Die "Bibel in den Worten der Dichter" versammelt vom Mittelalter bis zur Literatur der Gegenwart alles, was Rang und Namen in der deutschen Dichterwelt hat.
Der ganze Kosmos der Bibel wird in dieser einzigartigen Sammlung umfassend dargestellt. Sie erschließt ein neues Verständnis der biblischen Botschaft. Die Sprache der Dichtung lädt ein, dem alten Bibeltext neue Töne abzulauschen und vielleicht Alt-Vertrautes "in den Worten der Dichter" neu wahrzunehmen.
Mit Illustrationen von Julius Schnorr von Carolsfeld.
Der ganze Kosmos der Bibel wird in dieser einzigartigen Sammlung umfassend dargestellt. Sie erschließt ein neues Verständnis der biblischen Botschaft. Die Sprache der Dichtung lädt ein, dem alten Bibeltext neue Töne abzulauschen und vielleicht Alt-Vertrautes "in den Worten der Dichter" neu wahrzunehmen.
Mit Illustrationen von Julius Schnorr von Carolsfeld.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 23.04.2005Wunderbar der Mann, der nicht aufs Volk hört
Renaissance der Nazarener: In den Worten der Dichter gewinnen Texte der Bibel neue Facetten
Eine Dichterbibel ist ein Angebot für Christentumsnostalgiker, die religiöse Schamhaftigkeit davon abhält, die Bibel im Munde zu führen, die aber trotzdem die Luft der Bibel atmen wollen. Sie können die christlichen Feste zwar noch zitieren, aber nicht mehr zelebrieren. Wer das kirchliche "Christ ist erstanden" nicht mehr zustande bringt, fühlt sich unter Umständen im Osterjubel eines profanen literarischen Texts besser untergebracht: "Christ ist erstanden!/ Freude dem Sterblichen,/ den die verderblichen,/ schleichenden, erblichen/ Mängel umwanden" (aus Goethes "Faust").
Die Idee ist also schön und richtig, und es ist durchaus ein Vergnügen, in diesem Band zu schmökern. Er versammelt, von der Erschaffung der Welt bis an ihr Ende, literarische Paraphrasen zu biblischen Perikopen, von Adam und Eva über Abraham, Noah, Jakob und Joseph, von David und Salomon bis zu Hiob, Judith und den Psalmen; von Johannes dem Täufer und Jesus von Nazareth, seiner Geburt, seiner Lehre, seinem Tod und seiner Auferstehung, über die Apostelgeschichte bis hin zur Apokalypse des Johannes. Die vertrauten Texte gewinnen viele neue Facetten. Da verspottet Georg Weerth den keuschen Joseph, weil er das Angebot der Frau des Potiphar ("Schlafe mit mir!") so töricht zurückweist. Da fragt Josef Weinheber, ob nicht auch Judas, nicht nur Jesus, ein großes Opfer brachte ("Er starb für euch den Kreuzestod./ Ich ging und nahm den Strick"). Da schreibt Arnold Stadler eine Aktualisierung von Psalm 1: "Wunderbar der Mann,/ der nicht aufs Volk hört,/ den Leuten nicht nach dem Maul redet."
Es sind vor allem die erzählenden Teile der Bibel, die eine breite literarische Spur hinterlassen haben, während Kultvorschriften, prophetische Bücher und Ermahnungsprosa offenbar des literarischen Charmes ermangeln, der Dichter zur Produktion ermuntert. Was bei dieser Fixierung aufs Erzählerische untergeht, ist der Nachhall einzelner Sätze und Sprüche. Am schmerzlichsten vermißt man das Briefkorpus des Neuen Testaments, vor allem die Paulus- und Johannesbriefe.
Freilich wäre Vollständigkeit eine sinnlose Forderung, denn bibelimprägniert ist unsere Literatur seit Jahrhunderten, man könnte beliebig viele Bände mit Zeugnissen dieses Sachverhalts füllen. Die hier vorliegende Auswahl ist dem nazarenisch angehauchten Privatgeschmack eines Sammlers verpflichtet, der ohne wissenschaftlichen Anspruch Fundstücke zusammenträgt, vom althochdeutschen Weltuntergangslied "Muspilli" über Brentanos Emmerickschriften bis zu Ulla Hahn und Arnold Stadler, Minderwertiges und Hochwertiges bunt gemischt. Das ist ihre Grenze und ihr Reiz. Meistens werden die Stellen aus größeren Werken herausgeschnitten, was nicht ohne Willkür abgeht. Der Herausgeber macht es dem Leser schwer, die Originalzusammenhänge nachzuvollziehen, denn er vermeidet eine genaue Rechenschaft seines Tuns. Das Quellenverzeichnis weist keine Seitenzahlen nach, sondern begnügt sich mit pauschalen Hinweisen auf oft obskure Ausgaben, die sich im Privatbesitz des Herausgebers befinden mögen, aber kaum allgemein zugänglich sind. So gibt es für alle sechs Goethe-Stellen lediglich den Sammelnachweis "Sämtliche Werke, Stuttgart 1902-1907".
