2015 zählten die deutschen Behörden 1091894 eintreffende Flüchtlinge. Die Zahl der fremdenfeindlichen und rassistischen Angriffe erreichte einen Höchststand, doch gleichzeitig entstanden unzählige Willkommensinitiativen. Der Journalist Christian Jakob beschreibt, wie tiefgreifend sich Zivilgesellschaft und Institutionen in Deutschland seit dem sogenannten Asylkompromiss von 1993 verändert haben. Das ist auch das Werk der Flüchtlinge selbst. Mit jahrzehntelangen Protesten haben sie ihre Isolation in den Asylbewerberheimen durchbrochen und die notwendige Modernisierung Deutschlands zum Einwanderungsland vorangetrieben.Aus seiner jahrelangen Beschäftigung mit den Themen Migration und Asyl zeigt Christian Jakob auf, wie eine deutsche und europäische Flüchtlingspolitik aussehen würde, die die Realität der Migration endlich akzeptiert. Denn, so Jakob: Wer den Zugang zu diesem Land wieder verschließen will, wird scheitern.
Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
Georg Paul Hefty kann sich nur wundern, wie einseitig Christian Jakob in seinem Buch zur Flüchtlingsproblematik argumentiert. Sozialwissenschaftlich Fundiertes dürfe der Leser nicht erwarten, warnt Hefty scharf. Stattdessen biete der Autor eine journalistische Darstellung in der Tradition der taz, für die Jakob arbeitet, wie der Rezensent meint. Dass der Autor Migration als selbstbestimmten Akt des Ungehorsams skizziert, befremdet Hefty. Weniger Heldenverehrung für einzelne Aktivisten scheint ihm angezeigt, ebenso eine differenziertere Betrachtung der gesellschaftlichen, politischen und kulturellen Veränderungen, die die Flüchtlinge bewirkt haben. Auch sprachlich scheint ihm der Autor allzu sehr Partei zu ergreifen und Unterschiede einzuebnen, etwa wenn er von "den Flüchtlingen" spricht und damit die verschiedenen Stufen der Einbürgerung missachtet. Damit genügt der Autor laut Hefty den Anforderungen von Kurzkommentaren, aber nicht eines Sachbuchs.
© Perlentaucher Medien GmbH
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 28.06.2016Rechtfertigende Rechthaberei
Christian Jakob und Michael Richter über den Flüchtlingsstrom in Deutschland
Wer alle angesammelten Steine eines geplanten Mosaiks nacheinander hinlegt, hat damit die Fläche zwar bedeckt, aber nicht unbedingt schon ein Kunstwerk geschaffen. Das von Christian Jakob beabsichtigte hat einen vielversprechenden Titel "Die Bleibenden. Wie Flüchtlinge Deutschland seit 20 Jahren verändern". Der Verfasser legt dar, auf welche Art seiner Meinung nach Deutschland verändert wird, jedoch nicht, in welchem Maße dies geschieht und zu welchem Ergebnis es führen soll. Am Ende, eigentlich jedoch schon nach dem Vorwort, weiß der Leser, dass er es nicht mit einem sozialwissenschaftlichen Befund zu tun hat, sondern mit einer journalistischen Darstellung in der Tradition der linksalternativen "tageszeitung"; ihr gehört der Verfasser seit einem Jahrzehnt als Redakteur an.
"Diese Transformation hat ökonomische Ursachen, aber sie ist vor allem auch das Werk der Migranten und Flüchtlinge selbst. Sie haben nicht akzeptiert, dass Deutschland kein Einwanderungsland sein wollte und dass es auch keine Flüchtlinge wollte. Sie haben dieses Dogma herausgefordert, den Zugang zu Deutschland freigekämpft und dabei die Gesellschaft verändert. Diese Geschichte handelt von selbstbestimmter Migration und Ungehorsam, von Abschottung und Auflehnung, von Kontaktaufnahme mit der Mehrheitsgesellschaft und von Konfrontation mit dem Staat." Die von Jakob gewählte Sprache birgt zwei wichtige Erklärungen dessen, was sich gegenüber den Zeiten der alten Bundesrepublik geändert hat. Niemals hätte jemand behaupten können, die früheren Flüchtlinge aus Ungarn (1956), der Tschechoslowakei (1968), aus Vietnam in den achtziger Jahren und der DDR (von 1961 bis 1989) hätten sich den Zugang zu ihrem Zufluchtsland "freigekämpft". Und wer in der neuen Bundesrepublik den Hinzukommenden "selbstbestimmte Migration und Ungehorsam" sowie "Konfrontation mit dem Staat" bescheinigt, der darf sich wenig wundern, dass dies viele Bürger ähnlich empfinden und ihrerseits Selbstbestimmung mit Selbstbestimmung, Ungehorsam mit Ungehorsam und Konfrontation mit Konfrontation meinen beantworten zu dürfen und zu sollen.
