Kritiken von Reich-Ranicki
Die Kritik, Reich-Ranickis Passion und Profession, ist auch das Thema dieses Buches.
Der Band bietet essayistische Porträts bedeutender Kritiker und jener großen deutschen Dichter
und Schriftsteller, in deren Werk die Kritik eine wichtige
Lessing, der Gründer unseres literarischen Lebens, Friedrich Nicolai, sowie Goethe, der die Kritik
bekämpft hat. Es folgen Friedrich Schlegel und Ludwig Börne, Heine und Fontane. Doch der meiste Platz wird
denen eingeräumt, die in den letzten hundert Jahren die deutsche Literaturkritik geprägt haben - so
unter anderem Alfred Kerr und Alfred Polgar, Thomas Mann und Kurt Tucholsky, Walter Benjamin,
Friedrich Sieburg und Hilde Spiel. Am Ende finden sich Zeitgenossen wie Martin Walser und Joachim Kaiser.
Über sie alle schreibt Reich-Ranicki liebevoll und anschaulich, aber auch skeptisch und polemisch.
Die Kritik, Reich-Ranickis Passion und Profession, ist auch das Thema dieses Buches.
Der Band bietet essayistische Porträts bedeutender Kritiker und jener großen deutschen Dichter
und Schriftsteller, in deren Werk die Kritik eine wichtige
Lessing, der Gründer unseres literarischen Lebens, Friedrich Nicolai, sowie Goethe, der die Kritik
bekämpft hat. Es folgen Friedrich Schlegel und Ludwig Börne, Heine und Fontane. Doch der meiste Platz wird
denen eingeräumt, die in den letzten hundert Jahren die deutsche Literaturkritik geprägt haben - so
unter anderem Alfred Kerr und Alfred Polgar, Thomas Mann und Kurt Tucholsky, Walter Benjamin,
Friedrich Sieburg und Hilde Spiel. Am Ende finden sich Zeitgenossen wie Martin Walser und Joachim Kaiser.
Über sie alle schreibt Reich-Ranicki liebevoll und anschaulich, aber auch skeptisch und polemisch.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 16.08.1996Anwälte der Literatur
Marcel Reich-Ranickis Passion und Profession, die Kritik also, ist Thema des Buches "Die Anwälte der Literatur". Es bietet essayistische Porträts bedeutender deutscher Kritiker und jener großen Dichter und Schriftsteller, in deren Werk die Kritik eine wichtige Rolle spielt: von Lessing und Nicolai bis Goethe, Schlegel, Börne, Heine und Fontane. Doch der meiste Platz wird denen eingeräumt, die in den vergangenen hundert Jahren die deutsche Literaturkritik geprägt haben - so unter anderen Alfred Kerr und Alfred Polgar, Thomas Mann, Siegfried Jacobsohn und Kurt Tucholsky, Walter Benjamin und Friedrich Sieburg und auch einige unserer Zeitgenossen von Hilde Spiel bis Martin Walser und Joachim Kaiser. Durchaus möglich, daß man in diesem Band, der dreiundzwanzig Porträts enthält, noch ein vierundzwanzigstes entdeckt: das Selbstporträt des Kritikers Marcel Reich-Ranicki, das sich in den Arbeiten über seine Vorgänger und Kollegen verbirgt. Der Band ist jetzt auch als Taschenbuch erhältlich. (Marcel Reich-Ranicki: "Die Anwälte der Literatur". Deutscher Taschenbuch Verlag, München 1996. 1996. 360 S., br., 29,80 DM.) F.A.Z.