Der Band gibt religionskritischen Äußerungen nur wenig Raum und bevorzugt bibelnahe Texte. Die Grenze zwischen Literatur und Bibel verschwimmt infolgedessen. Das ist gut so, macht es doch darauf aufmerksam, daß auch die Bibel einmal nur Literatur war. Es dauerte Jahrhunderte, bis sie aus den sie umgebenden Texten, die man zu Apokryphen herabstufte, sauber herausgetrennt war. Die Literatur schreibt weiterhin Apokryphen zur Bibel, das ist bis heute so, und ohne solche Apokryphen wäre die Bibel tot.
Geschmückt ist das stattliche Werk mit Illustrationen aus der Bilderbibel des Nazareners Julius Schnorr von Carolsfeld, die lange Zeit als Musterbeispiele für religiösen Kitsch gehandelt wurden. Heute scheinen, wie die derzeit laufende Ausstellung in der Frankfurter Schirn belegt, die Nazarener wieder salon- und diskursfähig zu werden. Man darf der Hoffnung Ausdruck geben, daß die sich abzeichnende religiöse Belebung uns keinen fundamentalistischen Obskurantismus ins Haus bringt, sondern ein postmodernes Christentum, das die kulturelle Produktivkraft der Religion wieder erweckt, aber den aufgeklärten Skeptizismus nicht über den Haufen rennt.
"Die Bibel in den Worten der Dichter". Herausgegeben von Bertram Kircher. Herder Verlag, Freiburg 2005. 701 S., geb., 29,90 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Renaissance der Nazarener: In den Worten der Dichter gewinnen Texte der Bibel neue Facetten
Eine Dichterbibel ist ein Angebot für Christentumsnostalgiker, die religiöse Schamhaftigkeit davon abhält, die Bibel im Munde zu führen, die aber trotzdem die Luft der Bibel atmen wollen. Sie können die christlichen Feste zwar noch zitieren, aber nicht mehr zelebrieren. Wer das kirchliche "Christ ist erstanden" nicht mehr zustande bringt, fühlt sich unter Umständen im Osterjubel eines profanen literarischen Texts besser untergebracht: "Christ ist erstanden!/ Freude dem Sterblichen,/ den die verderblichen,/ schleichenden, erblichen/ Mängel umwanden" (aus Goethes "Faust").
Die Idee ist also schön und richtig, und es ist durchaus ein Vergnügen, in diesem Band zu schmökern. Er versammelt, von der Erschaffung der Welt bis an ihr Ende, literarische Paraphrasen zu biblischen Perikopen, von Adam und Eva über Abraham, Noah, Jakob und Joseph, von David und Salomon bis zu Hiob, Judith und den Psalmen; von Johannes dem Täufer und Jesus von Nazareth, seiner Geburt, seiner Lehre, seinem Tod und seiner Auferstehung, über die Apostelgeschichte bis hin zur Apokalypse des Johannes. Die vertrauten Texte gewinnen viele neue Facetten. Da verspottet Georg Weerth den keuschen Joseph, weil er das Angebot der Frau des Potiphar ("Schlafe mit mir!") so töricht zurückweist. Da fragt Josef Weinheber, ob nicht auch Judas, nicht nur Jesus, ein großes Opfer brachte ("Er starb für euch den Kreuzestod./ Ich ging und nahm den Strick"). Da schreibt Arnold Stadler eine Aktualisierung von Psalm 1: "Wunderbar der Mann,/ der nicht aufs Volk hört,/ den Leuten nicht nach dem Maul redet."
Es sind vor allem die erzählenden Teile der Bibel, die eine breite literarische Spur hinterlassen haben, während Kultvorschriften, prophetische Bücher und Ermahnungsprosa offenbar des literarischen Charmes ermangeln, der Dichter zur Produktion ermuntert. Was bei dieser Fixierung aufs Erzählerische untergeht, ist der Nachhall einzelner Sätze und Sprüche. Am schmerzlichsten vermißt man das Briefkorpus des Neuen Testaments, vor allem die Paulus- und Johannesbriefe.
