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Eine Schiffsreise um die halbe Welt: von Rotterdam bis Valparaíso. Ein Roman voller Abenteuer. Zwei junge Polen wollen nach Amerika und schmuggeln sich in Rotterdam auf ein altes Frachtschiff - blinde Passagiere und Stürme auf hoher See, eine Liebesgeschichte und die Reise eines jungen Mannes zu sich selbst und in die eigene Vergangenheit. Ein literarisch rundum gelungenes Buch.

Produktbeschreibung
Eine Schiffsreise um die halbe Welt: von Rotterdam bis Valparaíso. Ein Roman voller Abenteuer. Zwei junge Polen wollen nach Amerika und schmuggeln sich in Rotterdam auf ein altes Frachtschiff - blinde Passagiere und Stürme auf hoher See, eine Liebesgeschichte und die Reise eines jungen Mannes zu sich selbst und in die eigene Vergangenheit. Ein literarisch rundum gelungenes Buch.
Autorenporträt
Jan Brokken, 1949 in Leiden geboren, studierte Journalistik in Utrecht und Politik in Bordeaux. Er war Journalist, bis er sich 1986 als Schriftsteller etablierte. Mit dem Roman Die blinden Passagiere, der auch verfilmt wurde, gelang ihm der literarische Durchbruch. 2002 wurde der Roman Der traurige Champion im Paul Zsolnay Verlag veröffentlicht.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 23.12.1998

Dosenbier an Bord
Heimatlos und unter Deck: Jan Brokkens "Blinde Passagiere"

So mancher Seefahrer, der die sieben Weltmeere nur mittels einschlägiger Lektüre bereist, möchte seine imaginäre Kapitänsbrücke gar nicht gegen eine wirkliche eintauschen. Lieber als an Bord eines Schiffes geht er ans Bücherbord und stillt dort seine maritimen Sehnsüchte. An einem salzwassergetränkten Kistchen aus altem Schiffsholz etwa, das in taifunfesten Einbänden eine handliche Bibliothek der besten Seeabenteuerromane und Seereiseberichte aller Zeiten enthält. Ein paar tausend Meilen lang könnte man glauben, auch Jan Brokkens "Blinde Passagiere" hätten darin ihren Platz.

Der hierzulande noch unbekannte, neunundvierzigjährige niederländische Schriftsteller schickt das alte Containerfrachtschiff "Maria Reygersbergen" auf eine Reise um die halbe Welt. Von Rotterdam aus führt der Weg über einen Zwischenstop im nigerianischen Lagos nach Kuba, dann durch die Magellanstraße ins chilenische Valparaiso. Von Station zu Station wird deutlicher, daß der Autor ein passionierter Liebhaber nicht nur der Schiffahrt und des Meeres, sondern auch der maritimen Literatur ist. In karibischen Gewässern läßt er die "Maria Reygersbergen" Stevensons Schatzinsel passieren, und schon zuvor - auf der Mittelatlantikroute - hatte ein unheimliches, schwarzes Schiff Jagd auf den Frachter gemacht. Brokken zeigt dabei nicht nur, daß er Spannung und Dramatik zu erzeugen versteht. Deutlich treten auch die literarischen Anleihen hervor, in dieser Episode bei Edgar Allan Poe's "Denkwürdigen Erlebnissen des Arthur Gordon Pym". Wie der im Laderaum verstecke Pym erleiden auch die beiden blinden Passagiere der "Maria Reygersbergen" die Höllenqualen des Lebendig-begraben-Seins.

Beeindruckend beschreibt Brokken den körperlichen Verfall der beiden im immer heißer werdenden Schiffsbauch zwischen den Containern dahinvegetierenden jungen Männern: das Jucken und Brennen ihrer Haut, die Schmerzen ihrer aufschwellenden Gliedern, den Gestank ihrer verdreckten, ausgedörrten Körper. Das Wechselspiel der Geschehnisse unter und auf Deck erhält durch den Kontrast von Außen- und Innenwelt der blinden Passagieren zusätzliche Dramatik. Immer haltloser delirieren die beiden Russen Grigori und Wladimir, die sich Buick und Humphrey nennen, in der Düsternis des Laderaums vom Ziel ihrer Wünsche, den Vereinigten Staaten. Den american way of life kennen sie nur aus Filmen und der Popmusik. Sie glauben, die Atlantiküberquerung mit Dosenbier statt Wasser überstehen zu können.

