1959 empfahl Hans Magnus Enzensberger wärmstens »den ersten Roman eines Mannes namens Günter Grass«, der »Schreie der Freude und der Empörung hervorrufen« werde. Mann und Buch sind heute weltberühmt, seit nun genau fünfzig Jahren geht Die Blechtrommel über Ihren Kassentresen und fasziniert Leser aller Generationen. Grass hat vor einem halben Jahrhundert eine wirklich sehr haltbare Ware produziert, die in keinem Buchregal fehlen darf. Zum Jubiläum bieten wir die Geschichte von Oskar Matzerath in einer schönen und wohlfeilen Sonderausgabe an.
Dem Roman ist eine umfassende Dokumentation internationaler Stimmen zur »Blechtrommel« beigegeben, zusammengestellt von Uwe Neumann. Roman und Begleitbuch befinden sich in einem Kartonschuber.
Umschlag-Doppel: Für diese Geburtstagsausgabe hat Günter Grass einen neuen Umschlag mit fünf trommelnden Oskars gezeichnet. Ein zweiter Schutzumschlag zeigt das Motiv der Erstausgabe.
Dem Roman ist eine umfassende Dokumentation internationaler Stimmen zur »Blechtrommel« beigegeben, zusammengestellt von Uwe Neumann. Roman und Begleitbuch befinden sich in einem Kartonschuber.
Umschlag-Doppel: Für diese Geburtstagsausgabe hat Günter Grass einen neuen Umschlag mit fünf trommelnden Oskars gezeichnet. Ein zweiter Schutzumschlag zeigt das Motiv der Erstausgabe.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 21.02.2021Das lesen doch nur die Streber
Sie freue sich auf die zwei Jahre Leistungskurs, sagte unsere Deutschlehrerin, und dass sie auch gern mit uns das Programm diskutieren würde, "aber damit das von vornherein klar ist: Wir lesen auf keinen Fall die ,Blechtrommel'! Die ist mir zu unappetitlich."
Normalerweise sind es ja die Schülerinnen und Schüler, die von Schullektüre traumatisiert sind. Aber eine von Schullektüre traumatisierte Lehrerin: Das war interessant. Und sie war sogar Direktorin unseres Gymnasiums: eine unzeremonielle Katholikin mit liberalem Humor trotz emsländischen Migrationshintergrunds. Anderseits, wer würde schon darauf pochen, die "Blechtrommel" zu lesen, wenn die Lehrerin selbst es nicht ausgehalten hatte? Doch nur Streber.
Genau. Also las ich die "Blechtrommel", freiwillig, allein und zu Hause. Genau wie die "Deutschstunde" von Lenz, ein Roman, der so sagenhaft horrorlangweilig sein sollte, dass sich Gerüchte darüber auf den Fluren unserer Schule wie Gespenster hielten. Mir aber gefiel er. "Die Blechtrommel" dagegen - "unappetitlich" trifft es schon, weil es ja oft um fieses Essen geht, Aale im Pferdekopf, immer wieder aufgekochtes Nudelwasser, Zwiebeln. Wie das nun mit dem Romanthema zusammenhing, ja was das Thema eigentlich sein soll, weiß ich nicht: Ich habe den Roman ja nicht in der Schule gelesen, und es ist auch nicht vorstellbar, dass "In der ,Blechtrommel' geht es um fieses Essen" eine erfolgversprechende Antwort im Deutsch-LK gewesen wäre.
Eine preiswürdige Interpretation der "Blechtrommel" aus einem Deutsch-Abitur ein paar Jahre zuvor war mal in unserem Schuljahrbuch abgedruckt gewesen (anderer Lehrer, stärkerer Magen). Ich wäre froh zu behaupten, dass es die Mechanik der Schullektüre war, die alles, was man nicht in der Schule lesen muss, interessant wirken lässt und umgekehrt alles stigmatisiert: Aber am Ende war es nur rasender Ehrgeiz, was mich die "Blechtrommel" aushalten ließ. Wie sehr das zum Aufsteiger Grass gepasst hat, habe ich damals nicht gewusst.
Tobias Rüther
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Sie freue sich auf die zwei Jahre Leistungskurs, sagte unsere Deutschlehrerin, und dass sie auch gern mit uns das Programm diskutieren würde, "aber damit das von vornherein klar ist: Wir lesen auf keinen Fall die ,Blechtrommel'! Die ist mir zu unappetitlich."
Normalerweise sind es ja die Schülerinnen und Schüler, die von Schullektüre traumatisiert sind. Aber eine von Schullektüre traumatisierte Lehrerin: Das war interessant. Und sie war sogar Direktorin unseres Gymnasiums: eine unzeremonielle Katholikin mit liberalem Humor trotz emsländischen Migrationshintergrunds. Anderseits, wer würde schon darauf pochen, die "Blechtrommel" zu lesen, wenn die Lehrerin selbst es nicht ausgehalten hatte? Doch nur Streber.
Genau. Also las ich die "Blechtrommel", freiwillig, allein und zu Hause. Genau wie die "Deutschstunde" von Lenz, ein Roman, der so sagenhaft horrorlangweilig sein sollte, dass sich Gerüchte darüber auf den Fluren unserer Schule wie Gespenster hielten. Mir aber gefiel er. "Die Blechtrommel" dagegen - "unappetitlich" trifft es schon, weil es ja oft um fieses Essen geht, Aale im Pferdekopf, immer wieder aufgekochtes Nudelwasser, Zwiebeln. Wie das nun mit dem Romanthema zusammenhing, ja was das Thema eigentlich sein soll, weiß ich nicht: Ich habe den Roman ja nicht in der Schule gelesen, und es ist auch nicht vorstellbar, dass "In der ,Blechtrommel' geht es um fieses Essen" eine erfolgversprechende Antwort im Deutsch-LK gewesen wäre.
Eine preiswürdige Interpretation der "Blechtrommel" aus einem Deutsch-Abitur ein paar Jahre zuvor war mal in unserem Schuljahrbuch abgedruckt gewesen (anderer Lehrer, stärkerer Magen). Ich wäre froh zu behaupten, dass es die Mechanik der Schullektüre war, die alles, was man nicht in der Schule lesen muss, interessant wirken lässt und umgekehrt alles stigmatisiert: Aber am Ende war es nur rasender Ehrgeiz, was mich die "Blechtrommel" aushalten ließ. Wie sehr das zum Aufsteiger Grass gepasst hat, habe ich damals nicht gewusst.
Tobias Rüther
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