Eines Morgens wird von sämtlichen Sendern gemeldet: Eine extraterrestrische Macht hat über Nacht die Erde erobert. Nach der ersten allgemeinen Panik sickern Neuigkeiten durch: Die Außerirdischen sind sanftmütig; sie meiden scheu jeden Kontakt; sie bringen Aufschwung und Frieden. Da ist nur ein kleiner Haken - sie bitten um Menschenopfer auf freiwilliger Basis.
Überall werden Spiele ausgerichtet, um die Auserwählten zu bestimmen. Wer mitmacht, dem winken enorme finanzielle Vorteile. Sol, Mitbegründer eines Online-Magazins, ist mit einer rasch etablierten Talkshow dicht dran an den Ereignissen. Als sich aber sein junger Nachbar Elliot als Kandidat für die Spiele meldet, stellt das Sol und seine Frau Astrid auf die Probe: Wer ist mitschuldig, wer profitiert, wer begehrt auf?
Überall werden Spiele ausgerichtet, um die Auserwählten zu bestimmen. Wer mitmacht, dem winken enorme finanzielle Vorteile. Sol, Mitbegründer eines Online-Magazins, ist mit einer rasch etablierten Talkshow dicht dran an den Ereignissen. Als sich aber sein junger Nachbar Elliot als Kandidat für die Spiele meldet, stellt das Sol und seine Frau Astrid auf die Probe: Wer ist mitschuldig, wer profitiert, wer begehrt auf?
» ... eine böse und unterhaltsame Gesellschaftssatire.« Nina Apin taz. die tageszeitung 20171022
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 13.09.2017Die Hölle sind wir
Doron Rabinovicis Roman "Die Außerirdischen"
Es scheint, als habe man diese Katastrophe herbeigesehnt, von der lange niemand weiß, ob sie wirklich eine ist. Um sieben Uhr morgens verkündet das Radio dem Gastrokritiker Sol die Landung von Außerirdischen, und bereits um diese schlaftrunkene Zeit wissen die außergewöhnlich gut informierten Moderatoren, dass es sich um menschenähnliche, hochzivilisierte Besucher handeln muss. Als Sol vor die Tür tritt, ist die Welt in heller Aufregung. Eine kopflose Menschheit rennt Türen und Läden ein, und noch immer hat in dem Roman des israelischen Schriftstellers Doron Rabinovici niemand die titelgebenden "Außerirdischen" gesehen.
Es folgt eine kleine Enttäuschung, denn der erste und einzige Auftritt der kosmischen Besucher vor Stars und Würdenträgern dieser Welt beschränkt sich auf die schlichte Botschaft: Wir wollen so sein wie ihr. Im Taumel der Eigenliebe und Erleichterung begreift die Menschheit den Doppelsinn der Aussage nicht. Wenig später schreiben die menschenscheuen Gäste jedoch Gladiatoren-Spiele aus, die dem Ekel-TV den Rang ablaufen. Den Siegern winken sagenhafter Reichtum und kosmischer Ruhm, die Verlierer werden wie Vieh auf die Schlachtbank geführt. Das wirft natürlich moralische Fragen auf, besonders für Sol, dessen Online-Kochmagazin sich mit erstaunlichem Geschick die Senderechte für das morbide Weltspektakel sichert. Die mediale Maschinerie läuft sich warm, die Spirale aus Geschäftemacherei und Sensationslust dreht sich schnell und schneller. Die üblichen Argumente werden ausgetauscht: Der Vegetarismus ist der Stachel im Fleisch der Bedenkenträger, die meinen, Menschen dürfe man doch nicht schlachten. Medienmacher meinen sich glimpflich aus der Affäre zu ziehen, indem sie kritisch über ein Geschehen berichten, das ihnen exorbitante Quoten beschert. Denn längst ist klar: Dieser Zug ist nicht aufzuhalten, also schließe man sich ihm besser an.
Was die Außerirdischen antreibt, ist unklar. Ist es der Appetit auf menschliches Fleisch? Betreiben sie ein psychologisches Experiment mit Ruhmsucht und Opferkult? Haben sie zu viel Privatfernsehen geschaut? Die Spekulationsblase schwillt auch ohne ihr Zutun. Eine kosmisch erschütterte Menschheit verspricht sich von ihren Gästen ein Leben ohne Not und teilt schon einmal den Weltraum weltwirtschaftswachstumsfördernd unter sich auf, während die unterlegenen Gladiatoren auf einer Palmeninsel einer perfiden Tötungsmaschinerie ins Auge sehen. Dort hat sich eine mörderische Schlachtindustrie etabliert, die in Brutalität und Menschenverachtung an NS-Konzentrationslager heranreicht. Auf wessen Betreiben, ist schwer zu sagen. Das Böse bleibt anonym. Und die Menschheit weiß es nicht oder will es nicht sehen.