Rechtfertigende Rechthaberei auf der einen Seite geht mit rechtfertigender Rechthaberei auf der anderen Seite einher. Weniger Heldenverehrung für einzelne Aktivisten hätte einem Sachbuch über "bleibende" Zuwanderer ebenso gutgetan wie die Berücksichtigung der weitläufigen gesellschaftlichen, wirtschaftlichen, kulturellen Veränderungen, welche die Flüchtlinge neben den politischen und innerparteilichen Umbrüchen - unmittelbar oder mittelbar - bewirkt haben. Sprachlich steht Jakob auf der Seite der Flüchtlinge, gleich, was sie machen. Das liest sich dann so: Sunny Omwenyeke nimmt das Mikrofon "und erklärt, warum nicht er der Verbrecher ist, sondern die, die ihn herbestellt haben". Der Vorfall gilt nicht einem Haftantritt in einer Despotie, sondern in Deutschland; damit sind die - keineswegs in einem als solchem ausgewiesenen Zitat - als "Verbrecher" titulierten Amtspersonen deutsche Richter. Es ging um wiederholte Verstöße gegen die Residenzpflicht. Diese Regelung lehnt Jakob offenbar rundum ab, so geht es aus seiner Kritik an den aktuellen Überlegungen hervor: "Auf die Idee, die Flüchtlinge selbst zu fragen, wo sie leben wollen, kamen Kraft, Gabriel und Landsberg nicht."
Jedoch: Wer könnte einer solchen hunderttausendfachen Willensbekundung noch die integrations-, siedlungs- und arbeitsmarktpolitischen Interessen Deutschlands entgegensetzen? Jakob wird noch einseitiger: Man solle für die Flüchtlinge "ein Mitspracherecht bei der Wohnungszuweisung einführen". Er spricht auch hier einfach von den "Flüchtlingen", also ungeachtet des mehrstufigen Status zwischen Ankunft und möglicher Einbürgerung nach etlichen Jahren. Der propagierte Anspruch, gefragt zu werden, geht sogleich in ein Recht auf Mitsprache über - welch ein Überlastungsprogramm für die deutschen Gerichte! Ebenso linkisch formuliert Jakob Forderungen, die nicht nur in Beton und Ziegelstein umgesetzt werden müssten: "Es bräuchte massive Anstrengungen bei der Schaffung günstigen Wohnraums und der Mietbegrenzung - für alle, jetzt mehr denn je." Solche Aussagen genügen in Kurzkommentaren, in einem Buch reichen sie nicht.
Ähnlich kurz, aber immerhin geht Jakob auf die Auslöser des Flüchtlingssturms in Deutschland ein. Als die UN 5,5 Milliarden Dollar für die Flüchtlingsversorgung im Jahr 2015 brauchten, zahlte die Bundesrepublik 344 Millionen Euro - viel im globalen Vergleich, wenig mit Blick auf ihre geographische Nähe zu den Flüchtlingslagern. 2014 waren es 140 Millionen Euro gewesen. Der andere Auslöser baute sich langsamer auf: "Bis Herbst 2014 profitierte Deutschland vom Dublin-System [. . .]. Ungarn sah nicht länger ein, immer mehr Flüchtlinge ins Land zu lassen, um die es sich dann laut EU-Recht ganz allein hätte kümmern müssen." Im Juni 2015 kündigte Budapest an, es "werde bis auf Weiteres keine Flüchtlinge aus anderen EU-Staaten zurücknehmen. Die EU forderte eine ,sofortige Klarstellung', das Auswärtige Amt bestellte den ungarischen Botschafter ein." Daraus kann der Leser seine Schlüsse ziehen: Statt Ungarn zweimal an den Pranger zu stellen - im Juni durch das Auswärtige Amt, am 5. September durch die Bundeskanzlerin -, hätte die Bundesregierung schon im Frühjahr 2015 anfangen können, in enger Abstimmung mit der Regierung Orbán zu überlegen, wie man gemeinsam den Flüchtlingsstrom mindern, zumindest kanalisieren könnte. Es hätte beiden Staaten Belastungen erspart.
