Der zweifache Pulitzer-Preisträger Steve Coll schildert mit zahlreichen bisher unbekannten Details Aufstieg, Leben und Einfluss der Familie Bin Laden, aus deren Mitte der meistgesuchte Terrorist der Welt stammt. Aus einfachen Verhältnissen im Jemen kommend, wurde sie in Saudi-Arabien zu einer der reichsten Familien des Landes mit globalen Beziehungen in Wirtschaft und Politik. Colls eindrucksvolles Porträt bietet auch neue Erkenntnisse über die Person Osama Bin Ladens.
Mit dem 11. September rückte die Familie Bin Laden schlagartig ins Blickfeld der Weltöffentlichkeit. Der amerikanische investigative Journalist und Pulitzer-Preisträger Steve Coll hat jahrelang im Umfeld des Clans recherchiert und schildert erstmals ausführlich dessen Geschichte Mohammed Bin Ladens bescheidene Anfänge im Jemen, den märchenhaften Aufstieg des 54-fachen Vaters als Bauherr aller wichtigen Großprojekte im Saudi-Arabien der Ölboom-Zeit; die Investitionen der Familie in den USA und ihre engen Beziehungen zum amerikanischen und europäischen Establishment, gegen die einer der Söhne, Osama, rebellierte; schließlich die Tage nach dem 11. September 2001, als die Familie weltweit in Ungnade fiel. In Colls brillanter Erzählung werden die Widersprüche des Lebens in Saudi-Arabien sichtbar, aus denen Osama Bin Laden hervorging die von Traditionen geprägten rigiden Lebensverhältnisse einerseits, Öl-Reichtum, rasanter Wandel, Offenheit und Verlockungen der westlichen Welt andererseits.
- Erste umfasse, sorgfältig recherchierte Darstellung der Familie, aus der Osama Bin Laden stammt
- Aufschlussreiche neue Erkenntnisse über den Werdegang und die Finanzen Osama Bin Ladens
- Zeigt exemplarisch die Zerrissenheit und Widersprüchlichkeit der arabischen Welt
Mit dem 11. September rückte die Familie Bin Laden schlagartig ins Blickfeld der Weltöffentlichkeit. Der amerikanische investigative Journalist und Pulitzer-Preisträger Steve Coll hat jahrelang im Umfeld des Clans recherchiert und schildert erstmals ausführlich dessen Geschichte Mohammed Bin Ladens bescheidene Anfänge im Jemen, den märchenhaften Aufstieg des 54-fachen Vaters als Bauherr aller wichtigen Großprojekte im Saudi-Arabien der Ölboom-Zeit; die Investitionen der Familie in den USA und ihre engen Beziehungen zum amerikanischen und europäischen Establishment, gegen die einer der Söhne, Osama, rebellierte; schließlich die Tage nach dem 11. September 2001, als die Familie weltweit in Ungnade fiel. In Colls brillanter Erzählung werden die Widersprüche des Lebens in Saudi-Arabien sichtbar, aus denen Osama Bin Laden hervorging die von Traditionen geprägten rigiden Lebensverhältnisse einerseits, Öl-Reichtum, rasanter Wandel, Offenheit und Verlockungen der westlichen Welt andererseits.
- Erste umfasse, sorgfältig recherchierte Darstellung der Familie, aus der Osama Bin Laden stammt
- Aufschlussreiche neue Erkenntnisse über den Werdegang und die Finanzen Osama Bin Ladens
- Zeigt exemplarisch die Zerrissenheit und Widersprüchlichkeit der arabischen Welt
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 01.10.2008Der Anführer
Steve Coll beschreibt das Leben von Usama Bin Ladin
Persönlich getroffen hat er Usama Bin Ladin nie. Dennoch legt Steve Coll die umfassendste Biographie des Top-Terroristen vor, die derzeit auf dem Markt ist. Steve Coll hat jahrelang das Leben des berüchtigtsten Menschen der Welt erforscht: Mit einem Gastvisum hat er Saudi-Arabien besucht. Er hat in der Stadt Dschidda, in der Bin Ladin gelebt hat, Informationen zusammengetragen, mit Menschen gesprochen, die ihn kennen, und schließlich auch Zugang zur Familie Bin Ladin erhalten.
