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Tagsüber herrscht in der Bibliothek Vernunft und Ordnung, doch nachts wandelt sie sich in ein Reich der Träume und Erinnerung. Die Bücherwände enthalten alle Geschichten und Gedanken, die in uns leben.
Jedes Buch, das Alberto Manguel in die Hand nimmt, erzählt ihm von einer anderen Bibliothek, von verbotenen Archiven und geheimen Kammern, von labyrinthischen Gängen Babels und den großen Bibliotheken der Menschheit. Und jedes Regal ist ein Fenster auf die Bibliothek von Alexandria.

Produktbeschreibung
Tagsüber herrscht in der Bibliothek Vernunft und Ordnung, doch nachts wandelt sie sich in ein Reich der Träume und Erinnerung. Die Bücherwände enthalten alle Geschichten und Gedanken, die in uns leben.

Jedes Buch, das Alberto Manguel in die Hand nimmt, erzählt ihm von einer anderen Bibliothek, von verbotenen Archiven und geheimen Kammern, von labyrinthischen Gängen Babels und den großen Bibliotheken der Menschheit. Und jedes Regal ist ein Fenster auf die Bibliothek von Alexandria.
Autorenporträt
Alberto Manguel, geb. 1948 in Buenos Aires, wirkte unter anderem in Buenos Aires, Paris, London, Mailand und Toronto als Verlagslektor und Literaturdozent. Er übersetzte zahlreiche Bücher und ist Herausgeber von Anthologien und Kurzgeschichten. Er lebt vorwiegend in Toronto und Paris und ist seit 1988 kanadischer Staatsbürger.

Manfred Allié, geb. 1955 in Marburg a. d. L., übersetzt Literatur, u.a. Scott Bradfield, Ralph Ellison, Richard Powers, Yann, Martel und Michael Innes. Er lebt in der Eifel.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 13.02.2008

Lemmy und die Schmöker

Sage mir, welche Bücher du hast, und ich sage dir, wie du aussiehst: Alberto Manguel, der einst dem blinden Borges vorlas, betätigt sich als Lektürehistoriker.

Bücher haben bekanntlich ihre Schicksale, und für manch einen sind sie Schicksal. Jorge Luis Borges beispielsweise konnte sich vorstellen, dass das Paradies ganz aus Büchern bestand. Als er 1955 zum Direktor der argentinischen Nationalbibliothek ernannt wurde, schrieb er, Gott sei groß in seiner Ironie, da er ihm "die Bücher und die Nacht zu leben" gegeben habe. Über die häusliche Bibliothek des Dichters wunderten sich freilich die Besucher. Sie bestand nur aus wenigen niedrigen Regalen, in denen vieles aus der klassischen Tradition und noch mehr von dem fehlte, was in der Moderne für wichtig gehalten wurde.

Zu den Vorlesern des Erblindeten gehörte der 1948 in Buenos Aires geborene Alberto Manguel, der sich seither in zahlreichen Werken der Geschichte des Lesens gewidmet hat. In seinem neuen Buch erzählt der weitgereiste Literaturdozent und Übersetzer zunächst von seiner eigenen Bibliothek, die er in einer restaurierten Scheune auf einem Hügel über der Loire angelegt hat. In der Nacht betrachtet er sie gern mit dem geistigen Auge seines Idols: "In der Dunkelheit, wenn der Lichtschein durch die Fenster fällt und die Bücherreihen schimmern, ist die Bibliothek eine Welt für sich, ein Universum mit eigenen Gesetzen, die tun, als ersetzten oder überhöhten sie jene des gestaltlosen Universums ringsum."

Jede Bibliothek ist für den passioniert lesenden Betrachter das Abbild einer Kulturtechnik, die sich der Zeitlichkeit erwehrt, indem sie die Bruchstücke der Vergangenheit in die Gegenwart holt. Das Urbild aller Bibliotheken aber stehe "für das Rätsel der menschlichen Identität". Die Exkursionen zu den realen wie fiktiven Bibliotheken der Welt und der Weltliteratur, von Alexandria bis zur Sammlung des Weihnachtsmanns in Finnland, sind daher jeweils Versuche, in deren Erscheinung und Struktur die Form individueller oder kollektiver Identität in ihrer Bildung durch oder auch gegen eine Tradition zu entziffern.

