Perlentaucher-Notiz zur ZEIT-Rezension
Das Faszinierende an James Freys "Endgame" ist sicherlich nicht der Roman selbst, so Sven Stillich, der erste Teil der Trilogie ist bestenfalls mittelmäßig, in seiner überbordenden Brutalität und seiner Betonung des Völkischen oft sogar ziemlich krude, findet der Rezensent. Zwölf Jugendliche unterschiedlicher Völker wurden von Kindesbeinen an zu Mördern ausgebildet, als zwölf Meteoriten auf der Erde einschlagen, beginnt der Kampf um das Überleben des je eigenen Volkes zwischen ihnen, das Endgame, fasst Stillich zusammen, jeder hat seine holzschnittartigen Fähigkeiten und die allermeisten Handlungen bestehen nur im Ausführen ebendieser. "Endgame" ist aber mehr als ein Buch, weiß der Rezensent, es ist ein multimediales Projekt, ein "Buch-Film-Handyspiel-3-Millionen-Dollar-Rätsel-Internet-Projekt". Die Filmrechte waren schon vor der Veröffentlichung verkauft, Google arbeitet an einer möglichst innovativen Spielvariante, und in allen Büchern werden Unmengen von Rätseln versteckt, deren Lösung große Geldsummen verheißen, erklärt Stillich, der trotz aller Kritik am Buch ahnt, dass Frey wahrscheinlich einen Bestseller programmiert hat.
© Perlentaucher Medien GmbH
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 31.12.2014Mit aller Gewalt
Wie brutal darf ein Jugendbuch eigentlich sein?
Wer sich mit Kinder- und Jugendbüchern beschäftigt, konnte in den Jahren seit "Harry Potter" eine verblüffende Entwicklung feststellen: Die Literatur für junge Leser hat längst auch die älteren erreicht, Jugendbücher wie aktuell John Greens "Das Schicksal ist ein mieser Verräter" oder Kerstin Giers Zeitreisetrilogie ("Rubinrot") gelten auch in den Händen Erwachsener nicht als Anzeichen von Zurückgebliebenheit, und auf dem Buchmarkt besitzt dieses Genre ein Gewicht, von dem man früher nicht zu träumen wagte.
Seit allerdings allen klar ist, dass man mit diesen Büchern sehr viel Geld verdienen kann, spült dies auch eine Reihe unerfreulicher Erscheinungen auf die Verkaufsstapel in Kassennähe: geistlose, elend geschriebene Dutzendware, die sich inhaltlich besonders gern an bereits erfolgreiche Titel anlehnt. Das kann man achselzuckend hinnehmen und fragen, warum eigentlich die Verleger von Kinderbüchern ihre Kunden besser behandeln sollten als ihre Kollegen aus dem Erwachsenensegment, denen ja auch stapelweise Unfug angeboten wird. Oder man kann auf die besondere Verantwortung derer pochen, die es mit einer jungen, neugierigen und verführbaren Leserschaft zu tun haben.
Genau deshalb kann man auch, wie ein Kritiker kürzlich im Deutschlandfunk, den ehrwürdigen Oetinger Verlag fragen, was man sich dort dabei gedacht hat, als man den Roman "Endgame" von James Frey ins Programm genommen hat. Es geht darin um einen seltsamen Wettstreit zwischen zwölf auserwählten Jugendlichen, deren über den Erdball verstreut lebende Familien vor Jahrtausenden von Außerirdischen mit einer Art Geheimwissen ausgestattet worden sind. Seitdem trainieren in jeder Generation neu die Jugendlichen allerlei kognitive und körperliche Fähigkeiten, die ihnen dabei helfen sollen, die anderen Teilnehmer des Endspiels aus dem Weg zu räumen - so die Prophezeiung.
Lustig wäre nun die Schilderung all der vergeblichen Trainingsmühe über die Jahrtausende hinweg, und verplappern darf sich ja auch keiner. Aber mit Humor hat es James Frey nicht so. Deshalb setzt "Endgame" erst ein, als Kometeneinschläge - darunter tut der Autor es nicht - das Startsignal für den finalen Wettkampf geben. Die zwölf Kämpferinnen und Kämpfer werden zum selben Ort einbestellt. Wer gewinnt, dessen Angehörigen sollen ein kommendes Inferno überleben. Die Familien der anderen nicht.
