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Produktdetails
  • Verlag: Patmos
  • Deutsch
  • ISBN-13: 9783491784734
  • ISBN-10: 3491784735
  • Artikelnr.: 06273070
  • Herstellerkennzeichnung
  • Die Herstellerinformationen sind derzeit nicht verfügbar.
Autorenporträt
Josef Quadflieg: geboren 1924 in Herzogenrath bei Aachen, verheiratet, vier Kinder, langjähriger Direktor des Katechetischen Instituts Trier. Zahlreiche erfolgreiche religionspädagogische Veröffentlichungen und Kinderbücher im Patmos Verlag. Übersetzungen seiner Bücher liegen in zehn Sprachen vor.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 27.05.1995

Was aß der Löwe im Paradiesgarten?
Biblische Geschichten, modern und postmodern Von Hermann Kurzke

Es fällt schwer, sich zwischen diesen Büchern zu entscheiden. Neu an ihnen ist, daß sie keinen Glauben vorweg verlangen, sondern hauptsächlich spannende Lesebücher sein wollen. Allesamt sehen sie die Bibel mehr religionsgeschichtlich als religiös oder gar konfessionell. Jeder "fromme" Zungenschlag fehlt, jedenfalls im Text selbst. Mit der Aufmachung sieht es etwas anders aus. Sie scheint sich nicht an den Jugendlichen zu orientieren, sondern marktklug an Verwandten und Bekannten, die ihren Konfirmations- und Kommunionkindern etwas Geistliches mit auf den Lebensweg geben wollen.

Denn die Titel werden kaum ein Mädchen oder einen Jungen von heute verlocken, zu diesen Büchern zu greifen. "Der brennende Dornbusch" oder "Was der Regenbogen verspricht" haben ein Parfum von Bibelstunde noch immer, und das grandios-lapidare "Die Bibel" trivialisiert sich selbst mit Untertiteln wie "Die schönsten Bildergeschichten aus dem Alten und Neuen Testament" oder "für Kinder ausgewählt und erläutert". Dabei verdienen die vier hier vorzustellenden Jugendbibeln ihre unattraktiven Titel nicht, handelt es sich doch um vier ernstzunehmende, ganz unterschiedliche Versuche, jungen Menschen die biblischen Geschichten nahezubringen. Jungen Menschen, nicht Kindern: Obgleich zwei Bibeln im Titel ausdrücklich an Kinder adressiert sind, ist das sprachliche und sachliche Niveau zu hoch für das Kommunionkindalter, während umgekehrt die Konfirmanden, die ja als Erwachsene genommen werden wollen, ein Buch "für Kinder" verächtlich ignorieren werden. So besteht die Gefahr, daß diese Bücher, wenn sie denn meistens als Geschenke gekauft werden, ungelesen in den Schränken verstauben.

Und das wäre schade drum. Auch um die traditionellste und seriöseste, die Patmos-Bibel von Josef Quadflieg, die noch am ehesten eine religiöse Sozialisation voraussetzt. Quadflieg wählt nur wenige Geschichten aus, bringt diese aber relativ originalgetreu und ergänzt sie geschickt um Lieder und Gebete hauptsächlich aus dem Buch der Psalmen. Als Verständnishilfe gibt er kleine, religiös zurückhaltende Einleitungen sowie am Ende einen kundigen religionswissenschaftlichen Abriß "Aus der Welt der Bibel". Die großflächigen farbigen Illustrationen von Rita Frind sind ausdrucksstark, verfertigt in einer Mischtechnik, die Collagen aus gerissenem Bunt- und Transparentpapier mit Frottagen und Gouachen kombiniert.

Wer es etwas leichter haben will, lasse sich von Eckart zur Nieden berichten, "was der Regenbogen verspricht". Hier wird frei erzählt, vereinfacht, ausgeschmückt und modernisiert. Anstößiges verschwindet. Die Erde ist eine Kugel, die sich um die Sonne dreht. Eva wird nicht mehr aus Adams Rippe gemacht. Alles wird auf den heutigen Verständnishorizont heruntergeholt, aber das geschieht in der Regel geschickt und mit Humor. Von dem Propheten Jona, der gerade einige Tage im Bauch eines Walfischs verbringt, heißt es zum Beispiel: "Trotz seiner ungemütlichen Lage dichtete Jona ein Lied zur Ehre Gottes."

