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Im vorliegenden zweiten Band der Baugeschichte des Berliner Schlosses - eines der Gründungswerke des deutschen Barock - findet der Leser die Bauten und Baupläne der Jahre 1701 bis 1706, des ersten Jahrfünfts des Königreiches Preußen. Der neue König Friedrich I. hatte Sadtfassade und Schloßhof sowie eine Anzahl von Paradezimmern in allen bedeutenden Suiten in erneuerter Form vorgefunden, als er am 6. Mai 1701 in seine Hauptstadt einzog.

Produktbeschreibung
Im vorliegenden zweiten Band der Baugeschichte des Berliner Schlosses - eines der Gründungswerke des deutschen Barock - findet der Leser die Bauten und Baupläne der Jahre 1701 bis 1706, des ersten Jahrfünfts des Königreiches Preußen. Der neue König Friedrich I. hatte Sadtfassade und Schloßhof sowie eine Anzahl von Paradezimmern in allen bedeutenden Suiten in erneuerter Form vorgefunden, als er am 6. Mai 1701 in seine Hauptstadt einzog.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 18.03.2002

Für Hofschranzen viel zu schön
Goerd Peschken öffnet die Barockräume des Berliner Stadtschlosses

Nie war es so wertvoll wie heute - das Berliner Stadtschloß, das zwischen 1950 und 1951 Stück für Stück zu Staub wurde und nun von so vielen zurückgewünscht wird. Wie die Franzosen die Bastille, so glaubte die SED oder wollte es glauben, werde das neue Deutschland jenen Klotz hinwegsprengen, der grauschwarz, militaristisch-preußisch den Blick auf die sozialistische Morgenröte versperrte. Dieser Lügenlegende vom Stein gewordenen Preußendrill folgte nach der Wende die Traumlegende vom einzigartig schönen Schloß, markant wie der Große Kurfürst, erhaben wie der "Alte Fritz", elegant wie Luise, jene Schöne auf Preußens Thron, deren lebensgroßes Abbild, gemeinsam mit dem ihrer Schwester Friederike, vom großen Schadow in Marmor gemeißelt, einst einen der Säle im Schloßlabyrinth geschmückt hatte.

Denn ein Labyrinth war das Riesenensemble, mochten Schlüters und Eosanders sonore barocke Fassaden nach außen hin noch so sehr das Gegenteil beteuern - und mögen die heutigen Bewunderer noch so sehr vom "schönsten Barockschloß nördlich der Alpen" schwärmen. Die schönsten cisalpinen barocken Schlösser - wenn man denn dies wankelmütige Urteil bemühen will - entstanden seinerzeit in Versailles und Würzburg, in Wien, Mannheim, Pommersfelden und Ludwigsburg. In Berlin, wie in den meisten Residenzstädten Europas, werkelte man weiter an dem, was man "ererbt von seinen Vätern". Kaum ein Souverän in Berlin, der nicht versucht hätte, aus dem Vielen ein Eines zu machen. Doch wie hätte dies gelingen sollen ohne den Totalabriß der Spreeseite, wo sich zäh, und in den Augen des Barock und Rokoko unsäglich düster, die Frührenaissancetrakte der Kurfürsten gehalten hatten, die noch die Enge, Steilheit und Wehrhaftigkeit der einstigen gotischen Burg bewahrten?

Wir Deutschen, gewöhnt an all jene Schlösser, in denen von Schweden bis Portugal wechselvolle Geschichte vielfältigste Spuren hinterlassen hat, und wegen der horrenden Kriegsverluste geradezu begierig auf derart sinnfällige Denkmäler, würden gerade diesen Trakt besonders schätzen, stünde er noch. Daß er im allgemeinen Bewußtsein augenblicklich kaum eine Rolle spielt, liegt an der Schloßdebatte, die seit Jahren Berlin und die Republik beschäftigt und die bei Gegnern wie Befürwortern einer Rekonstruktion längst eingeschworen ist auf die Barockgenies Schlüter und Eosander. Argumente, vor allem aber Bilder, an die sich die Träume von deren atemberaubend schönem Stadtschloß heften können, liefert seit 1992 der Architekturhistoriker Goerd Peschken mit seiner Schloßmonographie. Nun ist ihr dritter Band erschienen, und für ihn gilt, was schon die beiden ersten auszeichnet: Es wird lupenreine, in ihrer Akribie wie in ihrem souveränen Überblick schier fassungslos machende Forschungsarbeit geboten; Ergebnis vierzigjähriger Spurensuche, des Findens und Aufarbeitens historischer Untersuchungen und Urteile, mündend in eigene Sichtweisen.

Nach der Baugeschichte von 1688 bis 1701 mit einem Exkurs über das Bauen seit 1442, gefolgt 1998 vom Band über die turbulenten Umbaujahre zwischen 1701 und 1706, zeichnet Peschken nun in chronologischer Reihenfolge das Werden der barocken Innenausstattung nach: "Kein Souverän hatte nötiger, königlich zu residieren, als der neue König des neuen Königreichs Preußen. Die ,Paradekammern' des Berliner Schlosses waren die aufwendigste Suite ihrer Zeit in Deutschland." Von diesem brennenden Ehrgeiz, so zeigt der Bildband, war den Innenräumen nichts anzumerken. Denn Schlüter und Eosander, die Hauptverantwortlichen, schufen Raumfolgen von überwältigender und doch distinkter Pracht.

