Flora 717 ist eine Säuberungsbiene aus der untersten Kaste im Bienenkorb. Ausgestattet mit Fähigkeiten, die ihren Rang weit überschreiten, steigt sie schnell auf und darf an der Seite der Königin leben. Alles scheint perfekt. Doch ohne es zu wollen, gebiert Flora eines Tages ein Ei. Ein Umstand, der allein der Königin vorbehalten ist und bei Missbrauch schwer bestraft wird. Es beginnt ein Wettlauf um Zeit, Nahrung und Geschicklichkeit, um ihr Leben und das ihres geliebten Kindes.
"Laline Paul erzählt das ergreifende Abenteuer dieser Biene /=Flora/ in ihrer anderen und doch zutiefst vertrauten Welt." Buch-Magazin, April 2016
Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
Sehr angetan zeigt sich Rezensentin Christina Hucklenbroich von Laline Paulls Debütroman "Die Bienen". Allein die Idee, das Leben in einem Bienenstock als "düstere" Fabel eines totalitären Überwachungsstaates zu schildern und mit eindrücklichen Metaphern anzureichern, ringt der Kritikerin höchste Anerkennung ab. Und so folgt sie gebannt der Honigbiene Flora, die als "Säuberungsbiene" in der untersten Kaste lebt, beobachtet, wie Missbildungen ermordet werden, sich nur durch das Erkennen von Pheromonen und dank ihrer Begabung in dem unwürdigen System zurechtfindet und sich erst emanzipiert, als sie selbst Nachkommen bekommt - obwohl dies nur der Königsbiene vorbehalten ist. Hucklenbroich liest hier nicht nur einen herausragend konstruierten Abenteuerroman mit Fantasy-Elementen, sondern amüsiert sich im besten Sinne auch über "honigtriefenden Kitsch", etwa wenn Bienen in der hauseigenenen Patisserie "Pollenplätzchen" backen.
© Perlentaucher Medien GmbH
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 23.08.2014Das Drama des begabten Insekts
Honigsüßer Kitsch: Laline Paull erzählt in ihrem Debütroman, wie die Eigenschaften der Arbeitsbiene Flora 717 ihr einen atemraubenden sozialen Aufstieg ermöglichen
Als Flora 717 geboren wird, betritt sie eine Welt brutaler Gewalt. Schon in den ersten Momenten ihres Lebens wird sie Zeugin, wie eine Gruppe mitleidloser Polizistinnen eine junge Artgenossin tötet, die sich in Floras Zelle geflüchtet hat. "Missbildungen sind böse. Missbildungen sind nicht erlaubt", skandieren die Verfolgerinnen, nachdem sie die noch feuchten Membranen des gerade geschlüpften Weibchens mit ihren in Panzerhandschuhen steckenden Händen untersucht haben.
Flora bleibt verschont, obwohl auch sie anders ist: zu groß, hässlich in den Augen der anderen. Und sie kann sprechen, eine Fähigkeit, die den übrigen Angehörigen ihrer Kaste fehlt. Eine Priesterin rettet Flora, indem sie sie für ein Experiment auswählt und auf die Kinderstation versetzt, wo sie Füttern und Pflegen erlernt.
Flora, die Priesterin, die Polizistinnen, die unglückliche Artgenossin - sie alle sind Bienen, Honigbienen, die in einem Stock in einem alten Obstgarten leben, nur selten besucht von einem Hobbyimker, dem das Grundstück gehört. Flora 717 ist hier eine unter Tausenden Arbeiterinnen, und zwar eine aus der untersten Kaste, der der "Säuberungsbienen", die stumm sind, von den anderen verachtet werden, strenge Regeln beachten müssen, sich stets unterwürfig verhalten und mit den niedrigsten Aufgaben betraut sind.
Laline Paull, in Großbritannien aufgewachsene Tochter indischer Einwanderer und Autorin mehrerer Theaterstücke, hat Flora 717 zur Protagonistin ihres Debütromans gemacht. In "Die Bienen" interpretiert Paull die bekannten Tatsachen über die Biologie und das Sozialverhalten der Honigbienen neu, um eine düstere Fabel über Begabung, sozialen Aufstieg und die Revolution in totalitären Systemen zu entwerfen. Das ist, alles in allem, honigtriefender Kitsch, ornamentiert mit verspielten Details: Paull schmückt die verschiedenen Arbeitsbereiche, die es in Bienenstöcken tatsächlich gibt, phantasievoll und nach dem Vorbild menschlicher Gesellschaften aus. Ihre Bienen arbeiten in der "Patisserie" an Pollenplätzchen und Honigkuchen, sie gehören Putztrupps an, sind Nektarsammlerinnen oder Kindermädchen, sie treffen sich in der Kantine und kommen zu Andachten zusammen. Im "Drohnenklub" lümmeln die männlichen Bienen auf Bänken, brüllen nach Nektar und werden von jungen Arbeiterinnen mit Balsam eingerieben. Sie belästigen die "Mädchen" mit vulgären Bemerkungen, weil ihnen die Zeit lang wird bis zum nächsten Ausschwärmen, bei dem sie versuchen können, die Gunst der Königin eines anderen Stocks zu erringen.
