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Vier Frauen, vier Schicksale, vier Lebensentwürfe: Majgull Axelssons triumphal gefeierter Roman erzählt die Geschichte von vier Schwestern, die nach langen Jahren des Schweigens auf eine außergewöhnliche Weise wieder zueinander finden.
Desirée kommt schwerstbehindert zur Welt. Gelähmt, stumm und spastisch krampfend wird sie in eine Anstalt für geistig Behinderte abgeschoben, denn in ihrem missgestalteten Körper vermutet man eine missgestaltete Seele. Doch Desirée ist eine hoch intelligente Frau, und obwohl sie weder gehen noch sprechen kann, weiß sie die Welt auf ihre Art zu erkunden. Denn…mehr

Produktbeschreibung
Vier Frauen, vier Schicksale, vier Lebensentwürfe: Majgull Axelssons triumphal gefeierter Roman erzählt die Geschichte von vier Schwestern, die nach langen Jahren des Schweigens auf eine außergewöhnliche Weise wieder zueinander finden.
Desirée kommt schwerstbehindert zur Welt. Gelähmt, stumm und spastisch krampfend wird sie in eine Anstalt für geistig Behinderte abgeschoben, denn in ihrem missgestalteten Körper vermutet man eine missgestaltete Seele. Doch Desirée ist eine hoch intelligente Frau, und obwohl sie weder gehen noch sprechen kann, weiß sie die Welt auf ihre Art zu erkunden. Denn Desirée ist eine Aprilhexe sie hat die wundersame Fähigkeit, ihren verkrüppelten Körper zu verlassen, hinter dem Auge eines Vogels Platz zu nehmen und den Tierkörper dazu zu zwingen, sich dorthin zu bewegen, wohin sie will: in die Welt ihrer Schwestern. Ihre drei Schwestern, die eigentlich ihre Pflegeschwestern sind, wissen nichts von ihrer Existenz. Doch eines Tages bekommt jede von ihnen einen Brief, der sie zwingt, sich mit ihrer Vergangenheit auseinanderzusetzen. Margareta, die Physikerin, Christina, die Ärztin, und Birgitta, die Alkoholikerin. Mit ihren anonymen Briefen legt Desirée den Finger auf Wunden, die noch längst
nicht verheilt sind ... Majgull Axelsson hat mit ihrem Buch nicht nur in Schweden Furore gemacht, sie eroberte auch das deutsche Publikum im Sturm. »Die Aprilhexe« ist eine faszinierende, äußerst spannende Geschichte; daneben spricht die Autorin zutiefst weibliche Themen an, elementare Erfahrungen, die Frauen nur all zu gut kennen, die ihnen jenseits aller sozialen, beruflichen und persönlichen Unterschiede vertraut und gemeinsam sind: die Konkurrenz zwischen Frauen, die Beziehung zwischen Müttern und Töchtern, die gesellschaftliche Ausgrenzung von Menschen, die irgendwie anders sind. Dies alles erzählt Axelsson anhand der Lebensgeschichte von vier Schwestern von denen nur die eine, die »Behinderte«, eine leibliche Tochter der gemeinsamen Mutter ist. Sie ist es auch »Desirée, die Ersehnte« , die sich auf einen Rachefeldzug gegen ihre drei Pflegeschwestern macht, weil sie herausfinden will, wer ihr die Liebe ihrer Mutter gestohlen hat, welches der drei Mädchen das Schicksal bekommen hat, das ihr zugedacht war ...
Autorenporträt
Majgull Axelsson, geboren 1947, ist eine der renommiertesten Journalistinnen Schwedens und erhielt mit dem Augustpriset die wichtigste Literaturauszeichnung ihres Landes. Axelsson, die Astrid Lindgren als ihr Vorbild bezeichnet, lebt mit ihrem Mann und ihren zwei Söhnen in Väsby.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 14.10.2000

Sanatorium Mittelmaß
Geschichte der Fürsorge: Majgull Axelssons Roman "Die Aprilhexe"

Es ist ein Paradox: Wer seinen Helden reduziert, sucht dessen Möglichkeiten zu erweitern. Man legt einen erschlafften Körper, der seiner Fähigkeit zur Interaktion beraubt ist, ins Sanatorium. Der eingeschränkte Patient muß kein Auto aus der Werkstatt holen, kein Essen machen oder überlegen, was er heute anzieht. Dafür wird sein Innenleben mit um so größerer Macht und Freiheit ausgestattet. So auch im Falle von Desirée. Sie liegt seit langem mit einer schweren Behinderung in einem schwedischen Provinzkrankenhaus und pustet ihre Mitteilungen an die Außenwelt mit einem Mundstück auf einen Computerbildschirm. Aber sie kann mehr als andere. Sie kann eine ungewöhnliche Beziehung zu Hubertsson, dem Arzt, aufbauen, die bei den frischgewaschenen Krankenschwestern, Vollstreckerinnen einer Mitleidsdiktatur, für Kopfschütteln sorgt. Und sie kann nach der John-Malkovich-Methode jene drei Frauen übersinnlich fernsteuern, die ihre Mutter nach der Verstoßung der Mißratenen mit der Fürsorge aufgezogen hat, die ihr selbst verwehrt wurde. Damit sind Desirée Möglichkeiten der Rache und zugleich dem Roman seine Handlungsfäden an die Hand gegeben.

