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Der ehemalige Kulturredakteur Loose, der sich seit seiner Kündigung eher erfolglos eigenen Schreibprojekten widmet, wird zur Jahrestagung einer Botanischen Gesellschaft im Örtchen Niem eingeladen. Eigentlich will er absagen, doch als er in einem Zeitungsartikel von einem rätselhaften Wald liest, wo unerklärliche Dinge geschehen sein sollen, nimmt er die Einladung an, denn der Wald liegt direkt neben dem Tagungshotel. Bei seinen Nachforschungen stößt Loose an die gefährliche Grenze zwischen Wirklichkeit und Wahn

Produktbeschreibung
Der ehemalige Kulturredakteur Loose, der sich seit seiner Kündigung eher erfolglos eigenen Schreibprojekten widmet, wird zur Jahrestagung einer Botanischen Gesellschaft im Örtchen Niem eingeladen. Eigentlich will er absagen, doch als er in einem Zeitungsartikel von einem rätselhaften Wald liest, wo unerklärliche Dinge geschehen sein sollen, nimmt er die Einladung an, denn der Wald liegt direkt neben dem Tagungshotel. Bei seinen Nachforschungen stößt Loose an die gefährliche Grenze zwischen Wirklichkeit und Wahn
Autorenporträt
Gert Loschütz, geboren 1946 in Genthin in Sachsen-Anhalt und 1957 ins hessische Dillenburg übergesiedelt, ist seit 1970 freier Schriftsteller, unter anderem für Theater und Hörfunk. Sein Werk wurde mehrfach preisgekrönt, darunter 2000 mit der Ehrengabe der Deutschen Schillergesellschaft. Heute lebt Loschütz in Berlin.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 23.12.2006

Vom Grauen ohne Feuilleton
Gerd Loschütz’ spannender und kluger Roman „Die Bedrohung”
Kam Loose eigentlich jemals auf die Idee, dass ihn sein Name bedrohen könnte? Jahrelang ging es ihm gut, war er als Feuilletonredakteur ordentlich versorgt. Auch über seine Ehe mit einer jüngeren Kollegin aus dem Inlandsressort konnte er nicht klagen. Aber eines Tages geriet er auf die Verliererstraße. Der Journalismus reichte ihm nicht aus, er wollte etwas schreiben, das länger halten sollte, als der Weg einer Zeitung vom Briefkasten ins Altpapier dauert. Themen hatte er genug gesammelt. Warum nicht ein paar Jahre vor der Rente kündigen?
Konnte Loose ahnen, dass er damit sein Ende einläutete? Wer Gert Loschütz’ jüngsten Roman gelesen hat, wird hellhörig. Das Böse nämlich, lernen wir aus ihm (wenn wir es nicht schon immer gewusst haben), lauert buchstäblich überall. Eigentlich geriet Loose schon auf Abwege, als er noch als Redakteur einem Botanikprofessor half, dessen unbeholfen hingestöpselte Artikel in spannende Wissenschaftsreportagen zu verwandeln. Von solchen Themen sollten Feuilletonisten besser die Finger lassen. Pflanzen können stechen, schlingen, schlimmstenfalls Fleisch fressen. Nicht jeder weiß mit ihnen umzugehen.
Aber zunächst sah es ja ganz danach aus, als eröffnete die Botanik neue journalistische Möglichkeiten. Loose und sein Professor produzierten gemeinsam Artikel um Artikel. Und als Loose die Zeitung verließ, lag es für den Professor nahe, ihn um die Betreuung einer populären botanischen Zeitschrift zu bitten. Eigentlich ein guter Deal, denn Loose brauchte ja Geld, bevor er sein erstes Buch geschrieben hatte. Damit aber war er ein für alle Mal auf dem Weg zum looser. Looses erster Auftritt in seiner Rolle als botanisierender Feuilletonist führt ihn zu einem Kongress der Botanischen Gesellschaft, in eine abgelegene Gegend irgendwo in Niedersachsen. Er will eigentlich gar nicht hin, am Ende ist es eine Meldung über rätselhafte Mordfälle in einem Wald in der Nähe des Hotels, die seine wirkliche Neugier weckt.