Auf eine andere Folge des Dublin-Systems weist Michael Richter in seinem Buch "Fluchtpunkt Europa - Unsere humanitäre Verantwortung" hin. Die für alle Bewunderer deutscher Verwaltungskunst unverständlich hohe Zahl der über die Jahre unbearbeiteten Anträge von Flüchtlingen hat auch damit zu tun, dass ein Fünftel oder gar ein Drittel der Fälle "aus formalen Gründen (häufig wegen einer ,Dublin'-Überstellung) nicht bearbeitet werden". Deutschland hatte - wie so manches sonst - auch das Flüchtlingsproblem sozusagen outgesourct in Länder wie Italien, Malta, Griechenland und Ungarn.
Jakob wie Richter halten ein "Einwanderungsgesetz" für nötig. Doch was darin festgelegt sein soll, bleibt ungeschrieben. Wenn Richter fordert, es müssten "vor allem die Hürden für Arbeitssuchende aus dem Ausland wesentlich gesenkt werden", dann kommt er gerade nicht den Anforderungen der deutschen Industrie und des Handwerks entgegen, denn diese wollen nicht Arbeitssuchende schlechthin, sondern Leistungsfähige nach deutschen Maßstäben. Jakob nennt es eine "Absurdität", dass es in Deutschland "kein Einwanderungsrecht gibt": "Das Einwanderungsgesetz wäre im letzten Jahr fällig gewesen." Erstaunlich, dass gerade linken Autoren nicht auffällt, wie wenig ein Einwanderungsgesetz, das auf nutzbringende Neuzuzügler zielt, mit ihrer humanitären Aufnahmebereitschaft für Flüchtlinge aus aller Welt vereinbar ist. Kämen aufgrund eines Einwanderungsgesetzes jährlich Hunderttausende Arbeitskräfte ins Land, die mit ihren Familien ebenfalls Integrationsaufgaben stellen, wäre eine Obergrenze für gleichzeitig aufzunehmende Kriegs- und Elendsflüchtlinge nicht mehr zu vermeiden, denn der Arbeitskräftebedarf wäre gesättigt.
Der Unterschied zwischen beiden Büchern? Richter stellt die Interessierten zufrieden, Jakob fordert die Fachleute heraus.
GEORG PAUL HEFTY
Christian Jakob: Die Bleibenden. Wie Flüchtlinge Deutschland seit 20 Jahren verändern. Ch. Links Verlag, Berlin 2016. 255 S., 18,- [Euro].
Michael Richter: Fluchtpunkt Europa. Unsere humanitäre Verantwortung. edition Körber Stiftung, Hamburg 2015. 241 S., 16,- [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Christian Jakob und Michael Richter über den Flüchtlingsstrom in Deutschland
Wer alle angesammelten Steine eines geplanten Mosaiks nacheinander hinlegt, hat damit die Fläche zwar bedeckt, aber nicht unbedingt schon ein Kunstwerk geschaffen. Das von Christian Jakob beabsichtigte hat einen vielversprechenden Titel "Die Bleibenden. Wie Flüchtlinge Deutschland seit 20 Jahren verändern". Der Verfasser legt dar, auf welche Art seiner Meinung nach Deutschland verändert wird, jedoch nicht, in welchem Maße dies geschieht und zu welchem Ergebnis es führen soll. Am Ende, eigentlich jedoch schon nach dem Vorwort, weiß der Leser, dass er es nicht mit einem sozialwissenschaftlichen Befund zu tun hat, sondern mit einer journalistischen Darstellung in der Tradition der linksalternativen "tageszeitung"; ihr gehört der Verfasser seit einem Jahrzehnt als Redakteur an.
