Mit der Eröffnung des Flug- und Luftschiffhafens Rhein-Main am 8. Juli 1936 begannen die Frankfurter Jahre der Zeppeline. Ulrich Eisenbach dokumentiert mit rund 160 faszinierenden und großteils unveröffentlichten Bildern aus dem Nachlass des renommierten Frankfurter Fotografen Sepp Jäger den Bau der Luftschiffhallen, den Alltag der Arbeiter und die ersten Passagierfahrten.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 18.10.2021Kaffee, Kuchen und Propaganda mit Tante Ju
Die Geschichte des heutigen Frankfurter Flughafens beginnt 1936. Die Faszination der Fliegerei lockt Frankfurter und Gäste aus aller Welt an - und sie wird von den Nazis zur Propaganda missbraucht. Der Historiker Ulrich Eisenbach blickt anhand historischer Fotos des Fotografen Sepp Jäger in einem Buch auf die Anfänge.
Von Jochen Remmert
Die Internationale Luftschiffahrt-Ausstellung auf dem Frankfurter Rebstockgelände von Juli bis Oktober 1909 war die bis dahin größte Schau dieser Art weltweit. Für die Luftschifffahrt und den Flugverkehr war der erste Flughafen Frankfurts dennoch schnell zu klein. Er lag zu dicht an der Stadt, konnte dort nicht wachsen. Die Zunahme der Flugbewegungen veranlasste den Frankfurter Magistrat deshalb schon früh, den Bau eines neuen Flughafens weiter westlich im Frankfurter Stadtwald zu planen. Damals war sich die Stadtregierung auch schon einig darüber, dass Frankfurt ein zentraler Ausgangspunkt für zukünftige Transatlantikflüge werden sollte.
Tatsächlich waren die Zuwächse für die damalige Zeit beachtlich: im Jahr 1924 zählte der Rebstock-Flughafen noch 234 Flugbewegungen, 1932 bereits 6410. Verglichen mit der bisher höchsten Zahl der Flugbewegungen von knapp 514 000 im Jahr 2019 sicherlich noch bescheiden. Allerdings war damals das Flugzeug auch noch das mit großem Abstand exklusivste und teuerste Verkehrsmittel. Ein Flug von Frankfurt nach Hamburg und zurück kostete Mitte der Dreißigerjahre etwa den halben Monatslohn eines Facharbeiters. Als die Nationalsozialisten 1933 auch in Frankfurt herrschten, fanden sie bereits detaillierte Planungen des letzten noch demokratisch legitimierten Magistrats zum Bau eines neuen Flughafens vor, der sich später - durch alle Tiefen und Höhen der Geschichte - zu einem der größten Luftverkehrsdrehkreuze der Welt entwickeln sollte.
Diese wechselvollen Anfänge des Flughafens, der zunächst noch Flug- und Luftschiffhafen Rhein-Main hieß, skizziert der Historiker Ulrich Eisenbach in dem neu erschienenen Bildband "Die Anfänge der Luftfahrt in Frankfurt am Main". Eisenbach, ehemals Leiter des Hessischen Wirtschaftsarchivs in Darmstadt, greift dabei auf die Bilder des Frankfurter Fotografen Sepp Jäger zurück, der die Entwicklung des Flughafens in den Dreißigerjahren detailreich und in Bildern teils ausgesprochen selten fotografierter Flugzeuge festgehalten hat. Die heute noch fliegende Junkers Ju 52, auch Tante Ju genannt, ist freilich auch darunter. Jägers Bilder dokumentieren nicht nur, dass der Flughafen schon in seinen Anfängen Gäste aus aller Welt anzog. Die Aufnahmen zeichnen zwangsläufig auch nach, wie sich die Nationalsozialisten systematisch der Fliegerei und des neuen Flughafens als wirksames Mittel der Propaganda und ihrer Selbstinszenierung bedienten. Das schloss auch die Beisetzung von sieben aus Frankfurt und Umgebung stammenden Todesopfern der Luftschiffkatastrophe von Lakehurst auf dem Frankfurter Hauptfriedhof mit ein, die Jäger auch in Bildern festhielt. Das Luftschiff "Hindenburg" war am 3. Mai 1937 von Frankfurt aus zur Fahrt nach Lakehurst in den USA aufgebrochen und bei der Landung am 7. Mai innerhalb von wenigen Minuten vollständig in Flammen aufgegangen. Weil Deutschland nicht über ausreichende Mengen des nicht brennbaren Heliums verfügte, waren die Luftschiffe mit dem weit heikleren Wasserstoff gefüllt. Die Ära der Luftschiffe auf dem neuen Frankfurter Flughafen war kurz. Die beiden 275 und 300 Meter langen, jeweils gut 60 Meter breiten und mehr als 50 Meter hohen Werfthallen wurden zwischen 1936 und 1938 gebaut. Doch schon im Frühjahr 1940 ließ Hermann Göring sie sprengen und die verbliebenen Luftschiffe abwracken. Die Luftwaffe brauchte Platz für die Kriegspläne der Nazis, der zivile Luftverkehr wurde eingestellt, und am 10. Mai 1940 startete von Frankfurt aus der erste Bomber vom Typ Junkers Ju 88, um Ziele in Frankreich zu bombardieren.