Öffentliche Bibliotheken sollen den intellektuellen Reichtum eines Landes oder einer Gemeinschaft repräsentieren und zugleich Räume der gelehrten Intimität bereitstellen. In ihrer Erscheinung und Struktur spiegeln sie die gegebene Ordnung des Wissens. Aby Warburgs kulturwissenschaftliche Bibliothek sieht Manguel dagegen als Versuch, "die Nerven seiner Gedanken bloßzulegen und seinen Ideen Raum zu lassen, damit sie frei umherschweifen, sich verändern und gegenseitig befruchten konnten". Ähnlich vermittelt jede Bibliothek den Umriss der geistigen Gestalt des Besitzers. Nur bei der Hitlers fällt es dem Lektürehistoriker schwer, sich ein Bild zu machen, das der "gebotenen Grässlichkeit" entspricht.

Amüsanter sind die Hinweise auf Begebenheiten in fiktiven Bibliotheken. Im "Don Quijote" beschließen Barbier und Pfarrer, jene Bücher aus der Bibliothek des Ritters zu entfernen, die ihn um den Verstand gebracht haben. Die Haushälterin aber besteht darauf, den Raum mit Weihwasser einzusprengen, um die in den Büchern enthaltenen Zauberer zu bannen - für Manguel ein doppelter Beweis der magischen Schicksalsmacht der Bücher.

Der belesene Autor schwärmt mit sympathischer Begeisterung durch das Bücheruniversum, und er hält auch allerlei Nützliches und Anregendes für die Anlage einer Bibliothek bereit bis hin zur Wahl der Regalbretter.

Sein assoziatives und anekdotisches Erzählverfahren lässt freilich nicht selten kulturhistorische Staubwölkchen aufsteigen: "Die Bibliothek von Alexandria war ein Zentrum der Gelehrsamkeit, begründet von ptolemäischen Herrschern mit dem Ziel, die Lehren des Aristoteles zu beherzigen." Der Stil der Übersetzung wirkt auch nicht gerade befeuchtend. Dass es sich um "Staub aus Liebe" handelt, glaubt der Leser gern.

Trotzdem befällt ihn bei der Lektüre dieser hübsch ausgestatteten kleinen Universalgeschichte öfter jene Müdigkeit, die sich in der Bibliotheksluft einzustellen pflegt.

FRIEDMAR APEL

Alberto Manguel: "Die Bibliothek bei Nacht". Aus dem Englischen übersetzt von Manfred Allié und Gabriele Kempf-Allié. S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 2007. 400 S., geb., 19,90 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 05.01.2008