Doron Rabinovici erzählt diese grelle satirische Parabel mit gnadenloser Zuspitzung und derartigem Ungestüm, dass ihm die Erzählfäden oft aus der Hand gleiten. Schlagfertig und witzig ist das Buch, wo es die Irrungen und Windungen einer ökonomisch getriebenen Menschheitsmoral beschreibt. Doch Rabinovicis psychologisch und atmosphärisch schwach ausgeleuchtete Erzählgalaxie kreist selbst wie ein Raumschiff über der Erde. Die Ereignisse überschlagen sich in jeder Zeile und sind doch so absehbar, dass der Leser die Moral der Geschichte lang vor dem Ende verstanden hat. Braucht es überhaupt den Besuch aus dem All, um das Böse aus uns hervorzulocken? Zumindest braucht ihn dieses sensationslüsterne Buch.
THOMAS THIEL.
Doron Rabinovici: "Die Außeriridischen".
Roman. Suhrkamp Verlag, Berlin 2017.
255 S., geb. 22,- [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Doron Rabinovicis Roman "Die Außerirdischen"
Es scheint, als habe man diese Katastrophe herbeigesehnt, von der lange niemand weiß, ob sie wirklich eine ist. Um sieben Uhr morgens verkündet das Radio dem Gastrokritiker Sol die Landung von Außerirdischen, und bereits um diese schlaftrunkene Zeit wissen die außergewöhnlich gut informierten Moderatoren, dass es sich um menschenähnliche, hochzivilisierte Besucher handeln muss. Als Sol vor die Tür tritt, ist die Welt in heller Aufregung. Eine kopflose Menschheit rennt Türen und Läden ein, und noch immer hat in dem Roman des israelischen Schriftstellers Doron Rabinovici niemand die titelgebenden "Außerirdischen" gesehen.
Es folgt eine kleine Enttäuschung, denn der erste und einzige Auftritt der kosmischen Besucher vor Stars und Würdenträgern dieser Welt beschränkt sich auf die schlichte Botschaft: Wir wollen so sein wie ihr. Im Taumel der Eigenliebe und Erleichterung begreift die Menschheit den Doppelsinn der Aussage nicht. Wenig später schreiben die menschenscheuen Gäste jedoch Gladiatoren-Spiele aus, die dem Ekel-TV den Rang ablaufen. Den Siegern winken sagenhafter Reichtum und kosmischer Ruhm, die Verlierer werden wie Vieh auf die Schlachtbank geführt. Das wirft natürlich moralische Fragen auf, besonders für Sol, dessen Online-Kochmagazin sich mit erstaunlichem Geschick die Senderechte für das morbide Weltspektakel sichert. Die mediale Maschinerie läuft sich warm, die Spirale aus Geschäftemacherei und Sensationslust dreht sich schnell und schneller. Die üblichen Argumente werden ausgetauscht: Der Vegetarismus ist der Stachel im Fleisch der Bedenkenträger, die meinen, Menschen dürfe man doch nicht schlachten. Medienmacher meinen sich glimpflich aus der Affäre zu ziehen, indem sie kritisch über ein Geschehen berichten, das ihnen exorbitante Quoten beschert. Denn längst ist klar: Dieser Zug ist nicht aufzuhalten, also schließe man sich ihm besser an.
Was die Außerirdischen antreibt, ist unklar. Ist es der Appetit auf menschliches Fleisch? Betreiben sie ein psychologisches Experiment mit Ruhmsucht und Opferkult? Haben sie zu viel Privatfernsehen geschaut? Die Spekulationsblase schwillt auch ohne ihr Zutun. Eine kosmisch erschütterte Menschheit verspricht sich von ihren Gästen ein Leben ohne Not und teilt schon einmal den Weltraum weltwirtschaftswachstumsfördernd unter sich auf, während die unterlegenen Gladiatoren auf einer Palmeninsel einer perfiden Tötungsmaschinerie ins Auge sehen. Dort hat sich eine mörderische Schlachtindustrie etabliert, die in Brutalität und Menschenverachtung an NS-Konzentrationslager heranreicht. Auf wessen Betreiben, ist schwer zu sagen. Das Böse bleibt anonym. Und die Menschheit weiß es nicht oder will es nicht sehen.
Doron Rabinovici erzählt diese grelle satirische Parabel mit gnadenloser Zuspitzung und derartigem Ungestüm, dass ihm die Erzählfäden oft aus der Hand gleiten. Schlagfertig und witzig ist das Buch, wo es die Irrungen und Windungen einer ökonomisch getriebenen Menschheitsmoral beschreibt. Doch Rabinovicis psychologisch und atmosphärisch schwach ausgeleuchtete Erzählgalaxie kreist selbst wie ein Raumschiff über der Erde. Die Ereignisse überschlagen sich in jeder Zeile und sind doch so absehbar, dass der Leser die Moral der Geschichte lang vor dem Ende verstanden hat. Braucht es überhaupt den Besuch aus dem All, um das Böse aus uns hervorzulocken? Zumindest braucht ihn dieses sensationslüsterne Buch.
THOMAS THIEL.
Doron Rabinovici: "Die Außeriridischen".
Roman. Suhrkamp Verlag, Berlin 2017.
255 S., geb. 22,- [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main