Für alle Bibeln gilt, daß sie auf ihren lieben Gott nichts kommen lassen und alles auf die bösen Menschen schieben. Wenn im Originaltext der alttestamentliche Gott hart und ungerecht wirkt, liefern sie Motive nach, um sein Verhalten weniger skandalös erscheinen zu lassen. Von Kain und Abel beispielsweise schreibt das Buch Genesis nur: "Und der Herr sah gnädig an Abel und sein Opfer; aber Kain und sein Opfer sah er nicht gnädig an." Daß Kain wütend wird und bald darauf seinen Bruder erschlägt, ist bekanntlich die Folge. Ist der Herr hier von jeder Mitverantwortung freizusprechen? Eckart zur Nieden macht die Angelegenheit moralisch eindeutig. Bei ihm hat Abel Gott von Herzen lieb und meint es ehrlich mit seinem Dankopfer. Kain jedoch ist ein Egoist; er findet es schade, daß die Früchte, die ihm so viel Mühe gemacht haben, nun auf dem Opferaltar verbrennen: "Nicht mehr an Gott, sondern nur an sich dachte er auf einmal." Im "Brennenden Dornbusch" wird gar behauptet, Kain habe mit Vorliebe wurmige Früchte oder verschimmeltes Brot geopfert.

Figurenreiche und stimmungsvoll erzählende Bilder machen den Reiz der Bibel von Piero Ventura aus. Mein dreizehnjähriger Sohn griff nach ihr am liebsten. Textlich ist sie leider die schwächste. Sie schmückt nicht aus, sondern versucht statt dessen, problematische Stellen durch Kürzungen aus der Welt zu schaffen. Aber die ohnehin schon aufs äußerste verknappten Geschichten des Alten Testaments kann man kaum noch einmal verkürzen. Die Geschichte von David und Bathseba, bei Quadflieg ein spannender kleiner Roman, hat bei Ventura ganze zehn Zeilen. Allzuoft geht dadurch die biblische Logik verloren, ohne daß sich eine neue einstellt. Am schlimmsten verunstaltet ist die Passionsgeschichte. Sie ist banalisiert bis zur Unverständlichkeit. Zur düsteren Größe des Kreuzesgeschehens hat Ventura kein Verhältnis. Uninspiriert, unergriffen vom eigenen Erzählauftrag wirken auch peinlich mißglückte Zwischensätze wie zum Beispiel: "Er hielt hier nun seine berühmte Bergpredigt."

Wie die anderen Bearbeiter neigt auch Ventura zu einer gewissen Idyllisierung der Erzvätergeschichten. Die vielen pikanten Pointen, die ein vorsichtiger Klerus den Gläubigen schon immer vorzuenthalten pflegte, bleiben auch hier auf der Strecke. Vielleicht sind sie nicht "kindgemäß", das kann sein; vielleicht ist es aber auch ganz anders, und bei pubertierenden Knaben und Mädchen ließe sich das Verständnis für das Alte Testament gerade dadurch wecken, daß Komik und Elend des Sexuellen nicht ausgespart werden. Warum soll man sie verschweigen, die Geschichte von Noah, dem Erfinder nicht nur der Arche, sondern auch des Weinbaus, der eines Tages betrunken in seinem Zelt lag mit aufgedeckter Scham, und von seinem Sohn Cham, dem Schamlosen, der ihn betrachtete, während Sem, der Erzvater der Semiten, die die Scham kennen, rückwärts auf seinen Vater zugehend, eine Decke über ihn breitete (Gen. 9, 20-27)? Warum erfährt man nichts von den Töchtern Lots, die aus Sorge um Nachwuchs ihren eigenen Vater überlisten, um von ihm schwanger zu werden (Gen 19, 30-38), warum nichts von den Verfehlungen Abrahams, der seine schöne, aber unfruchtbare Frau Sara dem Pharao für sein Frauenhaus zur Verfügung stellte (Gen. 12, 10-19)?

Literarisch die kühnste Unternehmung ist "Der brennende Dornbusch", geschrieben von dem begabten britischen Romancier Peter Dickinson. Sie ist typisch "postmodern", insofern, als sie die Texte entschieden ästhetisiert, historisiert und fiktionalisiert, also ins Zitat rückt. Alles wird so zur Rollenrede, und man braucht nicht mehr zu "glauben". Dickinson erfindet für jede Geschichte eine eigene Erzählerfigur. Vom Auszug aus Ägypten berichtet ein etwas ängstlicher Fischer am Ufer des Roten Meeres einem hohen ägyptischen Beamten auf Inspektionstour um 1200 vor Christus. (,Die Wasserwände zu beiden Seiten des Pfades schlossen sich wie die Lippen eines Mundes, und alle Soldaten, Wagen und Pferde waren weg.") Von Mose am Sinai erzählt ein alter Mann, dem keiner recht zuhört. Die Geschichte von David und Goliath verwendet ein Sergeant der babylonischen Armee um 580 vor Christus, um seinen Rekruten klarzumachen, wie man sich gegen Steinschleuderer verteidigt. Die Gemütskrankheit König Sauls dient als Fallbeispiel in einer jüdischen Medizinschule in Alexandria um 220 vor Christus. Das ist meistens virtuos gemacht und bringt Witz und Frische in die altbekannten Geschichten. Mißglückt sind nur die Ausflüge ins Lyrische. "Rebekka am Brunnen" soll ein Arbeitslied von Frauen sein, die ihre Wasserkrüge über den spiralförmigen Pfad eines tiefen Wüstenbrunnens hinauftragen. Aber es kommt nur bemühter Kitsch dabei heraus: "Wer kommt mit dem Krug? / Ai, Rebekka, die Augen voll Glut."

