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Zum 50. Jahrestag des Kriegsendes in Europa und der Befreiung vom Nationalsozialismus erinnert dieses Buch daran, daß es nicht nur im Exil und im politischen Widerstand, sondern auch in der deutschen Wehrmacht Menschen gab, die sich dem Unrechtsregime verweigerten oder sogar entgegenstellten. Die Autoren vermessen das "vermeinte Gelände" von Dissens und Verweigerung in der deutschen Wehrmacht und stellen dabei auch dar, wie Kriegsgerichte und andere Einrichtungen die Wehrdienstverweigerer, "Wehrkraftzersetzer" und Zwangsrekrutierten mit allen Mitteln drangsalierten und verfolgten. Sie erinnern…mehr

Produktbeschreibung
Zum 50. Jahrestag des Kriegsendes in Europa und der Befreiung vom Nationalsozialismus erinnert dieses Buch daran, daß es nicht nur im Exil und im politischen Widerstand, sondern auch in der deutschen Wehrmacht Menschen gab, die sich dem Unrechtsregime verweigerten oder sogar entgegenstellten.
Die Autoren vermessen das "vermeinte Gelände" von Dissens und Verweigerung in der deutschen Wehrmacht und stellen dabei auch dar, wie Kriegsgerichte und andere Einrichtungen die Wehrdienstverweigerer, "Wehrkraftzersetzer" und Zwangsrekrutierten mit allen Mitteln drangsalierten und verfolgten. Sie erinnern auch an jene Soldaten, die zum Gegner überliefen, um fortan an der Seite der Alliierten und der Partisanen für die Befreiung Europas zu kämpfen.
Die bis heute kontrovers geführte Debatte über Rolle und Bewertung von Fahnenflucht - z.B. anläßlich der Errichtung eines Denkmals für die deutschen Deserteure in Bonn - zeigt, wie aktuell das Thema dieses Buches ist.
Autorenporträt
Gerhard Paul, geb. 1951, seit 1994 Professor für Geschichte an der Universität Flensburg; zahlreiche Veröffentlichungen zum NS-Herrschaftsapparat.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 13.09.1995

Körperliche Anwesenheitsverweigerer
Über die Grenzen des militärischen Gehorsams

Norbert Haase, Gerhard Paul (Herausgeber): Die anderen Soldaten. Wehrkraftzersetzung, Gehorsamsverweigerung und Fahnenflucht im Zweiten Weltkrieg. Fischer Taschenbuch Verlag, Frankfurt am Main, 1995. 240 Seiten, 19,90 Mark.

Wir Deutschen sind nun einmal gründlich; und da schießen wir dann mitunter über das Ziel hinaus. Das gilt auch für das "Aufarbeiten" unserer Vergangenheit, zu der das düstere Kapitel der Militärgerichtsbarkeit und des Strafvollzugs der Wehrmacht gehören. Dem beizukommen haben sich Herausgeber und Mitarbeiter eines Bandes verschrieben, der unter dem Titel "Die anderen Soldaten" vorliegt. Wurden bisher alle diffamiert, die sich dem Dienst in der Wehrmacht verweigerten oder widersetzten, so sollen sie nun pauschal als Widerständler anerkannt werden. Hier werden mangelnder Wille, womöglich auch die fehlende Fähigkeit zur Differenzierung offenkundig. Leider muß man auch erhebliche Zweifel an der wissenschaftlichen Qualität dieser Arbeiten hegen. Zu Recht verurteilen die Autoren die menschenverachtende Sprache der NS-Diktatur im Umgang mit Andersdenkenden, Verweigerern und Straffälligen. Sie selbst jedoch verhöhnen den "Verband Deutscher Soldaten" als "Dachverband der Wehrmacht-Traditionalisten", erklären die Wehrmachtgefängnisse pauschal zu "Stätten des Mordens" und verunglimpfen die Millionen deutscher Soldaten, die von fast aller Welt anerkannt im Bewußtsein treuer Pflichterfüllung gekämpft haben (häufig unter "unermeßlichem Leid", das diese Autoren nur in Wehrmachtgefängnissen zu erkennen meinen), als "Gehorchende", die man eigentlich ins Grab wünschen sollte, weil sie einer pauschalen Rehabilitation der Deserteure entgegenstehen. Ihre unverkennbar antisoldatische Grundeinstellung, die den Autoren unbenommen sei, hat sie offensichtlich daran gehindert, sich mit militärischen Denkweisen und Begriffen vertraut zu machen. Geradezu erheiternd wirkt es da, wenn einer der Autoren sich berufen fühlt, dem Leser ein neues "Bild vom Soldaten" zu vermitteln, das sich nicht nur am "infantristischen Kämpfer" orientieren soll. Ganz so neu ist das nicht! Dieser Versuch gipfelt dann in der Forderung, den Deserteur als "normalen Soldaten" zu verstehen, der sich nur dadurch unterscheide, "daß er auch seine körperliche Anwesenheit verweigert". Da nimmt es nicht wunder, daß für ein Denkmal der Deserteure mit dem Argument geworben wird, es gäbe ja bereits ein solches, nämlich das Hermannsdenkmal; schließlich sei der Cheruskerfürst Arminius aus dem römischen Dienst desertiert.

Wissenschaftliches Bemühen erfordert aber auch eine sachliche Kritik der Wehrmachtsjuristen. Unter denen gab es eben nicht nur solche, die ihr Gewissen der "Karriere geopfert" haben. Daß gar Karl Sack, der höchste Heeresrichter, zusammen mit Dietrich Bonhoeffer den Weg zum Galgen gehen mußte, findet hier nicht einmal Erwähnung. Wenigstens konstatiert Jürgen Thomas zutreffend: "Die große Masse verhielt sich so, wie sich Menschen heute wie gestern verhalten."

Unbestreitbar enthalten diese Aufsätze eine Fülle von wertvollen Hinweisen für eine künftige Auseinandersetzung mit dem Problem. So dürfte das eindrucksvoll geschilderte Schicksal der Kriegsdienstverweigerer aus religiösen Gründen (darunter 250 Zeugen Jehovas) keinen Leser unberührt lassen. Wohl jeder, der bisher dem Recht auf Kriegsdienstverweigerung kritisch gegenüberstand, müßte nach dieser Lektüre seinen Standpunkt überdenken. Wenn jedoch die "täglich mindestens zehn Stunden Arbeitsdienst" in den Sonderabteilungen der Wehrmacht beklagt werden, dann offenbart das eine erschreckende Unkenntnis des Autors über Lebensbedingungen der Deutschen in jener Zeit, von denen der Frontsoldaten ganz zu schweigen.

Sicher wird dieses Büchlein - trotz vieler Mängel - dazu beitragen, die notwendige öffentliche Debatte über Fragen der Kriegsdienstverweigerung und Desertion zu beleben, wie die Herausgeber es wünschen. Letztlich geht es um die Grenzen des militärischen Gehorsams, auf den wir auch künftig nicht verzichten können. Gerade da wird deutlich, daß politische und militärische Führung der Bundesrepublik sehr wohl die Lehren aus der Vergangenheit gezogen haben. GÜNTER KIESSLING

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