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Ist musikalische Romantik eine Epoche, ein Stil oder bloß Kitsch? Wird sie von Literaten um 1800 erfunden? Ist Ludwig van Beethoven ein waschechter Romantiker oder doch erst Robert Schumann oder Richard Wagner? Irrt E.T.A. Hoffmann, wenn er schon Joseph Haydn und Wolfgang Amadé Mozart zu Romantikern erklärt? Und vor allem: Wann fängt die Romantik eigentlich an? - Das Buch begibt sich auf Spurensuche nach den Anfängen der Romantik, beobachtet einen Wandel im Nachdenken über Musik, zeigt Ästheten, Literaten und Musiker in ihren Debatten um moderne und experimentelle Konzepte des Komponierens und…mehr

Produktbeschreibung
Ist musikalische Romantik eine Epoche, ein Stil oder bloß Kitsch? Wird sie von Literaten um 1800 erfunden? Ist Ludwig van Beethoven ein waschechter Romantiker oder doch erst Robert Schumann oder Richard Wagner? Irrt E.T.A. Hoffmann, wenn er schon Joseph Haydn und Wolfgang Amadé Mozart zu Romantikern erklärt? Und vor allem: Wann fängt die Romantik eigentlich an? - Das Buch begibt sich auf Spurensuche nach den Anfängen der Romantik, beobachtet einen Wandel im Nachdenken über Musik, zeigt Ästheten, Literaten und Musiker in ihren Debatten um moderne und experimentelle Konzepte des Komponierens und Schreibens. - Musik hat mehr als nur Teil am wirkmächtigen Ereignis der Romantik um 1800, das unsere Moderne geprägt hat wie wohl kaum eine andere Weltsicht der letzten Jahrhunderte. Sie sorgt für nachhaltige Hörerlebnisse der um 1770 geborenen Künstler, sie konfrontiert mit Neuem, Unerhörtem, sie entführt eine ganze Generation in Geisterreiche und Traumbilder. Sie ist nichts weniger alsmitverantwortlich für die Anfänge der Romantik überhaupt. Das Buch begleitet diese Entwicklung bis zu Hoffmanns berühmter Rezension der 5. Sinfonie Beethovens aus dem Jahre 1810: als Ende des Anfangs.

Autorenporträt
Christiane Wiesenfeldt ist ¿Professorin für Musikwissenschaft an der Universität Heidelberg.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Nicht nur, weil sie der inflationären Verwendung des Romantikbegriffs entgegenwirken könnte, ist Rezensent und Musikwissenschaftler Laurenz Lütteken dankbar für Christiane Wiesenfeldts Studie. Die Professorin für Musikwissenschaft, die auch für die FAZ schreibt, so Lütteken, unternimmt hier eine Art Neubestimmung und klare Verortung der Romantik im 19. Jahrhundert. Dass es dabei eigentlich "nur" um Deutschland geht, ist für den Kritiker mehr Chance als Manko, weil es für das spricht, was er an Wiesenfeldts Ansatz am meisten schätzt: Dass sie sich der Romantik nicht, wie zuletzt Carl Dahlhaus, abstrakt-ideengeschichtlich, sondern konkret-historisch nähere, mit einer Bestimmung der "musikalischen Lebenswelt" um 1800, die eine sehr komplexe und mit der Literatur verwobene war, wie Lütteken liest. In dieser Abkehr von einer "idealistischen Tradition" - Hoffmanns berühmte Besprechung von Beethovens fünfter Sinfonie komme etwa erst ganz am Ende vor - gelinge der Autorin eine frische und "entspannte", weil pathosfreie Perspektive auf diesen Gegenstand; zugleich prägnant und detailliert, so der begeisterte Kritiker.

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 29.10.2022

In Goethes Weimar wurde Mozart kanonisiert
Christiane Wiesenfeldts gelungene Darstellung der musikalischen Romantik als historisches Phänomen

Kaum ein Begriff der Musikgeschichtsschreibung ist dermaßen ungenau, strapaziert und verbraucht wie jener der Romantik. Es scheint dies aber ein Resultat des zwanzigsten Jahrhunderts zu sein, in dem selbst ein Komponist wie Richard Strauss zum "Spätromantiker" gemacht worden ist. Diese Nonchalance hat sich längst in den Alltag verlängert, wo es an stets neuen und verblüffenden Kapriolen nicht mangelt. So kündigte der MDR schon vor vielen Jahren als Höhepunkt seines Weihnachts-Wunschkonzerts jene "romantische Musik" an, "die nur in diese Jahreszeit passt", und Avi Avital bekannte beim diesjährigen Schleswig-Holstein Festival seine Vorliebe für "sentimentale, romantische Musik".

Die Sinnleere, die sich hier zu erkennen gibt, reicht allerdings Jahrzehnte zurück, und das, obwohl die federführenden Protagonisten der Zeit um 1800 mit dem Begriff das Gegenteil von Beliebigkeit verbunden haben. Einer der Ersten, der sich deswegen um eine grundlegende Neubestimmung bemühte, war Carl Dahlhaus. Er folgte damit Anregungen seines Mentors Walter Wiora, der ab 1960 eine Neuvermessung des musikalischen neunzehnten Jahrhunderts entschieden vorangetrieben hatte. Die "Musik des 19. Jahrhunderts", die Dahlhaus 1980 herausbrachte, war epochal, auch deswegen, weil in ihr der Forschungsgegenstand ganz neu etabliert wurde. Einzig dem auch damals schon verschlissenen Begriff der Romantik begegnete Dahlhaus mit einer gewissen Reserve, geprägt von seiner kurz zuvor entstandenen "Idee der absoluten Musik". Was als Ausweg erschien, sollte sich dennoch als Problem erweisen. Unversehens verlängerte sich hier nämlich Nietzsches These von der Musik als "verspäteter" Kunst in der Diagnose eines vermeintlichen Widerspruchs zwischen dem, was man um und nach 1800 über Musik dachte, und einer kompositorischen Wirklichkeit, in der dies angeblich erst Jahrzehnte später eingelöst wurde.