Die fraglos hanebüchene Geschichte nimmt sich leider schrecklich ernst und entwickelt so auch keinen splatterhaften Charme als Groteske. Natürlich stecken darin haufenweise Versatzstücke der Populärkultur, allem voran die "Tribute von Panem" von Suzanne Collins mit dem Kampf der Abgesandten aus zwölf Bezirken, von denen nur einer überleben darf - auch die weibliche Heldin, die eigentlich nicht kämpfen mag und zwischen zwei Männern steht, von denen der eine zupackt, der andere zögert, findet ihre Entsprechung in Freys Roman. Seine Heldin löst das Problem, in dem sie den sanfteren ihrer Liebhaber tötet.
Doch am auffallendsten ist "Endgame" durch den miserablen Stil. Frey - der einem größeren Publikum mit einem autobiographischen Roman bekannt wurde, der sehr viel weniger autobiographisch war als gedacht - heischt mit jeder Zeile um die emotionale Reaktion des Lesers, unterbricht den Lesefluss fortwährend durch Absätze, die der Sache wahrscheinlich Wucht verleihen sollen, aber sehr rasch langweilen, und reiht ein Klischee ans andere. Ernst nehmen müsste man so etwas nicht, und auch die crossmediale Kampagne, die das Buch in Form von Filmchen, Websites und einem Gewinnspiel um eine halbe Million Dollar unterstützen soll, hat "Endgame" noch nicht nachhaltig im oberen Bereich der Bestsellerlisten etabliert.
Dass der Roman dennoch eine gewisse Beachtung erfährt, liegt dann auch an der explizit geschilderten Gewalt, die das Buch durchzieht. Frey - oder ein gewisser Nils Johnson-Shelton, der mitgeschrieben hat - kriegt sich gar nicht mehr ein vor lauter Knochenbrechen, Halsaufschlitzen, Fingerabsäbeln und dergleichen mehr. "Endgame" könnte so im Kontext der aktuellen Diskussion um Gewaltdarstellungen im Jugendbuch gelesen werden und so mit Büchern wie "Bunker Diary" von Kevin Brooks oder Friedrich Anis "Die unterirdische Sonne" verglichen werden - in beiden Büchern, die im Frühjahr erschienen sind, geht es um Menschen, die gefangen gehalten und auf entsetzliche Weise gequält werden, und beide gerieten deshalb in die Kritik.
Der Unterschied ist freilich, dass uns die Protagonisten von Ani und Brooks nahegehen, weil wir sie als Menschen erleben, während Freys Kampfmaschinen kaum plastischer als Spielkarten sind. Bildungsforscher betonen gern das Vermögen von Jugendlichen, zwischen Fiktion und Realität besser unterscheiden zu können, als Eltern sich das vorstellen. Man möchte hinzufügen: Sie können auch zwischen gut und miserabel unterscheiden, zwischen spannend und gähnend langweilig.
TILMAN SPRECKELSEN
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Wie brutal darf ein Jugendbuch eigentlich sein?
Wer sich mit Kinder- und Jugendbüchern beschäftigt, konnte in den Jahren seit "Harry Potter" eine verblüffende Entwicklung feststellen: Die Literatur für junge Leser hat längst auch die älteren erreicht, Jugendbücher wie aktuell John Greens "Das Schicksal ist ein mieser Verräter" oder Kerstin Giers Zeitreisetrilogie ("Rubinrot") gelten auch in den Händen Erwachsener nicht als Anzeichen von Zurückgebliebenheit, und auf dem Buchmarkt besitzt dieses Genre ein Gewicht, von dem man früher nicht zu träumen wagte.
Seit allerdings allen klar ist, dass man mit diesen Büchern sehr viel Geld verdienen kann, spült dies auch eine Reihe unerfreulicher Erscheinungen auf die Verkaufsstapel in Kassennähe: geistlose, elend geschriebene Dutzendware, die sich inhaltlich besonders gern an bereits erfolgreiche Titel anlehnt. Das kann man achselzuckend hinnehmen und fragen, warum eigentlich die Verleger von Kinderbüchern ihre Kunden besser behandeln sollten als ihre Kollegen aus dem Erwachsenensegment, denen ja auch stapelweise Unfug angeboten wird. Oder man kann auf die besondere Verantwortung derer pochen, die es mit einer jungen, neugierigen und verführbaren Leserschaft zu tun haben.
Genau deshalb kann man auch, wie ein Kritiker kürzlich im Deutschlandfunk, den ehrwürdigen Oetinger Verlag fragen, was man sich dort dabei gedacht hat, als man den Roman "Endgame" von James Frey ins Programm genommen hat. Es geht darin um einen seltsamen Wettstreit zwischen zwölf auserwählten Jugendlichen, deren über den Erdball verstreut lebende Familien vor Jahrtausenden von Außerirdischen mit einer Art Geheimwissen ausgestattet worden sind. Seitdem trainieren in jeder Generation neu die Jugendlichen allerlei kognitive und körperliche Fähigkeiten, die ihnen dabei helfen sollen, die anderen Teilnehmer des Endspiels aus dem Weg zu räumen - so die Prophezeiung.
