel fest und um wieder aufs Festland zu kommen, fordert er die Krokodile - unter dem Vorwand, sie zählen zu wollen - auf, eine Reihe im Wasser zu bilden. Daraufhin hüpft er über die Krokodilrücken Richtung Festland und hätte es auch fast geschafft, hätte er nicht vor dem letzten Sprung damit geprahlt, die Krokodile betrogen zu haben. Eine ähnliche Brücke baut Levi-Strauss, so Takawada. Ein prekäres, unstabiles Gebilde, das von Respekt zusammengehalten wird. Positiv merkt sie außerdem an, dass Levi-Strauss sich nicht nur mit den Mythen auseinandersetzt, von denen er viele bereits aus indianischen Kulturen kannte, sondern auch den zeitgenössischen Diskurs in Japan über die eigene Geschichte aufgreift.

© Perlentaucher Medien GmbH
»Ein äußerst lesenswertes Buch.« Stefan Höppner literaturkritik.de 20170829