"Diese Transformation hat ökonomische Ursachen, aber sie ist vor allem auch das Werk der Migranten und Flüchtlinge selbst. Sie haben nicht akzeptiert, dass Deutschland kein Einwanderungsland sein wollte und dass es auch keine Flüchtlinge wollte. Sie haben dieses Dogma herausgefordert, den Zugang zu Deutschland freigekämpft und dabei die Gesellschaft verändert. Diese Geschichte handelt von selbstbestimmter Migration und Ungehorsam, von Abschottung und Auflehnung, von Kontaktaufnahme mit der Mehrheitsgesellschaft und von Konfrontation mit dem Staat." Die von Jakob gewählte Sprache birgt zwei wichtige Erklärungen dessen, was sich gegenüber den Zeiten der alten Bundesrepublik geändert hat. Niemals hätte jemand behaupten können, die früheren Flüchtlinge aus Ungarn (1956), der Tschechoslowakei (1968), aus Vietnam in den achtziger Jahren und der DDR (von 1961 bis 1989) hätten sich den Zugang zu ihrem Zufluchtsland "freigekämpft". Und wer in der neuen Bundesrepublik den Hinzukommenden "selbstbestimmte Migration und Ungehorsam" sowie "Konfrontation mit dem Staat" bescheinigt, der darf sich wenig wundern, dass dies viele Bürger ähnlich empfinden und ihrerseits Selbstbestimmung mit Selbstbestimmung, Ungehorsam mit Ungehorsam und Konfrontation mit Konfrontation meinen beantworten zu dürfen und zu sollen.
Rechtfertigende Rechthaberei auf der einen Seite geht mit rechtfertigender Rechthaberei auf der anderen Seite einher. Weniger Heldenverehrung für einzelne Aktivisten hätte einem Sachbuch über "bleibende" Zuwanderer ebenso gutgetan wie die Berücksichtigung der weitläufigen gesellschaftlichen, wirtschaftlichen, kulturellen Veränderungen, welche die Flüchtlinge neben den politischen und innerparteilichen Umbrüchen - unmittelbar oder mittelbar - bewirkt haben. Sprachlich steht Jakob auf der Seite der Flüchtlinge, gleich, was sie machen. Das liest sich dann so: Sunny Omwenyeke nimmt das Mikrofon "und erklärt, warum nicht er der Verbrecher ist, sondern die, die ihn herbestellt haben". Der Vorfall gilt nicht einem Haftantritt in einer Despotie, sondern in Deutschland; damit sind die - keineswegs in einem als solchem ausgewiesenen Zitat - als "Verbrecher" titulierten Amtspersonen deutsche Richter. Es ging um wiederholte Verstöße gegen die Residenzpflicht. Diese Regelung lehnt Jakob offenbar rundum ab, so geht es aus seiner Kritik an den aktuellen Überlegungen hervor: "Auf die Idee, die Flüchtlinge selbst zu fragen, wo sie leben wollen, kamen Kraft, Gabriel und Landsberg nicht."
Jedoch: Wer könnte einer solchen hunderttausendfachen Willensbekundung noch die integrations-, siedlungs- und arbeitsmarktpolitischen Interessen Deutschlands entgegensetzen? Jakob wird noch einseitiger: Man solle für die Flüchtlinge "ein Mitspracherecht bei der Wohnungszuweisung einführen". Er spricht auch hier einfach von den "Flüchtlingen", also ungeachtet des mehrstufigen Status zwischen Ankunft und möglicher Einbürgerung nach etlichen Jahren. Der propagierte Anspruch, gefragt zu werden, geht sogleich in ein Recht auf Mitsprache über - welch ein Überlastungsprogramm für die deutschen Gerichte! Ebenso linkisch formuliert Jakob Forderungen, die nicht nur in Beton und Ziegelstein umgesetzt werden müssten: "Es bräuchte massive Anstrengungen bei der Schaffung günstigen Wohnraums und der Mietbegrenzung - für alle, jetzt mehr denn je." Solche Aussagen genügen in Kurzkommentaren, in einem Buch reichen sie nicht.