Die Fotos Jägers und die prägnanten Texte Eisenbachs dokumentieren den schnellen technischen Fortschritt in der Fliegerei und die Faszination, die sie auf die Frankfurter und Gäste aus aller Welt ausübte. Das galt auch für die Rennfahrergrößen dieser Zeit, wie Rudolf Caracciola und Bernd Rosemeyer, die mit ihren Wagen die 400-Stundenkilometer-Grenze deutlich überschritten und damit schneller waren als alle Flugzeuge, die auf dem Flughafen gleich neben der Rekordrennstrecke (Teile der heutigen A5) starteten und landeten. Nur Carraciola überlebte die Rekordjagd, Rosemeyer, jung verheiratet mit der Kunstfliegerin Elly Beinhorn, verunglückte am 28. Januar 1938 tödlich.
Der Flughafen wurde auch bei Menschen mit weniger spektakulären Berufen schnell zum beliebten Ziel - inklusive Kaffee und Kuchen im "Kaffeegarten" direkt am Vorfeld. Die Busverbindung vom Frankfurter Hauptbahnhof zum Flughafen wurde ebenso rege genutzt wie die Flughafen-Tour-Angebote der regional über Generationen bekannten "Blauen Kurautobusse" aus Wiesbaden. Diese und noch viele weitere interessante Details aus den Anfängen des Frankfurter Flughafens lassen sich in Eisenbachs Buch anhand der Bilder Sepp Jägers entdecken.
"Die Anfänge der Luftfahrt in Frankfurt am Main", Ulrich Eisenbach, Sutton Verlag, Erfurt 2021, 168 Seiten, 29,99 Euro.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Die Geschichte des heutigen Frankfurter Flughafens beginnt 1936. Die Faszination der Fliegerei lockt Frankfurter und Gäste aus aller Welt an - und sie wird von den Nazis zur Propaganda missbraucht. Der Historiker Ulrich Eisenbach blickt anhand historischer Fotos des Fotografen Sepp Jäger in einem Buch auf die Anfänge.
Von Jochen Remmert
Die Internationale Luftschiffahrt-Ausstellung auf dem Frankfurter Rebstockgelände von Juli bis Oktober 1909 war die bis dahin größte Schau dieser Art weltweit. Für die Luftschifffahrt und den Flugverkehr war der erste Flughafen Frankfurts dennoch schnell zu klein. Er lag zu dicht an der Stadt, konnte dort nicht wachsen. Die Zunahme der Flugbewegungen veranlasste den Frankfurter Magistrat deshalb schon früh, den Bau eines neuen Flughafens weiter westlich im Frankfurter Stadtwald zu planen. Damals war sich die Stadtregierung auch schon einig darüber, dass Frankfurt ein zentraler Ausgangspunkt für zukünftige Transatlantikflüge werden sollte.
Tatsächlich waren die Zuwächse für die damalige Zeit beachtlich: im Jahr 1924 zählte der Rebstock-Flughafen noch 234 Flugbewegungen, 1932 bereits 6410. Verglichen mit der bisher höchsten Zahl der Flugbewegungen von knapp 514 000 im Jahr 2019 sicherlich noch bescheiden. Allerdings war damals das Flugzeug auch noch das mit großem Abstand exklusivste und teuerste Verkehrsmittel. Ein Flug von Frankfurt nach Hamburg und zurück kostete Mitte der Dreißigerjahre etwa den halben Monatslohn eines Facharbeiters. Als die Nationalsozialisten 1933 auch in Frankfurt herrschten, fanden sie bereits detaillierte Planungen des letzten noch demokratisch legitimierten Magistrats zum Bau eines neuen Flughafens vor, der sich später - durch alle Tiefen und Höhen der Geschichte - zu einem der größten Luftverkehrsdrehkreuze der Welt entwickeln sollte.