Der zweifache Pulitzerpreisgewinner präsentiert den Al-Qaida-Anführer als gewöhnlichen Menschen, nicht als Dämon und nicht als Fleischwerdung des Bösen. Steve Coll beschreibt Usama Bin Ladin unter anderem als Kämpfer in Afghanistan. Er, der Spross einer noblen Familie, wird von Familienmitgliedern im Kampf finanziell unterstützt, einige besuchen ihn am Hindukusch. Nach seiner Rückkehr aus dem Guerrillakampf ist er, wie viele andere junge Krieger auch, in seiner Heimat ein gefeierter Held. Mit dem Rückhalt seiner Bewunderer beginnt er, das saudische Königshaus zu kritisieren. Maßvoll, aber dennoch über Gebühr dessen, was das politische System seinerzeit an Freiheiten zugelassen hat. Sein Hauptkritikpunkt ist die Kooperation des Herrscherhauses mit den Vereinigten Staaten von Amerika. Durch seine andauernde Kritik fällt er bei den Saudis in Ungnade, sein Vermögen wird eingefroren, er verliert die Staatsbürgerschaft.
Diese Ereignisse sind es schließlich, so Coll, durch die Usama Bin Ladin sich radikalisiert: Aus seiner abwägenden Kritik wird ungezügelte Ablehnung. Den Einfluss westlicher Mächte, in denen er die Feinde des Islam erkennt, auf die islamische Welt, will er mit allen Mitteln brechen. Der geistliche Fokus von Bin Ladins Äußerungen liegt fortan auf der inneren Reinigung der muslimischen Gemeinschaft, zu deren Anmahnung er sich berufen fühlt. Doch diese Rolle fällt ihm eher zu, als dass er sie aktiv gesucht hat.
Der junge Kämpfer ordnet sich nicht seiner Familie und ihrem Einfluss unter - wie seine Geschwister und Anverwandten. Das macht ihn nach Coll zu einer Pop-Ikone unter muslimischen Jugendlichen - bis heute: Bin LadIn ist nicht der beste Theoretiker einer islamischen Gesellschaftsordnung. Aber er gilt als der ehrlichste Verfechter einer islamischen Utopie. Er hat den Reichtum seiner Familie hinter sich gelassen, um den Weg des Islam zu gehen. Das trägt ihm Respekt ein, deshalb hört man darauf, was er zu sagen hat. Bin Ladin hat nicht aufgehört, zu kritisieren und den Finger in die Wunden der islamischen Länder zu legen. Er kommt, wie ein Al-Dschazira-Reporter, per Videobotschaft in die Wohnzimmer der islamischen Welt. Dabei kommentiert er kritischer, als das ein normaler Journalist in den jeweiligen Ländern je könnte. Auch das bringt ihm den Respekt ein, der den Menschen im Westen so schwer verständlich ist.
Dort kennt man nur den Teil seiner Botschaften, die um seine apokalyptische Weltsicht kreisen: Am Ende der Zeit kommt es nach der Vorstellung der islamistischen Ideologie zu einem Showdown zwischen den Kräften des Islam und denen des Unglaubens. Der Islam wird daraus als Sieger hervorgehen. Bin Ladin, so Coll, nimmt mit Wohlwollen wahr, dass auch sein Widersacher, personifiziert in George W. Bush, die Terminologie "großer Krieg" für die Auseinandersetzung mit Al Qaida gebraucht.
