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Jerome konvertiert von der Gottesliebe zur körperlichen, die einer Frau gilt, dennoch ist auch seine Gottlosigkeit göttlichen Ursprungs, begehrt er eine keusche Ehe mit Theo.

Produktbeschreibung
Jerome konvertiert von der Gottesliebe zur körperlichen, die einer Frau gilt, dennoch ist auch seine Gottlosigkeit göttlichen Ursprungs, begehrt er eine keusche Ehe mit Theo.
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Autorenporträt
Pierre Klossowski, geboren 1905 in Paris, war ein französischer Schriftsteller, Übersetzer und Maler. Er verfasste zahlreiche Abhandlungen, u. a. über Marquis de Sade und Friedrich Nietzsche und fünf Erzählungen. Mit seinen Schriften beeinflusste er zahlreiche französische Denker, wie etwa Jacques Derrida, Gilles Deleuze, Jean-François Lyotard und Michel Foucault. Klossowski übersetzte zahlreiche Werke aus dem Deutschen und Lateinischen ins Französische, arbeitete an mehreren Filmen und illustrierte als Maler zahlreiche Szenen seiner Werke. In den 1930er-Jahren war er inhaltlich an George Batailles Magazin Acéphale beteiligt. Er starb 2001 in Paris.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 22.04.1998

Papier, so schwer wie Graphit
Ein Wundertier erzählt: Pierre Klossowskis aufgehobene Berufung

Wen kannte dieser Mann nicht alles! Rilke und Gide, die ihn förderten, Bataille und Benjamin, mit denen er befreundet war, Foucault, in dem er seinen besten Kommentator fand, Barthes, der mit seiner Frau vierhändig Klavier spielte, den Maler Balthus, der sein Bruder ist - was muß dieser Mensch, der in ein Dutzend Sprachen übersetzt wurde und dessen Zeichnungen in den großen Museen der Welt hängen, nicht für ein farbiges Wundertier sein. Pierre Klossowski, nur fünf Jahre jünger als das Jahrhundert, Kind aus einer Künstlerfamilie polnischen Ursprungs, geboren in Paris, aufgewachsen in Kassel, Berlin und Genf, ist einer der Zeitgenossen, von denen man sich vorstellt, daß sie nur irgend etwas aus ihrem Leben erzählen müssen, um von Zuhörern erdrückt zu werden. Und was man sich jedenfalls nicht vorstellt, ist das Gegenteil: ein Publikum, das mit den Stühlen rückt und den Saal verläßt, sobald das Wundertier zu reden beginnt.

Wenn es aus seinem ersten Roman vortragen würde, müßte es damit allerdings rechnen. Der Romancier Klossowski, denn auch das wird er ab seinem fünfundvierzigsten Lebensjahr, ist ein Fleisch gewordenes Beispiel dafür, daß Klugheit nicht aufkommen kann für etwas inkommensurables anderes, den Sinn für Literatur, der sich durch Intelligenz so wenig ersetzen läßt wie Musikalität durch scharfes Gehör. Klossowski hat Hamann, Kafka, Heidegger und Wittgenstein ins Französische übertragen, wozu er sie verstanden haben muß, aber was ihm fehlt, ist dieser eine Sinn. Das Ergebnis muß ausfallen wie "Die aufgehobene Berufung", sein erster 1950 veröffentlichter und jetzt wieder ausgegrabener Roman.

Klossowski erzählt darin, nicht ungeschützt und unmaskiert, aber so nah an der versetzten Autobiographie, daß er selbst von einem Schlüsselroman sprach, von seiner religiösen Krise im Frankreich Vichys. Als Novize bei den Dominikanern war er 1944 zum Protestantismus übergetreten, hatte ein Jahr darauf wieder abgeschworen und 1947 geheiratet, wie seine Hauptfigur Jérôme, der den Roman mit Frau verläßt.

Die religiöse Selbsterforschung, die in der aufgehobenen Berufung endet, spielt vor dem Hintergrund sich bekämpfender innerkatholischer Geheimgrüppchen, mit Anspielungen auf den Klerus Pétains und die Résistance, einer ominösen Schwarzen Partei, abtrünnigen Inquisitoren und Knabenliebhabern, die ihre Sünde im Marienkult sublimieren. Einige der Vorbilder hat Klossowski später benannt, und wenn Historiker daraus ihren Nutzen ziehen mögen, so ist damit wenigstens jemandem gedient.

Der gewöhnliche Leser nämlich hat nichts davon, obwohl die Formidee der "Aufgehobenen Berufung" geradewegs von Borges sein könnte. Klossowski erzählt seine Geschichte nicht plan daher, sondern schreibt die Besprechung eines anonym erschienenen Buches, dessen Nacherzählung und nicht immer freundliche Beurteilung sich zu dem Roman zusammenschließen, den der Untertitel reklamiert. Borges zu nennen, wenn man Klossowski lesen muß - das erinnert aber leider etwa an die Anfangsszene von "Stardust Memories", wenn der Held es nicht mehr schafft, aus seinem von tristen Greisen überfüllten Zugabteil auszusteigen und den Nachbarzug, aus dem ihm Schönheit und Leben Kußmünder zuwerfen, für immer abfahren sieht.