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Marcel Reich-Ranickis Passion und Profession, die Kritik also, ist Thema des Buches "Die Anwälte der Literatur". Es bietet essayistische Porträts bedeutender deutscher Kritiker und jener großen Dichter und Schriftsteller, in deren Werk die Kritik eine wichtige Rolle spielt: von Lessing und Nicolai bis Goethe, Schlegel, Börne, Heine und Fontane. Doch der meiste Platz wird denen eingeräumt, die in den vergangenen hundert Jahren die deutsche Literaturkritik geprägt haben - so unter anderen Alfred Kerr und Alfred Polgar, Thomas Mann, Siegfried Jacobsohn und Kurt Tucholsky, Walter Benjamin und Friedrich Sieburg und auch einige unserer Zeitgenossen von Hilde Spiel bis Martin Walser und Joachim Kaiser. Durchaus möglich, daß man in diesem Band, der dreiundzwanzig Porträts enthält, noch ein vierundzwanzigstes entdeckt: das Selbstporträt des Kritikers Marcel Reich-Ranicki, das sich in den Arbeiten über seine Vorgänger und Kollegen verbirgt. Der Band ist jetzt auch als Taschenbuch erhältlich. (Marcel Reich-Ranicki: "Die Anwälte der Literatur". Deutscher Taschenbuch Verlag, München 1996. 1996. 360 S., br., 29,80 DM.) F.A.Z.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 02.06.2010Befeuerung der Fußnoten
Der erste Kanon: „Anwälte der Literatur“ ist Reich-Ranickis größtes Werk
Marcel Reich-Ranicki als Verteidiger von Fußnoten – das würde einem vermutlich erst einmal nicht geglaubt. Und doch ist es so. Anderthalb Seiten hat der unerschrockene Polemiker der Frage gewidmet, ob es angezeigt sei, Essays mit Zitatnachweisen in Anmerkungen zu versehen; es sind witzige, kluge Seiten. Dass alle, die über Literatur schreiben, unentwegt zitieren müssen, ist selbstverständlich – aber warum werden die Zitate so selten belegt? Die Gattung des Essay widerstrebe solcher Zugabe, sagt der eine; Zitatnachweise seien eher dekorativ als nützlich, der andere. „Wie man sieht“, erklärt Reich-Ranicki dazu, „fehlt es den Kollegen, auch den ehrenwerten, nicht an Einfällen, um dem Leser ihre Quellen vorzuenthalten. Warum? Hier meine Vermutung: Diese Autoren – sie sind allesamt Faulpelze. Denn sicher ist: Die Nachweise machen viel Mühe.“
Und noch ein zweites Motiv erkennt Reich-Ranicki in dieser Lässlichkeit: Zitate werden nicht geradezu gefälscht, aber doch gelegentlich zurechtgebogen und retuschiert, damit sie als Beweismittel für die Zwecke der Literarhistoriker und Kritiker tauglich werden. Dass dies aber nicht nur unsinnig, sondern auch völlig unnötig ist, das hat Reich-Ranicki in dem Buch bewiesen, das mit dieser Apologie der Fußnote schließt: Es handelt sich um sein Werk über die „Anwälte der Literatur“, das Buch, das ihn nach eigener Mitteilung von allen am meisten Zeit und Mühe gekostet hat. „Die Anwälte der Literatur“ bestehen aus 23 Porträts der großen deutschsprachigen Kritiker und kritischen Schriftsteller seit Lessing. Die Texte entstanden von den Sechzigern bis in die neunziger Jahre.
Schon die ersten Namen der Reihe – nach Lessing kommen Friedrich Nicolai, Goethe, Friedrich Schlegel, Börne und Heine – beweisen, dass hier kein Faulpelz am Werk war, denn wer zu ihnen auf jeweils etwa zwanzig Seiten Stichhaltiges sagen will, muss ganze Werkausgaben durchgearbeitet haben. Und dass dies geschehen ist, zeigen nicht zuletzt die Fußnoten, die aus umfassenden Editionen der großen Autoren stammen und Zitate aus all ihren einschlägigen Schriften nachweisen. Mit Fontane, Kerr, Thomas Mann, Tucholsky und Benjamin folgen nicht minder produktive sowie etliche weniger bekannte Autoren. Wenn der Leser das Buch mit Hans Mayer, Golo Mann, Martin Walser und Joachim Kaiser beendet hat, sind erst 330 Seiten vorbei, aber er hat eine ganze Bibliothek aufgeblättert bekommen, und mehr als das: eine Tradition von Witz, Empfindsamkeit, Selbstdenken, Geistesfreiheit.