Diese wechselvollen Anfänge des Flughafens, der zunächst noch Flug- und Luftschiffhafen Rhein-Main hieß, skizziert der Historiker Ulrich Eisenbach in dem neu erschienenen Bildband "Die Anfänge der Luftfahrt in Frankfurt am Main". Eisenbach, ehemals Leiter des Hessischen Wirtschaftsarchivs in Darmstadt, greift dabei auf die Bilder des Frankfurter Fotografen Sepp Jäger zurück, der die Entwicklung des Flughafens in den Dreißigerjahren detailreich und in Bildern teils ausgesprochen selten fotografierter Flugzeuge festgehalten hat. Die heute noch fliegende Junkers Ju 52, auch Tante Ju genannt, ist freilich auch darunter. Jägers Bilder dokumentieren nicht nur, dass der Flughafen schon in seinen Anfängen Gäste aus aller Welt anzog. Die Aufnahmen zeichnen zwangsläufig auch nach, wie sich die Nationalsozialisten systematisch der Fliegerei und des neuen Flughafens als wirksames Mittel der Propaganda und ihrer Selbstinszenierung bedienten. Das schloss auch die Beisetzung von sieben aus Frankfurt und Umgebung stammenden Todesopfern der Luftschiffkatastrophe von Lakehurst auf dem Frankfurter Hauptfriedhof mit ein, die Jäger auch in Bildern festhielt. Das Luftschiff "Hindenburg" war am 3. Mai 1937 von Frankfurt aus zur Fahrt nach Lakehurst in den USA aufgebrochen und bei der Landung am 7. Mai innerhalb von wenigen Minuten vollständig in Flammen aufgegangen. Weil Deutschland nicht über ausreichende Mengen des nicht brennbaren Heliums verfügte, waren die Luftschiffe mit dem weit heikleren Wasserstoff gefüllt. Die Ära der Luftschiffe auf dem neuen Frankfurter Flughafen war kurz. Die beiden 275 und 300 Meter langen, jeweils gut 60 Meter breiten und mehr als 50 Meter hohen Werfthallen wurden zwischen 1936 und 1938 gebaut. Doch schon im Frühjahr 1940 ließ Hermann Göring sie sprengen und die verbliebenen Luftschiffe abwracken. Die Luftwaffe brauchte Platz für die Kriegspläne der Nazis, der zivile Luftverkehr wurde eingestellt, und am 10. Mai 1940 startete von Frankfurt aus der erste Bomber vom Typ Junkers Ju 88, um Ziele in Frankreich zu bombardieren.
Die Fotos Jägers und die prägnanten Texte Eisenbachs dokumentieren den schnellen technischen Fortschritt in der Fliegerei und die Faszination, die sie auf die Frankfurter und Gäste aus aller Welt ausübte. Das galt auch für die Rennfahrergrößen dieser Zeit, wie Rudolf Caracciola und Bernd Rosemeyer, die mit ihren Wagen die 400-Stundenkilometer-Grenze deutlich überschritten und damit schneller waren als alle Flugzeuge, die auf dem Flughafen gleich neben der Rekordrennstrecke (Teile der heutigen A5) starteten und landeten. Nur Carraciola überlebte die Rekordjagd, Rosemeyer, jung verheiratet mit der Kunstfliegerin Elly Beinhorn, verunglückte am 28. Januar 1938 tödlich.
Der Flughafen wurde auch bei Menschen mit weniger spektakulären Berufen schnell zum beliebten Ziel - inklusive Kaffee und Kuchen im "Kaffeegarten" direkt am Vorfeld. Die Busverbindung vom Frankfurter Hauptbahnhof zum Flughafen wurde ebenso rege genutzt wie die Flughafen-Tour-Angebote der regional über Generationen bekannten "Blauen Kurautobusse" aus Wiesbaden. Diese und noch viele weitere interessante Details aus den Anfängen des Frankfurter Flughafens lassen sich in Eisenbachs Buch anhand der Bilder Sepp Jägers entdecken.
"Die Anfänge der Luftfahrt in Frankfurt am Main", Ulrich Eisenbach, Sutton Verlag, Erfurt 2021, 168 Seiten, 29,99 Euro.
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