Zwar regte sich mitunter starker Widerspruch gegen diese Lesart, aber zu einem umfassenden Neuansatz im Blick auf die Musik selbst kam es bislang nicht. Hier knüpft nun Christiane Wiesenfeldt mit ihrer Darstellung der "Anfänge der Romantik in der Musik" an. Die regelmäßige Beiträgerin in diesem Feuilleton arbeitet sich dabei natürlich an Dahlhaus ab, und das gleich mit einer ganzen Reihe von harschen Vorwürfen, die es aber eigentlich nicht brauchte. Denn Wiesenfeldt geht in den dreizehn ungefähr gleichgewichtigen Kapiteln ihres kompakten Entwurfs den genau umgekehrten Weg. Sie erhebt keinen abstrakten ideengeschichtlichen Befund, sondern ist von vorneherein um eine Engführung zwischen Literatur, Ästhetik, Kritik und vor allem musikalischer Erfahrungswelt um 1800 bemüht. Angeregt von der neueren germanistischen Forschung, konzentriert sie sich auf den literarischen Kanon der wichtigsten Autoren, vor allem Wackenroder, Tieck, die Schlegels, Novalis, Reichardt und Hoffmann, verbunden natürlich mit allerlei Seitenblicken (etwa auf Dalberg oder, unerwartet, auf Natorp). Aber sie sucht eben nicht nach einer abstrakten Bestimmung von Ideen, sondern nach deren Verankerung in der Lebenswelt.

Genau diese musikalische Lebenswelt ist um 1800 hoch differenziert, mit einer schwer durchdringlichen Reihe von Erfahrungen, Werken, Kontexten, Bezugsebenen und auch Illusionen. Und sie ist in hohem Maße auf die Gegenwart fixiert. Hier liegt wohl die entscheidende Differenz zu den zahlreichen Präfigurationen in der Ästhetik des späteren achtzehnten Jahrhunderts, auf die die Autorin nur kursorisch eingeht, vielleicht mit gutem Grund. Der für Zachariä, Engel oder Eschenburg anregende Werkkanon (mit Komponisten wie Carl Philipp Emanuel Bach, Telemann oder Rolle) war um 1800, wenn nicht ganz verschwunden, so doch auf sehr wenige Einzelfälle reduziert.

Das gilt einzig für den jüngsten dieser Komponisten nicht, für Mozart. Mit verblüffender Deutlichkeit kann Wiesenfeldt zeigen, auf welch eindringliche und differenzierte Weise Mozart die Musikwahrnehmung und -anschauung jener Autoren bestimmt hat, die als bestimmend gelten für die romantische Musikästhetik. Es ist dabei keineswegs nur eine ironische Pointe, dass zentrale Anregungen dafür ausgerechnet von Goethes Weimar ausgingen. Dort kam es nach 1790 zu einer in Europa beispiellosen Aufführungsserie der Opern Mozarts, mithin also zu einer ästhetischen Kanonisierung ganz eigener Art.

Der neue, der andere Blick, den Wiesenfeldt hier anmahnt, bedeutet auch eine gewisse Befreiung von den schweren Gewichten der idealistischen Tradition. Das ist keineswegs als Vereinfachung gemeint, im Gegenteil, aber doch als Öffnung der Perspektive. Ferne und Nähe, Widersprüche und Berührungspunkte, etwa zwischen Zelter und Reichardt, lassen sich damit genauer und in jedem Fall viel entspannter diagnostizieren. Eine Analyse von Hoffmanns berühmter Besprechung der Fünften Sinfonie Beethovens steht daher nicht am Anfang, sondern demonstrativ erst am Ende des Buches. Und vielleicht ist diese Entspanntheit auch die Ursache für das erzählerische Präsens, das die Autorin über weite Strecken pflegt.

Dahlhaus versuchte 1980, durchaus innovativ, eine europäische Perspektive zu etablieren. Wiesenfeldt hingegen kehrt in ihrer Studie zu den deutschen Autoren und Komponisten zurück, es geht also eigentlich um die Anfänge der deutschen Romantik in der Musik. Diese Reduktion lässt sich aber dennoch als Chance begreifen. In der prägnanten Kürze, die gleichwohl einhergeht mit weitgefächerten Diagnosen, erweist sich das schöne, detailreiche Buch als Versuch, mit nüchternem, unbefangenem Blick die musikalische Romantik vor allem als historisches Phänomen zu beschreiben, den Gegenstand also vom so lange tonangebenden ideengeschichtlichen Pathos zu befreien. Die Zeit ist offenbar reif für diese Rückkehr zur Besonnenheit, auch wenn sich die Hoffnung, sie möge dem inflationären Verschleiß des Begriffs selbst entgegenwirken, wahrscheinlich als trügerisch erweisen wird. LAURENZ LÜTTEKEN

Christiane Wiesenfeldt: "Die Anfänge der Romantik in der Musik".

Bärenreiter/Metzler Verlag, Kassel/Berlin 2022. 304 S., geb., 39,99 Euro.

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