Lustig wäre nun die Schilderung all der vergeblichen Trainingsmühe über die Jahrtausende hinweg, und verplappern darf sich ja auch keiner. Aber mit Humor hat es James Frey nicht so. Deshalb setzt "Endgame" erst ein, als Kometeneinschläge - darunter tut der Autor es nicht - das Startsignal für den finalen Wettkampf geben. Die zwölf Kämpferinnen und Kämpfer werden zum selben Ort einbestellt. Wer gewinnt, dessen Angehörigen sollen ein kommendes Inferno überleben. Die Familien der anderen nicht.
Die fraglos hanebüchene Geschichte nimmt sich leider schrecklich ernst und entwickelt so auch keinen splatterhaften Charme als Groteske. Natürlich stecken darin haufenweise Versatzstücke der Populärkultur, allem voran die "Tribute von Panem" von Suzanne Collins mit dem Kampf der Abgesandten aus zwölf Bezirken, von denen nur einer überleben darf - auch die weibliche Heldin, die eigentlich nicht kämpfen mag und zwischen zwei Männern steht, von denen der eine zupackt, der andere zögert, findet ihre Entsprechung in Freys Roman. Seine Heldin löst das Problem, in dem sie den sanfteren ihrer Liebhaber tötet.
Doch am auffallendsten ist "Endgame" durch den miserablen Stil. Frey - der einem größeren Publikum mit einem autobiographischen Roman bekannt wurde, der sehr viel weniger autobiographisch war als gedacht - heischt mit jeder Zeile um die emotionale Reaktion des Lesers, unterbricht den Lesefluss fortwährend durch Absätze, die der Sache wahrscheinlich Wucht verleihen sollen, aber sehr rasch langweilen, und reiht ein Klischee ans andere. Ernst nehmen müsste man so etwas nicht, und auch die crossmediale Kampagne, die das Buch in Form von Filmchen, Websites und einem Gewinnspiel um eine halbe Million Dollar unterstützen soll, hat "Endgame" noch nicht nachhaltig im oberen Bereich der Bestsellerlisten etabliert.
Dass der Roman dennoch eine gewisse Beachtung erfährt, liegt dann auch an der explizit geschilderten Gewalt, die das Buch durchzieht. Frey - oder ein gewisser Nils Johnson-Shelton, der mitgeschrieben hat - kriegt sich gar nicht mehr ein vor lauter Knochenbrechen, Halsaufschlitzen, Fingerabsäbeln und dergleichen mehr. "Endgame" könnte so im Kontext der aktuellen Diskussion um Gewaltdarstellungen im Jugendbuch gelesen werden und so mit Büchern wie "Bunker Diary" von Kevin Brooks oder Friedrich Anis "Die unterirdische Sonne" verglichen werden - in beiden Büchern, die im Frühjahr erschienen sind, geht es um Menschen, die gefangen gehalten und auf entsetzliche Weise gequält werden, und beide gerieten deshalb in die Kritik.
Der Unterschied ist freilich, dass uns die Protagonisten von Ani und Brooks nahegehen, weil wir sie als Menschen erleben, während Freys Kampfmaschinen kaum plastischer als Spielkarten sind. Bildungsforscher betonen gern das Vermögen von Jugendlichen, zwischen Fiktion und Realität besser unterscheiden zu können, als Eltern sich das vorstellen. Man möchte hinzufügen: Sie können auch zwischen gut und miserabel unterscheiden, zwischen spannend und gähnend langweilig.
TILMAN SPRECKELSEN
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 14.11.2014Zocker-Aliens als Götter
Verwertungskette mit Story: James Frey legt mit „Die Auserwählten“ einen so uninspirierten
Trilogie-Auftakt vor, dass man fürchten muss, das Buch ist nur Anlass für das Merchandising dahinter
VON BERND GRAFF
James Frey hat ein so erstaunlich schlechtes Buch geschrieben, dass man sich fragt, ob überhaupt er es geschrieben hat oder ob nicht vielmehr ein tollwütig gewordenes Computerprogramm für grobe Filmhandlung den Job übernommen hat. Endgame ist nicht nur der Titel der nun begonnenen Buch-Trilogie von Frey, sondern der Sammelname für eine von ihm weltweit gestartete Merchandise-Linie, die Gewinnspiel, Smartphone-App, Handyspiel, Hörbuch, Social-Media-Event, Filmtrilogie, E-Book und Mythen-Guide für Anfänger umfasst.
