Mit dem nun vorgelegten dritten Band ist die Dokumentation des DFG Projektes „Kaisergewänder im Wandel“ abgeschlossen und liefert überraschenderweise Erkenntnisse, die in einigen Punkten noch einmal deutlich über den Stand der beiden Vorgängerbände hinausgehen. Seit der an ein breites Publikum
gerichteten Veröffentlichung „Die Bamberger Kaisergewänder unter der Lupe“ aus dem Jahr 2021 haben…mehrMit dem nun vorgelegten dritten Band ist die Dokumentation des DFG Projektes „Kaisergewänder im Wandel“ abgeschlossen und liefert überraschenderweise Erkenntnisse, die in einigen Punkten noch einmal deutlich über den Stand der beiden Vorgängerbände hinausgehen. Seit der an ein breites Publikum gerichteten Veröffentlichung „Die Bamberger Kaisergewänder unter der Lupe“ aus dem Jahr 2021 haben weitere Auswertungen der Befunde aus den materialwissenschaftlichen und kunsttechnologischen Untersuchungen zu einigen unerwarteten Ergebnissen geführt, die den bisher gefällten Aussagen teilweise entgegenstehen und lange tradierte Gewissheiten widerlegt haben.
Schon in den Vorgängerbänden stach die detektivische Sorgfalt hervor, mit der die Bamberger Kaisergewänder und ihre aus verschiedenen Reparatur- und Restaurierungsmaßnahmen überlieferten Fragmente wissenschaftlich analysiert wurden. Man muss sich vor Augen halten, dass bereits Mitte des 15. Jahrhunderts, also dreihundert Jahre nach ihrer Entstehung, die ersten Gewänder grundlegend überarbeitet wurden, um sie als verehrte Reliquien für die Zukunft zu erhalten. Bis zur vorliegenden Auswertung ging man davon aus, dass dabei in die bildlichen und textlichen Inhalte wesentlich eingegriffen wurde und dass eine Rekonstruktion des ursprünglichen Zustands nicht mehr möglich sei. Das war offenbar ein Irrtum, denn wie Sybille Ruß, Ursula Drewello und ihre Kolleginnen zeigen, waren die spätmittelalterlichen Restauratoren mit einem hohen Maß an Verantwortungsbewusstsein bei der Arbeit und haben die Stickereien in der Position fast unverändert auf den neuen Trägerstoff übertragen. Damals war es der religiöse Respekt vor dem Reliquiencharakter der Gewänder, heute ist es die restauratorische Sorgfaltspflicht. Auch die Reparaturen des 18. Jahrhunderts haben letztlich wenig Schaden angerichtet, anders als die schlecht dokumentierten „Restaurierungen“ der 1950er-Jahre, die vor allem die Tunika in eine völlig neue (und historisch falsche) Form gebracht haben. Aber auch diese Fehler sind durch die aktuellen Untersuchungen mittlerweile transparent geworden, auch wenn man sich dazu entschlossen hat, den vermutlichen Urzustand jetzt nicht mehr wiederherzustellen, sondern die Veränderungen als Zeitzeugnisse zu belassen.
Die Untersuchungen an den Fäden und Färbemitteln, sowie der Goldzusammensetzung der Goldfilamente erlauben es, die Erkenntnisse zu Werkstätten und Datierungen gegenüber den Vorgängerbänden noch einmal zu präzisieren. Analysen der Webtechnik und vor allem der Kettfädenverläufe haben bahnbrechende und sicher von vielen unerwartete Ergebnisse geliefert, die ein Höchstmaß an Sorgfalt auf allen Ebenen erfordert haben. Das interdisziplinär angelegte Projekt führte Fachleute der unterschiedlichsten Disziplinen zusammen und es muss noch einmal betont werden, dass die drei Bände als zusammenhängendes Konvolut funktionieren, indem sie einerseits aufeinander inhaltlich Bezug nehmen, bestimmte Aspekte (z. B. Analysemethoden) aber nur in jeweils einem wissenschaftlich vollständig beschrieben sind. Besonders beeindruckt hat mich, dass selbst in den dreieinhalb Jahren zwischen dem ersten und dem finalen Band noch einmal so umwälzende Erkenntnisse gewonnen wurden. Es ist der beste Beleg dafür, welchen Wert eine umfassende und vollständige Dokumentation bei Restaurierungsmaßnahmen an so bedeutenden Objekten hat. Sie ist nämlich nicht nur eine Momentaufnahme, sondern die Grundlage für jede weitere Forschung der Zukunft.
(Das Buch wurde mir vom Verlag kostenfrei zur Verfügung gestellt. Auf meine Rezension wurde kein Einfluss genommen, der Inhalt stellt meine persönliche Meinung dar.)