Coll schreibt Usama Bin Ladin einen zurückhaltenden Charakter zu, ein Mann, der bescheiden und nicht aufbrausend ist. Und er deckt in seiner Biographie auch die Schwachstellen des Top-Terroristen auf: Er gerate immer dann außer sich, wenn er nach den vielen zivilen Opfern muslimischen Glaubens gefragt wird, die sein Dschihad bislang gefordert hat, sei es am 11. September 2001, sei es irgendwo sonst auf der Welt. Dann gebe er unklare Antworten, gerate ins Stottern. Über nichtmuslimische Opfer sehe der abgebrühte Ideologe jedoch knallhart hinweg.
Sollte Bin Ladin in der nächsten Zeit gefasst werden, wird die Organisation - also die von ihm in den Medien geschickt propagierte "Marke" Al Qaida - weiterbestehen, meint Coll. Irgendwo entlang der afghanisch-pakistanischen Grenze vermutet er den Ex-Saudi. Die Bereitschaft, Bin Ladin zu verraten, sei in der Zwischenzeit gewachsen. Als Grund nennt er die vielen zivilen Opfer, die Al Qaida in Pakistan zu verantworten habe.
ALEXANDER GÖRLACH
Steve Coll: Die Bin Ladens. Eine arabische Familie. Deutsche Verlags-Anstalt, München 2008. 736 S., 24,95 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Steve Coll beschreibt das Leben von Usama Bin Ladin
Persönlich getroffen hat er Usama Bin Ladin nie. Dennoch legt Steve Coll die umfassendste Biographie des Top-Terroristen vor, die derzeit auf dem Markt ist. Steve Coll hat jahrelang das Leben des berüchtigtsten Menschen der Welt erforscht: Mit einem Gastvisum hat er Saudi-Arabien besucht. Er hat in der Stadt Dschidda, in der Bin Ladin gelebt hat, Informationen zusammengetragen, mit Menschen gesprochen, die ihn kennen, und schließlich auch Zugang zur Familie Bin Ladin erhalten.
Der zweifache Pulitzerpreisgewinner präsentiert den Al-Qaida-Anführer als gewöhnlichen Menschen, nicht als Dämon und nicht als Fleischwerdung des Bösen. Steve Coll beschreibt Usama Bin Ladin unter anderem als Kämpfer in Afghanistan. Er, der Spross einer noblen Familie, wird von Familienmitgliedern im Kampf finanziell unterstützt, einige besuchen ihn am Hindukusch. Nach seiner Rückkehr aus dem Guerrillakampf ist er, wie viele andere junge Krieger auch, in seiner Heimat ein gefeierter Held. Mit dem Rückhalt seiner Bewunderer beginnt er, das saudische Königshaus zu kritisieren. Maßvoll, aber dennoch über Gebühr dessen, was das politische System seinerzeit an Freiheiten zugelassen hat. Sein Hauptkritikpunkt ist die Kooperation des Herrscherhauses mit den Vereinigten Staaten von Amerika. Durch seine andauernde Kritik fällt er bei den Saudis in Ungnade, sein Vermögen wird eingefroren, er verliert die Staatsbürgerschaft.
Diese Ereignisse sind es schließlich, so Coll, durch die Usama Bin Ladin sich radikalisiert: Aus seiner abwägenden Kritik wird ungezügelte Ablehnung. Den Einfluss westlicher Mächte, in denen er die Feinde des Islam erkennt, auf die islamische Welt, will er mit allen Mitteln brechen. Der geistliche Fokus von Bin Ladins Äußerungen liegt fortan auf der inneren Reinigung der muslimischen Gemeinschaft, zu deren Anmahnung er sich berufen fühlt. Doch diese Rolle fällt ihm eher zu, als dass er sie aktiv gesucht hat.