Deutschland, das berüchtigte Land des Tiefsinns, hat diese Tradition der Hellen und Schnellen, der Versteher, Analytiker, passionierten Leser und großen Urteilenden. Dass Reich-Ranicki es nicht nötig hat, Zitate zu verbessern, um seinen Figuren unverwechselbare Konturen zu verleihen, beweisen die Untertitel: „Der tolerante Fanatiker“, „Der Artist als Kritiker“, „Der leise Meister“, „Der nervöse Genießer“, „Der fröhliche Germanist“, „Der Redner aus Passion“ – wer möchte nicht sofort wissen, wer damit gemeint ist und sie kennenlernen? Es ist der erste Kanon, den Reich-Ranicki entworfen hat, der seines Berufs, der Literaturkritik. Dass die Kritik in Gestalt dieses Autors seit Jahrzehnten nicht nur leibhaftig vor unseren Augen steht, sondern dazu noch als geistige Überlieferung, ist das Verdienst dieser über ein Leben lang geplanten und realisierten Reihe blendender Abhandlungen. „Die Anwälte der Literatur“ sind nicht das umfangreichste, auch nicht das erfolgreichste, aber das gewichtigste Buch von Reich-Ranicki, ein Buch, das man verschlingt und mit dem man hinterher auch noch arbeiten kann.
Mit seinen Fußnoten, so schließt das Nachwort, erhebe er keinen Anspruch, weder einen wissenschaftlichen noch einen sonstigen. Wer sie nicht brauche, werde gebeten, sie zu ignorieren. „Aber ich weiß zugleich, dass ein Teil der Leserschaft, und sei es nur eine Minderheit, mir wenn für nichts anderes, so wenigstens für die Anmerkungen dankbar sein wird.“ Das hat in seiner selbstbewussten Nüchternheit Lessingsches Format, und wäre dies keine Zeitung, könnte man so ein Urteil sogar durch eine Reihe von Parallelstellen aus dessen kritischen Werken belegen – mit Band und Seitenzahl.
GUSTAV SEIBT
Auch Deutschland, das berüchtigte
Land des Tiefsinns, hat diese
Tradition des Hellen, Schnellen
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Der erste Kanon: „Anwälte der Literatur“ ist Reich-Ranickis größtes Werk
Marcel Reich-Ranicki als Verteidiger von Fußnoten – das würde einem vermutlich erst einmal nicht geglaubt. Und doch ist es so. Anderthalb Seiten hat der unerschrockene Polemiker der Frage gewidmet, ob es angezeigt sei, Essays mit Zitatnachweisen in Anmerkungen zu versehen; es sind witzige, kluge Seiten. Dass alle, die über Literatur schreiben, unentwegt zitieren müssen, ist selbstverständlich – aber warum werden die Zitate so selten belegt? Die Gattung des Essay widerstrebe solcher Zugabe, sagt der eine; Zitatnachweise seien eher dekorativ als nützlich, der andere. „Wie man sieht“, erklärt Reich-Ranicki dazu, „fehlt es den Kollegen, auch den ehrenwerten, nicht an Einfällen, um dem Leser ihre Quellen vorzuenthalten. Warum? Hier meine Vermutung: Diese Autoren – sie sind allesamt Faulpelze. Denn sicher ist: Die Nachweise machen viel Mühe.“
Und noch ein zweites Motiv erkennt Reich-Ranicki in dieser Lässlichkeit: Zitate werden nicht geradezu gefälscht, aber doch gelegentlich zurechtgebogen und retuschiert, damit sie als Beweismittel für die Zwecke der Literarhistoriker und Kritiker tauglich werden. Dass dies aber nicht nur unsinnig, sondern auch völlig unnötig ist, das hat Reich-Ranicki in dem Buch bewiesen, das mit dieser Apologie der Fußnote schließt: Es handelt sich um sein Werk über die „Anwälte der Literatur“, das Buch, das ihn nach eigener Mitteilung von allen am meisten Zeit und Mühe gekostet hat. „Die Anwälte der Literatur“ bestehen aus 23 Porträts der großen deutschsprachigen Kritiker und kritischen Schriftsteller seit Lessing. Die Texte entstanden von den Sechzigern bis in die neunziger Jahre.