Freilich wäre Vollständigkeit eine sinnlose Forderung, denn bibelimprägniert ist unsere Literatur seit Jahrhunderten, man könnte beliebig viele Bände mit Zeugnissen dieses Sachverhalts füllen. Die hier vorliegende Auswahl ist dem nazarenisch angehauchten Privatgeschmack eines Sammlers verpflichtet, der ohne wissenschaftlichen Anspruch Fundstücke zusammenträgt, vom althochdeutschen Weltuntergangslied "Muspilli" über Brentanos Emmerickschriften bis zu Ulla Hahn und Arnold Stadler, Minderwertiges und Hochwertiges bunt gemischt. Das ist ihre Grenze und ihr Reiz. Meistens werden die Stellen aus größeren Werken herausgeschnitten, was nicht ohne Willkür abgeht. Der Herausgeber macht es dem Leser schwer, die Originalzusammenhänge nachzuvollziehen, denn er vermeidet eine genaue Rechenschaft seines Tuns. Das Quellenverzeichnis weist keine Seitenzahlen nach, sondern begnügt sich mit pauschalen Hinweisen auf oft obskure Ausgaben, die sich im Privatbesitz des Herausgebers befinden mögen, aber kaum allgemein zugänglich sind. So gibt es für alle sechs Goethe-Stellen lediglich den Sammelnachweis "Sämtliche Werke, Stuttgart 1902-1907".
Der Band gibt religionskritischen Äußerungen nur wenig Raum und bevorzugt bibelnahe Texte. Die Grenze zwischen Literatur und Bibel verschwimmt infolgedessen. Das ist gut so, macht es doch darauf aufmerksam, daß auch die Bibel einmal nur Literatur war. Es dauerte Jahrhunderte, bis sie aus den sie umgebenden Texten, die man zu Apokryphen herabstufte, sauber herausgetrennt war. Die Literatur schreibt weiterhin Apokryphen zur Bibel, das ist bis heute so, und ohne solche Apokryphen wäre die Bibel tot.
Geschmückt ist das stattliche Werk mit Illustrationen aus der Bilderbibel des Nazareners Julius Schnorr von Carolsfeld, die lange Zeit als Musterbeispiele für religiösen Kitsch gehandelt wurden. Heute scheinen, wie die derzeit laufende Ausstellung in der Frankfurter Schirn belegt, die Nazarener wieder salon- und diskursfähig zu werden. Man darf der Hoffnung Ausdruck geben, daß die sich abzeichnende religiöse Belebung uns keinen fundamentalistischen Obskurantismus ins Haus bringt, sondern ein postmodernes Christentum, das die kulturelle Produktivkraft der Religion wieder erweckt, aber den aufgeklärten Skeptizismus nicht über den Haufen rennt.
"Die Bibel in den Worten der Dichter". Herausgegeben von Bertram Kircher. Herder Verlag, Freiburg 2005. 701 S., geb., 29,90 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
Als Vergnügen hat Rezensent Hermann Kurzke das Schmökern in diesem Band empfunden, der "literarische Paraphrasen zu biblischen Periskopen" von der Erschaffung der Welt bis hin zur Apokalypse des Johannes versammelt. Geschmückt ist das "stattliche Werk" mit Illustrationen aus der Bilderbibel Julius Schnorrs von Carolsfeld aus der lang als kitschig verschrienen Künstlerschule der Nazarener, die Kurzke zur Zeit wieder salon- und diskursfähig werden sieht. In den Texten des Bandes gewinnen die biblischen Geschichten in den Augen des Rezensenten viele neue Facetten hinzu. Darüberhinaus gefällt ihm, dass durch das Verschwimmen der Grenzen zwischen Literatur und Bibel darauf aufmerksam gemacht wird, dass auch die das buch der Bücher ursprünglich Literatur war. Obwohl er sich nach eigener auskunft im Klaren darüber ist, dass Vollständigkeit bei einem solchen Unternehmen eine sinnlose Forderung ist, vermisst der Rezensent in dieser Fixierung der Edition auf das Erzählerische doch den "Nachhall einzelner Sätze und Sprüche" und am schmerzlichsten das Briefkorpus des Neuen Testaments. Kritisch merkt Kurzke zudem das Fehlen genauer Quellenangaben an.
© Perlentaucher Medien GmbH
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