Ähnlich kurz, aber immerhin geht Jakob auf die Auslöser des Flüchtlingssturms in Deutschland ein. Als die UN 5,5 Milliarden Dollar für die Flüchtlingsversorgung im Jahr 2015 brauchten, zahlte die Bundesrepublik 344 Millionen Euro - viel im globalen Vergleich, wenig mit Blick auf ihre geographische Nähe zu den Flüchtlingslagern. 2014 waren es 140 Millionen Euro gewesen. Der andere Auslöser baute sich langsamer auf: "Bis Herbst 2014 profitierte Deutschland vom Dublin-System [. . .]. Ungarn sah nicht länger ein, immer mehr Flüchtlinge ins Land zu lassen, um die es sich dann laut EU-Recht ganz allein hätte kümmern müssen." Im Juni 2015 kündigte Budapest an, es "werde bis auf Weiteres keine Flüchtlinge aus anderen EU-Staaten zurücknehmen. Die EU forderte eine ,sofortige Klarstellung', das Auswärtige Amt bestellte den ungarischen Botschafter ein." Daraus kann der Leser seine Schlüsse ziehen: Statt Ungarn zweimal an den Pranger zu stellen - im Juni durch das Auswärtige Amt, am 5. September durch die Bundeskanzlerin -, hätte die Bundesregierung schon im Frühjahr 2015 anfangen können, in enger Abstimmung mit der Regierung Orbán zu überlegen, wie man gemeinsam den Flüchtlingsstrom mindern, zumindest kanalisieren könnte. Es hätte beiden Staaten Belastungen erspart.
Auf eine andere Folge des Dublin-Systems weist Michael Richter in seinem Buch "Fluchtpunkt Europa - Unsere humanitäre Verantwortung" hin. Die für alle Bewunderer deutscher Verwaltungskunst unverständlich hohe Zahl der über die Jahre unbearbeiteten Anträge von Flüchtlingen hat auch damit zu tun, dass ein Fünftel oder gar ein Drittel der Fälle "aus formalen Gründen (häufig wegen einer ,Dublin'-Überstellung) nicht bearbeitet werden". Deutschland hatte - wie so manches sonst - auch das Flüchtlingsproblem sozusagen outgesourct in Länder wie Italien, Malta, Griechenland und Ungarn.
Jakob wie Richter halten ein "Einwanderungsgesetz" für nötig. Doch was darin festgelegt sein soll, bleibt ungeschrieben. Wenn Richter fordert, es müssten "vor allem die Hürden für Arbeitssuchende aus dem Ausland wesentlich gesenkt werden", dann kommt er gerade nicht den Anforderungen der deutschen Industrie und des Handwerks entgegen, denn diese wollen nicht Arbeitssuchende schlechthin, sondern Leistungsfähige nach deutschen Maßstäben. Jakob nennt es eine "Absurdität", dass es in Deutschland "kein Einwanderungsrecht gibt": "Das Einwanderungsgesetz wäre im letzten Jahr fällig gewesen." Erstaunlich, dass gerade linken Autoren nicht auffällt, wie wenig ein Einwanderungsgesetz, das auf nutzbringende Neuzuzügler zielt, mit ihrer humanitären Aufnahmebereitschaft für Flüchtlinge aus aller Welt vereinbar ist. Kämen aufgrund eines Einwanderungsgesetzes jährlich Hunderttausende Arbeitskräfte ins Land, die mit ihren Familien ebenfalls Integrationsaufgaben stellen, wäre eine Obergrenze für gleichzeitig aufzunehmende Kriegs- und Elendsflüchtlinge nicht mehr zu vermeiden, denn der Arbeitskräftebedarf wäre gesättigt.
Der Unterschied zwischen beiden Büchern? Richter stellt die Interessierten zufrieden, Jakob fordert die Fachleute heraus.
GEORG PAUL HEFTY
Christian Jakob: Die Bleibenden. Wie Flüchtlinge Deutschland seit 20 Jahren verändern. Ch. Links Verlag, Berlin 2016. 255 S., 18,- [Euro].
Michael Richter: Fluchtpunkt Europa. Unsere humanitäre Verantwortung. edition Körber Stiftung, Hamburg 2015. 241 S., 16,- [Euro].
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