Wo einzig Friede herrscht
Alberto Manguels Bild der Bibliothek lässt sich an Sentimentalität und Idyllik nur mit Heimatliteratur vergleichen
In manchen Büchern hausen böse Dämonen. In diesem herrscht allein die gute Seele. Und zwar absolut. Das macht dieses Buch über die Bücherwelt so abgrundtief harmlos und treuherzig, dass den Leser, während er darin voranschreitet, allmählich das schiere Grauen erfasst: nämlich in dem Meer von Honig, der ihm hier ums Maul geschmiert wird, zu versinken. Aber wie im Schauerroman verfliegt auch hier das Grauen nicht, wenn der Leser das Ende erreicht hat. Denn dies ist ein exemplarisches Buch. Es treibt eine derzeit mächtige Tendenz ins Extrem: die Idyllisierung und sentimentale Verklärung der Buchkultur.
Alberto Manguel, dessen „Geschichte des Lesens” (1998) ein internationaler Erfolg war und der danach neben einer Stevenson-Erzählung das „Tagebuch eines Lesers” (2005) und eine Borges-Anthologie veröffentlich hat, erzählt zu Beginn seines neuen Buches „Die Bibliothek bei Nacht” davon, wie er im Herbst des Jahres 2000 auf den Hügeln südlich der Loire eine Scheune aus dem 15. Jahrhundert erworben und zu seiner Privatbibliothek hat ausbauen lassen. Und dann erzählt er in fünfzehn Kapiteln von seinem Leben in und mit dieser Bibliothek. Zwar sind den Kapiteln einige Allgemeinbegriffe lose aufgeklebt: die Bibliothek „als Mythos” oder „als Ordnung”, „als Schatten” oder als „Insel”, „als Macht” oder „als Verstand”.
Ein ewiges, fröhliches Chaos
Aber das sind nur augenzwinkernde Parodien einer Systematik. Und was hier oder dort über die Bibliothek von Alexandria oder das Dezimalsystem Melvil Dewey, über Lesesaalarchitekturen von Wolfenbüttel bis Paris oder die ambulanten „Eselsbibliotheken” in der kolumbianischen Provinz erzählt wird, ist nicht das eigentliche Anliegen des Buches. Im Grunde könnten alle seine Kapitel so heißen wie das letzte: „die Bibliothek als Zuhause”. Denn sein eigentliches Anliegen ist die Selbstfeier des ungebundenen Lesers und seiner Heimat, der Privatbibliothek. Bedauernswerte Geschöpfe sind für ihn neben den Nicht-Lesern im Grunde auch alle diejenigen, die – wie der Gelehrte, der Techniker oder der Politiker – beim Lesen andere Zwecke verfolgen als das Lesen selbst.
So konsequent untersteht in diesem Buch die Welt der Bibliotheken den Gesetzen der Heimatliteratur, dass die Tendenz zur Idylle sogar die Stammheimat der Ängste und Alpträume erfasst, die Nacht, die dem Buch den Titel gibt: „Frei von den Zwängen des Alltags gleiten meine Augen und Hände zu so später Stunde ungehindert an den ordentlichen Reihen entlang und stellen das Chaos wieder her. Ein Buch ruft überraschend nach dem anderen, schafft Bündnisse über Kulturgrenzen und Jahrhunderte hinweg. Aus Gründen, die im hellen Licht des Tages betrachtet unklar bleiben, findet eine halberinnerte Zeile ihren Nachhall in einer anderen. Die Bibliothek, die in den Morgenstunden die Sehnsucht nach einer streng an Vernunftprinzipien orientierten Weltordnung widerspiegelt, taucht nachts voller Freude ein in das elementare, fröhliche Durcheinander der Welt.”
Nein, hier muss wahrlich niemand befürchten, auch nur von ferne mit den Nachtseiten der Buchkultur behelligt zu werden. Hier ist jedes Buch im Grunde seines Herzens ein gutes Buch, und jeder Leser ein schon dadurch gerechtfertigtes Wesen, weil er liest, was auch immer er sonst in der Welt anstellt. Ein so wohltemperiertes Klima herrscht in der Bibliothek Alberto Manguels, dass er nie ein Buch wahrhaft hasst oder verabscheut, nie wird das Lesen ihm zuviel, nie leidet er an Überdruss oder Langeweile. Immer wieder reichen sich seine Bücher über die Grenzen der Kulturen und Jahrhunderte die Hände, bis der Geist der Bibliothek mit dem Geist des Kosmopolitismus und der Toleranz ununterscheidbar verschmolzen ist.
Nicht, dass es das Böse in der Welt in diesem Buch nicht gäbe: Auch das Exlibris von Adolf Hitler gehört zu seinen Abbildungen, die Bibliothek von Theresienstadt wird kurz gestreift, und die Zensoren und Bücherverbrenner aller Zeiten und Kulturen spielen mit geradezu hingebungsvoller Verlässlichkeit die Rolle der Schurken. Aber nie agieren sie aus dem Inneren der Bibliothek heraus, stets bricht das Böse von außen über sie herein. Die Bibliothek selbst bleibt über Jahrtausende hinweg der Weltinnenraum der guten Menschen.