Grob an seiner Verwertungskette mit Story ist, dass zwar gängige Ingredienzen für Action, Fantasy, Sci-Fi, Romance und Thriller darin enthalten sind, aber alle gleichzeitig und völlig verquer gemixt. Endgame ist so plausibel wie „Breaking Bad“ mit Zombies, so romantisch wie die „Vampire Diaries“ mit Ninja Turtles und so brutal wie „Game of Thrones“ im Nadelstreifenanzug des Hier und Jetzt.
Es passt nichts zusammen. Doch damit will Frey die Jugend des Planeten nicht nur hinter ihren Smartphones hervorlocken, sondern auch gleich auf die Jagd nach 500 000 Dollar in realen Goldmünzen schicken, die er in „Caesars Palace“, Las Vegas, aufgeschüttet hat. Über eine Webcam kann man dem Gold dort schon beim Funkeln zuschauen. Irgendwer wird es gewinnen. Denn die Endgame-Produktwelt (Webseite) wie die „Regeln und Verordnungen“ der Teilnahmebedingungen für uns Normalsterbliche sind ganz real.
Anders als das blutige, von Zocker-Aliens angezettelte Endspiel um unseren Planeten. Der erste Teil der Trilogie lässt „Die Auserwählten“, so der Titel, aufeinanderprallen und gegeneinander antreten. Es sind zwölf Jugendliche aus aller Herren Länder im Alter zwischen 13 und 20 Jahren, deren Familien bereits vor Äonen von jenen Außerirdischen ausgesucht wurden, die wir Dummerchen für Gott und Götter halten. Der Prä-Astronaut Erich von Däniken lässt da schön grüßen, wie übrigens auch Suzanne Collins. Letztere ist die Verfasserin der „Tribute von Panem“, die schon 2008 Jugendliche aus zwölf fiktiven Distrikten gegeneinander antreten ließ. Freys munteres (und nur anscheinend munter abgekupfertes) Dutzend soll dagegen aus unserer Wirklichkeit stammen. Es wird von den Letzten ihrer Blutlinien bestückt, und die amerikanische Vertreterin Sarah Alopay soll schon seit 30 000 Jahren im Besitz eines Steines sein, der nun mit dem Endgame seine wahre Bedeutung enthüllt. Vor 30 000 Jahren löste hienieden der Cro-Magnon-Mensch den Neandertaler ab, es entstanden die ersten Höhlenmalereien. Mehr als erstaunlich also, dass eine Amerikanerin über ein bis dahin rückdatierbares, lückenlos überliefertes Familienerbstück verfügen soll, zumal ja eine Übersiedlung ihrer Vorfahren auf den amerikanischen Kontinent erfolgt sein muss.
Plausibilität im Plot ist die Sache des Endgame nicht, für reichlich Irrealität sorgt schon die Tatsache, dass der Startschuss zu diesem Finale von zwölf gleichzeitig auf die Erde niedergehenden Meteoren gegeben wird, deren drohende Einschläge allerdings niemand zuvor bemerkt oder gar vorausberechnet hat. Doch kaum sind die glühenden Klötze runter, beginnt in den Köpfen der Kombattanten ein düster-ahnungsvolles Endzeit-Raunen, das wohl das tragische Gewicht ihrer dann brutal-archaisch geführten Ausscheidungskämpfe belegen soll. Worum es geht, ist wumpe, wer die Kämpfe gewinnt, auch. Wer sie verliert, sowieso.
Man will sich einfach nicht dafür interessieren. Denn abenteuerlich an diesem Buch ist nur, wie schlecht und uninspiriert es geschrieben ist. Dem Firlefanz drumherum scheint größere Sorgfalt gewidmet worden zu sein. Für die mit Endgame verbundene Goldhatz ist nicht der Buchverlag Friedrich Oetinger verantwortlich, sondern die in Kalifornien ansässige Futuruption LLC, die den Quatsch eine „Puzzle Hunt Experience“ nennt. Gute Erfahrung dann noch!
James Frey: Endgame. Die Auserwählten. Aus dem Amerikanischen von Felix Darwin. Oetinger 2014. 592 Seiten, 19,99 Euro.