Was aß der Löwe im Paradiesgarten, als er noch friedlich neben dem Lamme lagerte? Nektarinen, Mispelfrüchte und Trauben, beschließt Dickinson, "und die Bäume beugten sich zu ihm nieder, um ihm ihre Früchte darzubieten, wenn er vorüberging". Erst der Baum der Erkenntnis zeigt dem Löwen, daß er Zähne hat, geeignet, Fleisch zu zerreißen. Der Geschmack von Evas Apfel, so versichert der babylonische Erzähler seinen Zuhörern, ist immer noch in unserem Mund. "Es ist der Geschmack des Wissens, süß zuerst und dann bitter."

Die Fiktionalisierung macht frei. Sie läßt den dogmatischen und mythischen Druck, der auf diesen Geschichten lastet, zerflattern wie Morgendunst in der Sonne. Wunder und Engel und der direkte Verkehr Gottes mit den Menschen: das alles hat eine Leichtigkeit und Heiterkeit wiedergewonnen, die unter den Ablagerungen jahrhundertelanger Religionsdidaktik fast erstickt war. Vielleicht hat es so gesehen sogar sein Gutes, daß im Religionsunterricht heute von Drogen, vom Atheismus und von Beziehungskrisen gesprochen wird statt von der Bibel. Es gibt der Bibel eine Verschnaufpause und den Schülern die Möglichkeit, sich von ihr überraschen zu lassen.

Nacherzählungen sind zwar immer etwas Sekundäres und sollen irgendwann hinführen zum originalen Text. Aber sie dürfen auch nicht unterschätzt werden. Die Bibel pur bleibt allzu vielen verschlossen und versiegelt. Wenn sie sich öffnen soll, bedarf sie der Apokryphen um sie herum, das heißt der Legenden und der Lieder, der Romane und der Kalendersprüche, der Verfilmungen und eben auch der Nacherzählungen für jedes Alter und für jede Zeit. Die Tollheit, eine Bibel schreiben zu wollen, sollte jeder tüchtige Mensch haben, vermerkte einmal spitz der Romantiker Novalis. Auch die antiken Sagen kannte der gebildete Bürger in der Regel nicht aus den Originaltexten, sondern aus Gustav Schwabs "Sagen des klassischen Altertums". Die Bibel ist derzeit auf dem Weg, ein Buch von ähnlichem Rang zu werden. Das ist einerseits wenig, andererseits viel oder doch besser als nichts. Die Bibel ist und bleibt ein Grundbuch der abendländischen Kultur. Nicht nur aus religiösen, sondern auch aus kulturellen und literarischen Gründen sind die biblischen Geschichten unverzichtbar. Sie sind eben auch, als Literatur, einfach gut.

"Die Bibel", für Kinder ausgewählt und erläutert von Josef Quadflieg. Bilder von Rita Frind. Patmos Verlag, Düsseldorf 1994. 287 S., geb., 49,80 DM. Ab 8 J.

Eckart zur Nieden/Dieter und Ingrid Schubert: "Was der Regenbogen verspricht". Kinderbibel. Altes Testament. R. Brockhaus Verlag, Wuppertal und Zürich/Aare Verlag, Aarau, Frankfurt und Salzburg 1994. 210 S., geb., 29,80 DM.

Ab 6 J.

Piero Ventura: "Die Bibel. Die schönsten Bildergeschichten aus dem Alten und Neuen Testament". A. d. Ital. v. Dagmar Türck-Wagner. Südwest Verlag, München 1993. 137 S., geb., 29,80 DM. Ab 10 J.

Peter Dickinson: "Der brennende Dornbusch. Geschichten aus dem Alten Testament". Illustrationen von The Tjong Khing. A. d. Engl. v. Friedl Hofbauer. Verlag St. Gabriel, Mödling und Wien 1993. 224 S., geb., 36,- DM. Ab 12 J.,

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