Doch "Die Bienen" ist auch ein rasanter Abenteuerroman, der immer wieder den Atem stocken lässt. Flora wird aufgrund ihrer körperlichen Stärke zur Pollensammlerin und darf den Stock für Flüge verlassen, sie entkommt Spinnen, kämpft mit Wespen, wird vom Sturm emporgerissen und in einem Gewächshaus Zeugin, wie eine fleischfressende Pflanze eine Fliege verschlingt. Wegen dieses temporeichen Plots wurde Paulls Debüt im englischsprachigen Raum bereits mit den "Tributen von Panem" verglichen.
Fesselnd ist "Die Bienen" aber nicht nur wegen seines Tempos, sondern auch wegen der erstaunlichen Chiffren, die die Autorin für Floras Ausnahmebegabung entwickelt, die ihr den sozialen Aufstieg ermöglicht. Die Luft in Floras Stock ist, so beschreibt es Paull, geschwängert von Pheromonen. Flora scheint in besonderer Weise befähigt, diese Duftstoffe zu "lesen" und sich damit in der Welt der unausgesprochenen Geheimnisse eines Überwachungsstaates zurechtzufinden: "Während die Liebe der Königin ihren Körper und ihr Gehirn durchströmte, wurden all die Kodes und Frequenzen in den Fliesen langsamer und nahmen die Gestalt einer Karte an - einer Karte des Stockes, durch den fortwährend Informationen flossen."
Paull findet aber vor allem eine alles bestimmende Metapher für das, was Flora schließlich zur erklärten Feindin der Mächtigen macht. Sie wird zur Staatsfeindin, als sie, ohne es geplant zu haben, ein Ei produziert. Ein Sakrileg: Nur die Königin darf sich fortpflanzen. Doch Flora ist zu verzaubert, um weiter gehorsam zu sein: "Das Ding, das sie berührte, war klein und warm, und es leuchtete von innen heraus . . . Das Ei leuchtete immer heller, und sein Duft war das Süßeste, was sie je gerochen hatte, süßer noch als die Andacht."
Flora, die leicht einzuschüchternde Säuberungsbiene, wird erst nach den "Geburten" (insgesamt drei Eier kommen zur Welt) zur Kämpferin, die über Leichen geht, um ihre Nachkommen zu schützen. Und nur durch die Existenz ihrer Eier, die sie verstecken muss, findet Flora die Kraft, ihr Talent so zu nutzen, dass das Bienenvolk überlebt. Es ist also eine uralte Geschichte, die Laline Paull erzählt. Sie macht einen akribisch durchkomponierten Abenteuerroman mit Fantasy-Elementen daraus und taucht alles in die Süße des Honigs.
CHRISTINA HUCKLENBROICH
Laline Paull: "Die Bienen". Roman.
Aus dem Amerikanischen von Hannes Riffel. Tropen Verlag, Stuttgart 2014. 346 S., geb., 19,95 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Honigsüßer Kitsch: Laline Paull erzählt in ihrem Debütroman, wie die Eigenschaften der Arbeitsbiene Flora 717 ihr einen atemraubenden sozialen Aufstieg ermöglichen
Als Flora 717 geboren wird, betritt sie eine Welt brutaler Gewalt. Schon in den ersten Momenten ihres Lebens wird sie Zeugin, wie eine Gruppe mitleidloser Polizistinnen eine junge Artgenossin tötet, die sich in Floras Zelle geflüchtet hat. "Missbildungen sind böse. Missbildungen sind nicht erlaubt", skandieren die Verfolgerinnen, nachdem sie die noch feuchten Membranen des gerade geschlüpften Weibchens mit ihren in Panzerhandschuhen steckenden Händen untersucht haben.
Flora bleibt verschont, obwohl auch sie anders ist: zu groß, hässlich in den Augen der anderen. Und sie kann sprechen, eine Fähigkeit, die den übrigen Angehörigen ihrer Kaste fehlt. Eine Priesterin rettet Flora, indem sie sie für ein Experiment auswählt und auf die Kinderstation versetzt, wo sie Füttern und Pflegen erlernt.