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
Verwertungskette mit Story: James Frey legt mit „Die Auserwählten“ einen so uninspirierten
Trilogie-Auftakt vor, dass man fürchten muss, das Buch ist nur Anlass für das Merchandising dahinter
VON BERND GRAFF
James Frey hat ein so erstaunlich schlechtes Buch geschrieben, dass man sich fragt, ob überhaupt er es geschrieben hat oder ob nicht vielmehr ein tollwütig gewordenes Computerprogramm für grobe Filmhandlung den Job übernommen hat. Endgame ist nicht nur der Titel der nun begonnenen Buch-Trilogie von Frey, sondern der Sammelname für eine von ihm weltweit gestartete Merchandise-Linie, die Gewinnspiel, Smartphone-App, Handyspiel, Hörbuch, Social-Media-Event, Filmtrilogie, E-Book und Mythen-Guide für Anfänger umfasst.
Grob an seiner Verwertungskette mit Story ist, dass zwar gängige Ingredienzen für Action, Fantasy, Sci-Fi, Romance und Thriller darin enthalten sind, aber alle gleichzeitig und völlig verquer gemixt. Endgame ist so plausibel wie „Breaking Bad“ mit Zombies, so romantisch wie die „Vampire Diaries“ mit Ninja Turtles und so brutal wie „Game of Thrones“ im Nadelstreifenanzug des Hier und Jetzt.
Es passt nichts zusammen. Doch damit will Frey die Jugend des Planeten nicht nur hinter ihren Smartphones hervorlocken, sondern auch gleich auf die Jagd nach 500 000 Dollar in realen Goldmünzen schicken, die er in „Caesars Palace“, Las Vegas, aufgeschüttet hat. Über eine Webcam kann man dem Gold dort schon beim Funkeln zuschauen. Irgendwer wird es gewinnen. Denn die Endgame-Produktwelt (Webseite) wie die „Regeln und Verordnungen“ der Teilnahmebedingungen für uns Normalsterbliche sind ganz real.
Anders als das blutige, von Zocker-Aliens angezettelte Endspiel um unseren Planeten. Der erste Teil der Trilogie lässt „Die Auserwählten“, so der Titel, aufeinanderprallen und gegeneinander antreten. Es sind zwölf Jugendliche aus aller Herren Länder im Alter zwischen 13 und 20 Jahren, deren Familien bereits vor Äonen von jenen Außerirdischen ausgesucht wurden, die wir Dummerchen für Gott und Götter halten. Der Prä-Astronaut Erich von Däniken lässt da schön grüßen, wie übrigens auch Suzanne Collins. Letztere ist die Verfasserin der „Tribute von Panem“, die schon 2008 Jugendliche aus zwölf fiktiven Distrikten gegeneinander antreten ließ. Freys munteres (und nur anscheinend munter abgekupfertes) Dutzend soll dagegen aus unserer Wirklichkeit stammen. Es wird von den Letzten ihrer Blutlinien bestückt, und die amerikanische Vertreterin Sarah Alopay soll schon seit 30 000 Jahren im Besitz eines Steines sein, der nun mit dem Endgame seine wahre Bedeutung enthüllt. Vor 30 000 Jahren löste hienieden der Cro-Magnon-Mensch den Neandertaler ab, es entstanden die ersten Höhlenmalereien. Mehr als erstaunlich also, dass eine Amerikanerin über ein bis dahin rückdatierbares, lückenlos überliefertes Familienerbstück verfügen soll, zumal ja eine Übersiedlung ihrer Vorfahren auf den amerikanischen Kontinent erfolgt sein muss.
Plausibilität im Plot ist die Sache des Endgame nicht, für reichlich Irrealität sorgt schon die Tatsache, dass der Startschuss zu diesem Finale von zwölf gleichzeitig auf die Erde niedergehenden Meteoren gegeben wird, deren drohende Einschläge allerdings niemand zuvor bemerkt oder gar vorausberechnet hat. Doch kaum sind die glühenden Klötze runter, beginnt in den Köpfen der Kombattanten ein düster-ahnungsvolles Endzeit-Raunen, das wohl das tragische Gewicht ihrer dann brutal-archaisch geführten Ausscheidungskämpfe belegen soll. Worum es geht, ist wumpe, wer die Kämpfe gewinnt, auch. Wer sie verliert, sowieso.
Man will sich einfach nicht dafür interessieren. Denn abenteuerlich an diesem Buch ist nur, wie schlecht und uninspiriert es geschrieben ist. Dem Firlefanz drumherum scheint größere Sorgfalt gewidmet worden zu sein. Für die mit Endgame verbundene Goldhatz ist nicht der Buchverlag Friedrich Oetinger verantwortlich, sondern die in Kalifornien ansässige Futuruption LLC, die den Quatsch eine „Puzzle Hunt Experience“ nennt. Gute Erfahrung dann noch!
James Frey: Endgame. Die Auserwählten. Aus dem Amerikanischen von Felix Darwin. Oetinger 2014. 592 Seiten, 19,99 Euro.
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