Der junge Kämpfer ordnet sich nicht seiner Familie und ihrem Einfluss unter - wie seine Geschwister und Anverwandten. Das macht ihn nach Coll zu einer Pop-Ikone unter muslimischen Jugendlichen - bis heute: Bin LadIn ist nicht der beste Theoretiker einer islamischen Gesellschaftsordnung. Aber er gilt als der ehrlichste Verfechter einer islamischen Utopie. Er hat den Reichtum seiner Familie hinter sich gelassen, um den Weg des Islam zu gehen. Das trägt ihm Respekt ein, deshalb hört man darauf, was er zu sagen hat. Bin Ladin hat nicht aufgehört, zu kritisieren und den Finger in die Wunden der islamischen Länder zu legen. Er kommt, wie ein Al-Dschazira-Reporter, per Videobotschaft in die Wohnzimmer der islamischen Welt. Dabei kommentiert er kritischer, als das ein normaler Journalist in den jeweiligen Ländern je könnte. Auch das bringt ihm den Respekt ein, der den Menschen im Westen so schwer verständlich ist.
Dort kennt man nur den Teil seiner Botschaften, die um seine apokalyptische Weltsicht kreisen: Am Ende der Zeit kommt es nach der Vorstellung der islamistischen Ideologie zu einem Showdown zwischen den Kräften des Islam und denen des Unglaubens. Der Islam wird daraus als Sieger hervorgehen. Bin Ladin, so Coll, nimmt mit Wohlwollen wahr, dass auch sein Widersacher, personifiziert in George W. Bush, die Terminologie "großer Krieg" für die Auseinandersetzung mit Al Qaida gebraucht.
Coll schreibt Usama Bin Ladin einen zurückhaltenden Charakter zu, ein Mann, der bescheiden und nicht aufbrausend ist. Und er deckt in seiner Biographie auch die Schwachstellen des Top-Terroristen auf: Er gerate immer dann außer sich, wenn er nach den vielen zivilen Opfern muslimischen Glaubens gefragt wird, die sein Dschihad bislang gefordert hat, sei es am 11. September 2001, sei es irgendwo sonst auf der Welt. Dann gebe er unklare Antworten, gerate ins Stottern. Über nichtmuslimische Opfer sehe der abgebrühte Ideologe jedoch knallhart hinweg.
Sollte Bin Ladin in der nächsten Zeit gefasst werden, wird die Organisation - also die von ihm in den Medien geschickt propagierte "Marke" Al Qaida - weiterbestehen, meint Coll. Irgendwo entlang der afghanisch-pakistanischen Grenze vermutet er den Ex-Saudi. Die Bereitschaft, Bin Ladin zu verraten, sei in der Zwischenzeit gewachsen. Als Grund nennt er die vielen zivilen Opfer, die Al Qaida in Pakistan zu verantworten habe.
ALEXANDER GÖRLACH
Steve Coll: Die Bin Ladens. Eine arabische Familie. Deutsche Verlags-Anstalt, München 2008. 736 S., 24,95 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension
Positiv bespricht Monika Jung-Mounib die Familienbiografie der bin Ladens des zweifachen Pulitzerpreisträgers Steve Bell, die vom Aufstieg der Dynastie, dank intensiver Vernetzung mit dem saudischen Königshaus, zu einem der mächtigsten Familienunternehmen der arabischen Welt erzählt. Obgleich die Rezensentin einräumt, wirklich neu sei lediglich die Information, dass der Clan des Terror-Chefs Osama bin Laden nach den Anschlägen vom 11. September infolge des gestiegenen Ölpreises enorme Gewinne erwirtschaftet habe. Dennoch findet sie insbesondere die Ausführungen über die Frage, wie sich die Familiengeschichte und die Tatsache, dass Osama zwischen zwei Welten heranwuchs, die gegensätzlicher nicht hätten sein können, auf dessen spätere Radikalisierung ausgewirkt haben. Gar "meisterhaft" findet sie aufgezeigt, inwiefern die Widersprüche Saudi-Arabiens im Hinblick auf Religion und Moderne sowie das von "Gier durchzogene Verhältnis" zu den USA Osamas ideologische Entwicklung beeinflusst hätten. Ihr Fazit: informativ und lesenswert.
© Perlentaucher Medien GmbH
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