Und Loose wird nicht mehr zurückkehren. Den eigentlichen Zweck seiner Reise: nämlich das Zeitschriftenprojekt auf den Weg zu bringen, vernachlässigt er, um stattdessen den rätselhaften Mordfällen nachzuforschen. Dabei stößt er auf eine Mauer des Schweigens. Einen Bürgermeister? Gibt es hier nicht. Sie haben heute Nacht Blaulicht gesehen? Wir nicht. Warum wird da ein Zaun um den Wald gezogen? Sie haben aber auch Fragen. Als er sich auf eigene Faust in den Wald begibt, verwandelt sich die Topographie, wölben sich Berge auf, die es vorher nicht gab. Den Rückweg findet er nur mit fremder Hilfe – und dabei bleibt ihm ein peinliches Verhör durch die Einheimischen nicht erspart.
Der Kongress ist zu Ende, doch Loose will nicht nach Hause, solange die Mordfälle im Dunkeln bleiben. Weil ihm das Geld ausgeht, verdingt er sich im Hotel als Hausangestellter, dem gerade noch die niedrigsten Arbeiten überlassen werden. Kurz vor Weihnachten schließt das Hotel. Seine Frau hat ihn längst verlassen, was man ihr nicht verdenken kann. Er macht sich noch einmal auf den Weg in den Wald, verschwindet in einer Höhle und landet durch einen Tunnel in einer Welt, die nicht mehr von dieser Welt ist. Vielleicht ist es das Jenseits. Wirklich tot aber kann er nicht sein, denn immerhin schließt er dort noch seine Aufzeichnungen ab. Ein rätselhaftes Ende, und eigentlich ist nur eines sicher: So hat sich Loose sein erstes Buch nicht vorgestellt.
Erwacht aus schlimmem Traum
Um nun aber auf das vergleichsweise sichere Terrain der Literaturkritik zurückzukehren: Mit diesem Roman ist Gert Loschütz ein großartiges Vexierspiel gelungen. Was wie eine zwar handwerklich solide, aber nicht gerade umwerfende Satire auf den Kultur- und Wissenschaftsbetrieb beginnt, bekommt erst unmerkliche Risse und verwandelt sich schließlich in einen ständigen Wechsel von Bildern, Dialogen und Stimmungen. Irgendwann verliert auch der Leser Orientierung und Sicherheit. Hier und da erkennt er Versatzstücke aus der phantastischen Literatur oder aus der Welt Franz Kafkas. Aber kaum hat er sie als solche identifiziert, kehrt Looses Bericht in eine naive Normalität zurück, als wäre er aus einem schlimmen Traum erwacht.
Träumt Loose? Ist er vielleicht wahnsinnig geworden? Oder handelt es sich hier um ein literarisches Virtuosenstück, dessen reiche Anspielungen für den Connaisseur gedacht sind? Jede einfache Antwort nimmt diesem Roman etwas weg. Vielleicht sollte man sich einfach an den Titel halten: „Die Bedrohung.” Mit diesem Begriff verbinden sich bestimmte Bilder und Szenen, die wir teilweise kennen, teilweise mit einem gewissen Gruseln bei der Lektüre zum ersten Mal miterleben. Loschütz versammelt diese Episoden auf engstem Raum und verknüpft sie zu einer Handlung. Seine Kunst besteht darin, den Stoff eines Romans aus einem einzigen Begriff zu entwickeln. Er verdient größte Bewunderung dafür, dass dabei keine blutleer konstruierte Prosa entstanden ist, sondern ein so schmales wie fesselndes Stück Literatur, das einen unwiderstehlichen Sog entwickelt und seine Leser für ein paar Tage ziemlich beunruhigt zurücklässt.
Loose hat überhaupt nichts Böses vermutet, als er sich mit den Botanikern einließ. Doch die Wirklichkeit hat ihn eines Schlechteren belehrt.TOBIAS HEYL
GERT LOSCHÜTZ: Die Bedrohung. Roman. Frankfurter Verlagsanstalt, Frankfurt am Main 2006. 191 S., 19,80 Euro.
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