So will es das Formgesetz der Idylle. Denn dieses Buch entspringt einem Bewusstsein, dem ein entscheidendes, zumal die Neuzeit prägendes Element der Buchkultur vollkommen abhanden gekommen ist: das Unbehagen an sich selbst. Es ist nur unzureichend erfasst, wenn man es als Anpassungsschwierigkeit an die von Buchdruck und Alphabetisierung eröffnete neue Welt bagatellisiert. Denn in diesem Unbehagen, ob in den theologischen Klagen über das Auseinandertreten von Geist und Buchstaben, in den pädagogisch-medizinischen Warnungen vor Lesewut, Vielschreiberei und Gelehrtenzank oder in der rousseauistischen Polemik gegen den Untergang der Moral im Wissen, ist eine nach-paradiesische Wahrheit aufbewahrt, die bei Autoren wie Alberto Manguel Hausverbot hat. Sie lautet: Kultur ist nicht universeller Dialog, sondern Entzweiung und Konflikt, und die Bücher sind, im einzelnen Leser wie in den Kulturen insgesamt, Instrumente der Entzweiung so gut wie der Kommunikation. Die Energien der Bücherverbrennung zirkulieren nicht an den Bibliotheken vorbei, sondern in ihrem Inneren.
Alte Hoffahrt und neue Medien
Der Abwesenheit aller Traditionen der Selbstkritik der Bücherwelt – und ihrer funkelnden Paradoxien – verdankt dieses Buch sein langweiliges Einheitsklima, in dem alle scharfen Wahrheitsansprüche, um die scharf gefochten werden könnte, verpuffen. So sehr hofiert und privilegiert es den rein belletristischen, mit seinem Müßiggang kokettierenden Leser, dass es sich solche Fechter – oder, Gott bewahre, gar Fanatiker und Dogmatiker – als Nachbarn in der Bibliothek nicht einmal von ferne vorstellen mag. Noch das Labyrinthische, das nicht erst Borges (er gehört zu den Säulenheiligen Manguels) den Bibliotheken zuschrieb, bekommt, wenn die Dämonen des Selbstverlustes und der Desorientierung verabschiedet sind, etwas Spaziergängerhaftes und Neckisches. Denn wahrhaft verirren kann man sich in einer Idylle nicht.
Leider ist in dieser Idylle die Hoffahrt nicht ausgestorben. Sie richtet sich hier gegen die konkurrierenden Medien, vor allem das Internet. Zwar erweist Alberto Manguel den Standardformeln der friedlichen Koexistenz zwischen Büchern und elektronischem Text gelegentlich seine Reverenz. Aber mit der Routine eines gewieften Taschenspielers schlägt er zugleich alle Übel der Oberflächlichkeit, Geschwätzigkeit und Trivialität dem Internet zu, um ungestört die Buchkultur als Sphäre der Tiefe und der Vergangenheit zelebrieren zu können. „Das Internet ist zeitlos; es kennt keine Zeit außer dem Albtraum einer ewig währenden Gegenwart.” Das ist so falsch wie feierlich – jedenfalls in einer gegenwärtigen Bibliothek. LOTHAR MÜLLER
ALBERTO MANGUEL: Die Bibliothek bei Nacht. Aus dem Englischen von Manfred Allié und Gabriele Kempf-Allié. S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 2007. 400 Seiten, 19,90 Euro.
Die Bibliothek brennt: Szene aus dem Film „Der Name der Rose” Foto: Cinetext
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
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Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension

Alberto Manguels Buch hat Andreas Breitenstein das "Universum der Bibliotheken" nahe gebracht. Besonders schätzt er die Mischung aus Systematik und Intuition, mit der der Autor sein Thema angeht. Er attestiert ihm, zahlreiche Aspekte und Dimensionen der Bibliothek vor Augen zu führen: die Bibliothek als Mythos, Ordnung, Raum, Macht, Schatten, Form und vieles andere. Außerdem hat der Rezensent nach eigenen Angaben eine Menge über die Geschichte der Bibliothek in allen Herren Länder gelernt. Er lobt die Darstellung als "geistreich" und "nachdenklich" sowie als "klar und brillant" geschrieben. Nur gelegentlich wirkt der Rückzug auf das Leben auf iohn ein wenig wie das gemütliche Einrichten im Elfenbeinturm.

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