Majgull Axelsson, die schon eine Reihe größerer Sozialreportagen veröffentlichte, hat sich auf ein literarisch nicht unerforschtes Terrain begeben. Nicht nur diktierte zuletzt Jean-Dominique Bauby mit seinem Augenlid den Bestseller "Schmetterling und Taucherglocke". Auch in Schweden hat bereits vor einigen Jahren "Kult"-Autor P. C. Jersild die menschliche Entkernung so weit getrieben, daß es ein in Nährlösung eingelegtes Gehirn war, das seine Hospitalisierungserfahrung schildern durfte. Doch Axelsson ist diesen Vorgaben gewachsen, und sie hat auch kein Spitalbuch geschrieben.

Die drei Nicht-so-ganz-Schwestern, die bei der asketischen und liebevollen Tante Ellen - Desirées Mutter - als Pflegekinder aufwuchsen, sind Musterfälle für die verschiedenen Grade des Erfolgs und der Bürgerlichkeit geworden. Christina, die Ärztin mit Hermès-Schal und Barbourjacke, die in Desirées Nähe arbeitet, ohne davon zu wissen, hat sich ein "postindustrielles Paradies" aufgebaut, ein Haus, in dem die Details der Farbgebung stimmen und das der durchaus geschätzte Ehemann in regelmäßigen Abständen für wissenschaftliche Konferenzen verläßt. Margareta kommt mit ihrer Doktorandenstelle in Physik irgendwie über die Runden und findet Christina, die schon bei Tante Ellen immer den Vorzug hatte, ziemlich spießig. Und dann ist da noch das Problem, das Birgitta heißt, eine gescheiterte Alkoholikerin, die nicht bloß den Behörden, sondern auch den anderen beiden mit ihrer Unverschämtheit zur Last fällt. Alle drei gehen sich aus dem Weg. Doch alle drei haben die Zeit bei Tante Ellen als unausweichlichen Bezugspunkt ihrer Vergangenheit, und noch einmal müssen sie sich ihm unter Desirées heimlichem Dirigat stellen.

So bewegen wir uns - auf dem langen, aber nie zähen Weg zum Höhepunkt - zwischen den drei so verschiedenen Frauen, dem Krankenbett und den Geschichten aus der Kindheit hin und her. Was dieser Mehrdimensionalität der Erzählung zu Schlüssigkeit verhilft, sind weniger die Zeitsprünge als das Geschick, mit dem die Perspektive Desirées, deren Dahinvegetieren sich dem Ende nähert, unsichtbar präsent gehalten wird. Auch sind ihre magischen Fähigkeiten derart sparsam eingesetzt, daß es nicht zu luftig zugeht. Durch diese Rücknahme erhält der Blick auf die geleistete und gescheiterte Fürsorge im sozialdemokratischen Schweden, zu der sich die persönlichen Episoden summieren, eine eigentümliche Spannung; gelegentliche Schwächen - wie die bisweilen hervorscheinende moralistische Behäbigkeit oder einige weniger gelungene Versuche des poetischen Vergleichs - werden im Fortgang des Ganzen seltsam unerheblich. Man wartet auf das Ende einer synoptischen Entwicklung, ohne daß man das einzelne als Verzögerung empfindet. Wir werden an einem Kampf um menschliche Anerkennung in einem System der Mediokrität beteiligt. Und am Ende gibt es keinen mehr, der sich selbst ausweichen kann.

Wenn man dem Buch - das, abgesehen von einigen Svedizismen ("Heimlichkeiten" statt "Geheimnisse"), flüssig übersetzt ist - etwas vorhalten kann, dann, daß es einerseits treffende Kritik an der gutgemeinten Sozialhygiene übt, andererseits aber selbst gleichsam Tätertypen entwirft - die spätere Alkoholikerin ist als Kind ungehorsam und als Heranwachsende in unangenehmer Folgerichtigkeit Prostituierte. Wo die Menschen zur Parabel des Sozialstaats werden, ist der Roman schwächer als dort, wo die unterschiedlichen Bezüge auf den Sozialstaat zur Parabel des Menschlichen werden. Und doch hat Majgull Axelsson, gerade auch in der Charakterzeichnung, eine bemerkenswertes Buch geschrieben, das weit mehr ist als der Frauenroman, den der Klappentext, je nach Perspektive, verheißt oder androht.

JOHAN SCHLOEMANN

Majgull Axelsson: "Die Aprilhexe". Roman. Aus dem Schwedischen übersetzt von Christel Hildebrandt. C. Bertelsmann Verlag, München 2000. 512 S., geb., 44,90 DM.

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