Flora, die Priesterin, die Polizistinnen, die unglückliche Artgenossin - sie alle sind Bienen, Honigbienen, die in einem Stock in einem alten Obstgarten leben, nur selten besucht von einem Hobbyimker, dem das Grundstück gehört. Flora 717 ist hier eine unter Tausenden Arbeiterinnen, und zwar eine aus der untersten Kaste, der der "Säuberungsbienen", die stumm sind, von den anderen verachtet werden, strenge Regeln beachten müssen, sich stets unterwürfig verhalten und mit den niedrigsten Aufgaben betraut sind.
Laline Paull, in Großbritannien aufgewachsene Tochter indischer Einwanderer und Autorin mehrerer Theaterstücke, hat Flora 717 zur Protagonistin ihres Debütromans gemacht. In "Die Bienen" interpretiert Paull die bekannten Tatsachen über die Biologie und das Sozialverhalten der Honigbienen neu, um eine düstere Fabel über Begabung, sozialen Aufstieg und die Revolution in totalitären Systemen zu entwerfen. Das ist, alles in allem, honigtriefender Kitsch, ornamentiert mit verspielten Details: Paull schmückt die verschiedenen Arbeitsbereiche, die es in Bienenstöcken tatsächlich gibt, phantasievoll und nach dem Vorbild menschlicher Gesellschaften aus. Ihre Bienen arbeiten in der "Patisserie" an Pollenplätzchen und Honigkuchen, sie gehören Putztrupps an, sind Nektarsammlerinnen oder Kindermädchen, sie treffen sich in der Kantine und kommen zu Andachten zusammen. Im "Drohnenklub" lümmeln die männlichen Bienen auf Bänken, brüllen nach Nektar und werden von jungen Arbeiterinnen mit Balsam eingerieben. Sie belästigen die "Mädchen" mit vulgären Bemerkungen, weil ihnen die Zeit lang wird bis zum nächsten Ausschwärmen, bei dem sie versuchen können, die Gunst der Königin eines anderen Stocks zu erringen.
Doch "Die Bienen" ist auch ein rasanter Abenteuerroman, der immer wieder den Atem stocken lässt. Flora wird aufgrund ihrer körperlichen Stärke zur Pollensammlerin und darf den Stock für Flüge verlassen, sie entkommt Spinnen, kämpft mit Wespen, wird vom Sturm emporgerissen und in einem Gewächshaus Zeugin, wie eine fleischfressende Pflanze eine Fliege verschlingt. Wegen dieses temporeichen Plots wurde Paulls Debüt im englischsprachigen Raum bereits mit den "Tributen von Panem" verglichen.
Fesselnd ist "Die Bienen" aber nicht nur wegen seines Tempos, sondern auch wegen der erstaunlichen Chiffren, die die Autorin für Floras Ausnahmebegabung entwickelt, die ihr den sozialen Aufstieg ermöglicht. Die Luft in Floras Stock ist, so beschreibt es Paull, geschwängert von Pheromonen. Flora scheint in besonderer Weise befähigt, diese Duftstoffe zu "lesen" und sich damit in der Welt der unausgesprochenen Geheimnisse eines Überwachungsstaates zurechtzufinden: "Während die Liebe der Königin ihren Körper und ihr Gehirn durchströmte, wurden all die Kodes und Frequenzen in den Fliesen langsamer und nahmen die Gestalt einer Karte an - einer Karte des Stockes, durch den fortwährend Informationen flossen."
Paull findet aber vor allem eine alles bestimmende Metapher für das, was Flora schließlich zur erklärten Feindin der Mächtigen macht. Sie wird zur Staatsfeindin, als sie, ohne es geplant zu haben, ein Ei produziert. Ein Sakrileg: Nur die Königin darf sich fortpflanzen. Doch Flora ist zu verzaubert, um weiter gehorsam zu sein: "Das Ding, das sie berührte, war klein und warm, und es leuchtete von innen heraus . . . Das Ei leuchtete immer heller, und sein Duft war das Süßeste, was sie je gerochen hatte, süßer noch als die Andacht."
Flora, die leicht einzuschüchternde Säuberungsbiene, wird erst nach den "Geburten" (insgesamt drei Eier kommen zur Welt) zur Kämpferin, die über Leichen geht, um ihre Nachkommen zu schützen. Und nur durch die Existenz ihrer Eier, die sie verstecken muss, findet Flora die Kraft, ihr Talent so zu nutzen, dass das Bienenvolk überlebt. Es ist also eine uralte Geschichte, die Laline Paull erzählt. Sie macht einen akribisch durchkomponierten Abenteuerroman mit Fantasy-Elementen daraus und taucht alles in die Süße des Honigs.
CHRISTINA HUCKLENBROICH
Laline Paull: "Die Bienen". Roman.
Aus dem Amerikanischen von Hannes Riffel. Tropen Verlag, Stuttgart 2014. 346 S., geb., 19,95 [Euro].
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