Dieser Roman ist alles mögliche: subtil, raffiniert, tiefsinnig, vor allem aber ist er eines: niederschmetternd langweilig, von einem lähmenden Antimagnetismus, wie man ihn von ausführlich erzählten Träumen kennt, die nur der Träumer spannend findet; eine Privat-Allegorie mit vielen hysterischen Kursivierungen, ohne eine einzige lebendige Figur, ohne ein sinnliches Detail, ohne Farbe und Geruch und jede einzelne der hundert Seiten so schwer und grau, daß man beim Umblättern meint, Graphitplatten zu hieven. Klossowski ist klug genug, die Kritik vorwegzunehmen und seinen fiktiven Verfasser immer wieder zu tadeln, aber das rettet ihn sowenig wie das Nachwort - Manna nach der Strapaze des Romans -, das auch nur erklären kann, hier werde ein Gelübde gebrochen, das der Erzählung, und ein Opfer bleibe zurück, der Roman als Form.

Von welchem Leser darf man verlangen, einem solchen Opfergang zu folgen? Von keinem, der nicht gerade die Frage untersucht, ob mit dem spanischen Maler Salvador Dalí gemeint sein könnte oder mit dem herrischen Sektenführer am Rande auch Stefan George, wofür manches spricht (wenn auch, entgegen erstem Anschein, nicht die Statue Maximin, bei der Klossowski an sein Kloster Saint-Maximin gedacht haben wird).

Von solchen Entschlüsselungen abgesehen, kann es fast nur historisches und nicht literarisches Interesse sein, was den Leser in diese Wüste lockt. Und an ebendieses, das historische Interesse, wendet sich auch der Anhang, der diese Ausgabe dann doch wieder lesenswert macht. Es ist ein kleiner Essay von Hans Blüher "Die Gründung des 3. Reiches", den der Verlag ohne Quellenangabe oder erläuternden Zusatz hinter dem Nachwort abdruckt, pour meubler, und der mit Klossowskis Roman nur durch ein gemeinsames Thema verbunden ist, das der geheimbündlerischen Homosexualität in der Diktatur.

Blüher überwindet seinen Widerwillen, über Hitler zu schreiben, weil er zur Lösung der vielen Rätsel um den blutroten Kometen, wie er sich ausdrückt, einige Fakta bekanntzugeben habe - "ein wahrhaft satanisches Schauspiel, das jedoch nur die Sachkenner wahrnehmen". Kenner der Sache, die Blüher erörtert, war Ernst Röhm, der ihm 1933 in Trier unter dem Einfluß von Moselwein und schönen Ordonnanzen Schlagendes über Hitlers intimes Leben und Einstellung zum Inversionsphänomen erzählt habe. Hitlers mannmännliches Denken, so Blüher, seine frühe Hinneigung zum Männerbund und völlige Indifferenz Frauen gegenüber - "Hitler als Familienvater ist unvorstellbar" - unterlägen keinem Zweifel. Seine Leibstandarte, das seien ja Modelle gewesen, würdig der großen griechischen Bildhauer, nach denen die Breker und Kolbe ihre nackten Bronzekrieger gegossen hätten, "die seine Räume und wohl auch seine Träume bevölkerten".

Wie Röhm verlauten ließ (Kenner der Werke Freuds, wie man dabei erfährt), habe Hitler jedoch einen unbewußten Verdrängungsprozeß durchgemacht, was ihm, "einem anscheinend kongenitalen Impotenten, wohl nicht schwergefallen sei". Schließlich, als die Impotenz durch den riesigen Männerbund zur Macht getragen wird, die satanische Enttäuschung: statt der Beseitigung des Paragraphen 175, auf die man allenthalben gesetzt habe, das Gegenteil, die verschärfte Verfolgung der Homosexuellen, mit Ausnahme der durch geheime Sonderverfügungen begünstigten Gefolgsmänner und der Hitlerjugend; ein Geheimnis, das bald ein offenes gewesen und in Paris mit viel Esprit glossiert worden sei. (Blüher nennt die hier einschlägigen Hitler-Phantasien Jean Genets in "Pompes funèbres", über die kürzlich Gescheites im "Merkur" zu lesen war). Röhm aber, der den Männerbund organisiert hatte - und den Blüher mit dem Ausspruch zitiert: "Jude hin, Jude her, jeder mannhafte anständige Urning ist mein Bruder!" -, wurde nach der Machtergreifung als lästiger Mitwisser beseitigt. - Dies Hans Blüher, den auch Thomas Mann hochschätzte, zu dessen Bruder Hitler.

Es ist noch der erhellendste Teil eines Buches, das von seinen Schwarzen Kutten und Parteien anders erzählen sollte als grau in grau, wenn es Leser an der Bemerkung hindern wollte, daß es sein Gewicht in Blei wert sei. MICHAEL MAAR

Pierre Klossowski: "Die aufgehobene Berufung". Roman. Aus dem Französischen übersetzt von Peter Süß mit einem Nachwort von Andreas Pfersmann. Matthes & Seitz Verlag, München 1997. 137 S., geb., 58,- DM.

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