Schon die ersten Namen der Reihe – nach Lessing kommen Friedrich Nicolai, Goethe, Friedrich Schlegel, Börne und Heine – beweisen, dass hier kein Faulpelz am Werk war, denn wer zu ihnen auf jeweils etwa zwanzig Seiten Stichhaltiges sagen will, muss ganze Werkausgaben durchgearbeitet haben. Und dass dies geschehen ist, zeigen nicht zuletzt die Fußnoten, die aus umfassenden Editionen der großen Autoren stammen und Zitate aus all ihren einschlägigen Schriften nachweisen. Mit Fontane, Kerr, Thomas Mann, Tucholsky und Benjamin folgen nicht minder produktive sowie etliche weniger bekannte Autoren. Wenn der Leser das Buch mit Hans Mayer, Golo Mann, Martin Walser und Joachim Kaiser beendet hat, sind erst 330 Seiten vorbei, aber er hat eine ganze Bibliothek aufgeblättert bekommen, und mehr als das: eine Tradition von Witz, Empfindsamkeit, Selbstdenken, Geistesfreiheit.
Deutschland, das berüchtigte Land des Tiefsinns, hat diese Tradition der Hellen und Schnellen, der Versteher, Analytiker, passionierten Leser und großen Urteilenden. Dass Reich-Ranicki es nicht nötig hat, Zitate zu verbessern, um seinen Figuren unverwechselbare Konturen zu verleihen, beweisen die Untertitel: „Der tolerante Fanatiker“, „Der Artist als Kritiker“, „Der leise Meister“, „Der nervöse Genießer“, „Der fröhliche Germanist“, „Der Redner aus Passion“ – wer möchte nicht sofort wissen, wer damit gemeint ist und sie kennenlernen? Es ist der erste Kanon, den Reich-Ranicki entworfen hat, der seines Berufs, der Literaturkritik. Dass die Kritik in Gestalt dieses Autors seit Jahrzehnten nicht nur leibhaftig vor unseren Augen steht, sondern dazu noch als geistige Überlieferung, ist das Verdienst dieser über ein Leben lang geplanten und realisierten Reihe blendender Abhandlungen. „Die Anwälte der Literatur“ sind nicht das umfangreichste, auch nicht das erfolgreichste, aber das gewichtigste Buch von Reich-Ranicki, ein Buch, das man verschlingt und mit dem man hinterher auch noch arbeiten kann.
Mit seinen Fußnoten, so schließt das Nachwort, erhebe er keinen Anspruch, weder einen wissenschaftlichen noch einen sonstigen. Wer sie nicht brauche, werde gebeten, sie zu ignorieren. „Aber ich weiß zugleich, dass ein Teil der Leserschaft, und sei es nur eine Minderheit, mir wenn für nichts anderes, so wenigstens für die Anmerkungen dankbar sein wird.“ Das hat in seiner selbstbewussten Nüchternheit Lessingsches Format, und wäre dies keine Zeitung, könnte man so ein Urteil sogar durch eine Reihe von Parallelstellen aus dessen kritischen Werken belegen – mit Band und Seitenzahl.
GUSTAV SEIBT
Auch Deutschland, das berüchtigte
Land des Tiefsinns, hat diese
Tradition des Hellen, Schnellen
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