Tanz auf dem Vulkan
Paris 2017: Aurelia ist überrascht, als ihre Großmutter Estelle, die immer in Marseille gelebt hat, ihr ein Appartement in Paris vererbt. Ihr Erstaunen ist noch größer, als sie von den Nachbarn erfährt, dass es seit 1943 unbewohnt ist („… in dieser Zeit hat nie jemand die
Wohnung betreten oder verlassen.“ (S. 9)) und sie darin eine wertvolle Gemäldesammlung, Couturekleider,…mehrTanz auf dem Vulkan
Paris 2017: Aurelia ist überrascht, als ihre Großmutter Estelle, die immer in Marseille gelebt hat, ihr ein Appartement in Paris vererbt. Ihr Erstaunen ist noch größer, als sie von den Nachbarn erfährt, dass es seit 1943 unbewohnt ist („… in dieser Zeit hat nie jemand die Wohnung betreten oder verlassen.“ (S. 9)) und sie darin eine wertvolle Gemäldesammlung, Couturekleider, Schuhe, Hüte, Pelze und Schmuck findet – und deutsche Zeitschriften aus der Besatzungszeit. Hat ihre Großmutter mit den Nazis kollaboriert und die Bilder sind Raubkunst? Aurelia beauftragt den Kunsthistoriker Gabriel mit der Restauration und Ermittlung der Provenienz der Bilder, da sie sie ihren ursprünglichen Besitzern bzw. deren Erben zurückgeben will, falls Estelle sie sich zu Unrecht angeeignet hat.
„Ich bin nur eine Frau mit schönen Kleidern, eine reiche Erbin, der alle Türen der Gesellschaft offenstehen, mit einem mühsam erlangten guten Ruf, der andere davon ausgehen lässt, dass ich mir diesen Krieg gut gelaunt schöntrinken will. Das sind die einzigen Waffen, die ich habe.“ (S. 105)
Paris 1940: Estelles Tarnung ist perfekt. Die schöne, reiche, junge Frau verbringt ihre Abende oft im Ritz, wo sie die deutschen Besatzer unterhält und aushorcht. Dass sie in ihrer Wohnung die Gemälde jüdischer Freunde und immer wieder auch Verfolgte versteckt, ahnt niemand.
„Die Bilder der Madame Allard“ erzählt die fiktive Geschichte mutiger junger Frauen, die im 2. in Paris gegen die Nazis kämpfen. Estelle spioniert hochrangige Besatzer aus und gibt die Informationen an die Résistance weiter. Außerdem hilft sie, abgeschossenen Piloten zurück in die Heimat zu bringen. Bei einem ihrer Einsätze lernt sie Sophie kennen. Die Engländerin ist ein Sprachgenie und wurde für einen Spezialauftrag nach Paris geschickt, der ihr und Estelle alles abverlangt, was sie an Verstellungskunst und Improvisation drauf haben.
Natürlich ist die Geschichte, die Kelly Bowen erzählt, an sich nicht neu, aber die Gemälde und deren unklare Herkunft geben ihr einen besonderen Twist. Zudem halten die häufigen Wechsel zwischen den verschiedenen Erzählsträngen, Personen und Zeitebenen die Spannung aufrecht.
Was Estelle, Sophie und die Anderen leisten und wie flexibel sie auf Situationen reagieren, gleicht einem Tanz auf dem Vulkan. Die Autorin beschreibt die Szenen in der Vergangenheit und die Charaktere sehr anschaulich und extrem fesselnd. Die Ängste, Zweifel und auch Schuldgefühle der Protagonisten sind gut nachvollziehbar.
Leider hat sie es nicht geschafft, das auch auf den Strang in der Gegenwart zu übertragen. Aurelia und Gabriel bleiben recht blass, vieles aus ihrem Leben wird nur angedeutet und die Romanze fand ich zu konstruiert. Dafür hätte ich mir das Ende ausführlicher gewünscht.
Mein Fazit: Eine bewegende (und geheimnisvolle Familien-)Geschichte über den französischen Widerstand und Gemälde mit unklarer Provenienz, nur das Geschehen in der Gegenwart passte für mich nicht so ganz.