Anhand von Fotografien der alten Schlösserverwaltung, aber auch von Serien, die 1943 in letzter Sekunde das dem Untergang Geweihte festhielten, wird der Betrachter vom Treppenhaus über die Entrees bis in die letzten Räume der Suite geführt. Schlüters Großes Treppenhaus macht den Anfang - in Weiß und Licht schwelgende Kaskaden aus Rampen, Stiegen, Kolossalsäulen, Pfeilern und Pilastern, auffahrend wie eine profane Epiphanie. Die besten Skulpturen - ein Blitze schleudernder Jupiter zum Beispiel oder Athena, die im Sturzflug die Lapithen attackiert - erscheinen, obwohl ihre direkten Vorbilder Michelangelo und Pietro da Cortona waren, wie unbewußte Vorentdeckungen der ungestümen Dramatik des Pergamonaltars.

Schlüters Schweizersaal, seine Drap- d'Or-Kammer oder die Alte Kapelle, die er für Friedrich I. einrichtete, auch Eosanders (ein wenig gedrückte) Bildergalerie behaupten sich mühelos auf der Höhe des Anspruchsniveaus des barocken Europa. "Im Inneren", schreibt Peschken, "kam es mehr auf die Hofgesellschaft an. Deren Anspruch erforderte ausgesuchte Formen, ermöglichte sie aber auch." Die Deckengemälde allerdings (im Textband von Liselotte Wiesinger samt der Ausstattung aufgeschlüsselt und zurückhaltend gewürdigt) stehen hinter der Innenarchitektur zurück. Brave solide Qualität eignet den meisten, wie zum Beispiel der Eosander-Decke über dem Eingang zu den Paradekammern, wo ein eifriger Pinsel den herrlichen Einfällen Veroneses oder Mantegnas hinterherhoppelte und statt deren nonchalanten Schwebewesen steifhalsig aufgereihte Hofschranzen malte, die über ihre imaginäre Balustraden ins Drunten äugen.

Ein faszinierender Fund sind die Farbaufnahmen der Fresken des Rittersaals und der Rote-Adler-Kammer. Der Glücksfall wiederum unter ihnen sind die Deckenbilder der Schwarze-Adler-Kammer. Nach dem Vorbild Pietro da Cortonas im Palazzo Barberini hatte Augustin Terwesten die Verherrlichung des Preußischen Adlerwappens gemalt. Übertroffen hat ihn ein anonym gebliebener Assistent, der dort vier Brunnenszenen in die Voute an den Längsseiten malte; junonische junge Frauen in wunderbar kühlen Farben, gruppiert um antike Marmorfontänen und von unbestreitbar römischer Qualität.

Könnte man sie nachschaffen? Nicht nur bei diesen Gemälden, sondern bei allem, was man in Peschkens Doppelband sieht und liest, drängt sich die Frage nach der möglichen Rekonstruktion auf. Schließlich befinden wir uns auf dem Höhepunkt der Schloßdebatte. Und je deutlicher dank Goerd Peschken und Liselotte Wiesinger das Bild der verlorenen Pracht wird, desto klarer wird auch die Vermessenheit des Gedankens einer Nachschöpfung: Bis zur Unauflösbarkeit verzahnt, so sehen wir, waren bespielsweise die Dekorationen an Schlüters Hoffassaden und die der Treppenhäuser, zu denen ihre Risalite sich öffneten. Eins ins andere greifend waren die ikonographischen Programme, die Wandgliederungen und der Enfiladen. Teile davon, wie die Expertenkommission vorschlägt, zu rekonstruieren käme der Zerstückelung gleich.

Ästhetischer Kannibalismus: Wer unter den Architekten, die sich am kommenden Wettbewerb zur Schloßplatzwettbewerb beteiligen, ihn vermeiden will, der studiere Peschkens Monographie, bis ihm die festliche erhebende Atmosphäre des Schlosses in Fleisch und Blut übergegangen ist - und er sich imstande sieht, Neues in diesem Geiste zu schaffen. Daß die alten Kubaturen und Proportionen wiederkehren müßten und jeder geretteten Spolie ein Ehrenplatz darin zukommt, versteht sich von selbst. Goerd Peschkens Monographie aber gehört nicht nur den Architekten, sondern jedem, der wirklich wissen möchte, was es auf sich hatte mit dem Schloß der Könige in Preußen.

DIETER BARTETZKO.

Goerd Peschken, Liselotte Wiesinger: "Das königliche Schloß zu Berlin". Band 3: Die barocken Innenräume. Tafelband und Textband. Deutscher Kunstverlag, München 2001. Zus. 752 S., 48 Farbtafeln, 700 Schwarzweißabb., geb., Subskr.-Pr. bis 31. 3. 2002 102,-, danach 128,- .

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