Der Witz des Romans liegt nicht allein darin, daß Humphrey und Buick auf dem falschen Dampfer sitzen und das Land ihrer Träume nie sehen werden. Er gewinnt seine melancholisch in Szene gesetzte Ironie, indem er den Gegensatz zwischen stickigem Laderaum und luftigem Deck in der Psychologie der Figuren seine Entsprechung haben läßt. In Wunsch- und Sehnsuchtsbildern vor einer gleichwohl unentrinnbaren Vergangenheit zu flüchten, ist Schicksal zumal der Protagonisten. Unerfülltes Glücksstreben ist die Hauptfracht des Schiffes.

Blinde Passagiere sind deshalb nicht bloß die beiden Russen, denen nach ihrer Entdeckung zwar die Flucht von Bord gelingt, die dann aber durch die eigene Dummheit im Gefängnis landen. Blind ist vor allem die - autobiographisch motivierte - Zentralfigur, Maurice Schotel. Seitdem ihn seine langjährige Geliebte verlassen hat, kann dieser einsame Wolf seinen Beruf als Gemälderestaurator nicht mehr ausüben, weil seine Hand zu zittern begonnen hat. Gleichwohl ist er manisch auf alles Bildhafte - auf Gemälde, Farben, Farbschattierungen - fixiert. Einziger Wunsch des Ruhelosen ist es, "seiner Vergangenheit zu entrinnen", um Trost in der "Leere des Meeres" zu finden. Das Vorhaben scheitert an der so erotischen wie kapriziösen Adriana. Zwar ging die Frau des Rudergängers an Bord, um ihre Ehe zu retten. Doch nutzt sie die bizarre Affäre mit Maurice, um auf Curaçao Mann, Geliebten, Schiff und Meer zurückzulassen und eigene Wege zu gehen.

Die auf der "Maria Reygersbergen" einander verbindungslos gegenüberstehenden Monaden sind zugleich existentielle Nomaden. Brokken hat eine zeitgenössische Form von Heimatlosigkeit erfaßt, bei der von authentischer Ursprungskultur keine Rede sein kann. Das gilt für die beiden jungen Russen ebenso wie für Maurice Schotel. Buick und Humphrey wuchsen in Polen als Söhne russischer Väter auf, waren dort aber weder Russen noch Polen. Maurice, Nachfahr französischer Hugenotten, wurde in Holland als Sohn eines kalvinistischen Theologen groß, der seinen jahrzehntelangen Aufenthalt in den niederländischen Kolonien des indonesischen Archipels nicht vergessen kann. Für dieses Triumvirat transkultureller Nomaden ist die am Ende durch einen Brand schwer angeschlagene, im Zielhafen verkaufte "Maria Reygersbergen" das passende Gefährt.

Gescheiterte Hoffnungen, zerbrochene Sehnsüchte: zu drei Vierteln gelingt Brokken ein Seeabenteurroman nach dem Ende dieses Genres. Doch leider beläßt er es nicht bei der Idee, die Unendlichkeit des romantischen Imaginären, das seit je mit dem Sehnsuchtstopos der Schiffsreise im Bunde war, an den Klippen realer maritimer Gegenwart zerschellen zu lassen. Psychologische Letztbegründungsbedürfnisse bringen ihn auf den unglücklichen Einfall, den über lange Strecken nur andeutungsweise symbolischen Handlungsverlauf auf einen platten kathartischen Akt hin zuzuspitzen. Der während eines Sturmes wieder bewußt werdende Vater-Sohn-Konflikt soll nicht nur die Bilderfixierung Maurice Schotels, sondern auch seine tiefere Reisemotivation erklären. Das kommt recht unvermittelt und unter beträchlichem Aufwand lebensphilosophischer Platitüden daher. Plötzlich erklärt Brokken, anstatt zu erzählen, was er sehr viel besser kann. Überdies stopft er ins letzte Viertel des Buches noch Stoff für ein bis zwei weitere Romane. Am Ende bleibt die geheimnisumwehte Melancholie, die dem Autor vor allem in den Meeresschilderungen so gut gelingt, auf der Strecke. THOMAS MEDICUS

Jan Brokken: "Die blinden Passagiere". Roman. Aus dem Niederländischen übersetzt von Helga van Beuningen. Paul Zsolnay Verlag, Wien 1998. 414 S., geb., 39,80 DM.

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"Jan Brokken gelingt in seinem Roman Die blinden Passagiere eine bemerkenswerte Mischung aus Spannung, Abenteuer und subtiler Psychologie. Auch der Leser reist als blinder Passagier mit, erlebt Stürme, Feuer an Bord und den Lockruf der Tropen. Und immer schwingt ein Hauch von Seefahrer-Nostalgie mit - auch wenn längst kastige Containerfrachter die Weltmeere beherrschen, die schon gar nicht mehr wie Schiffe aussehen." (Brigitte) "Jan Brokkens neuer Roman ... belegt wiederum den hohen Stand der gegenwärtigen niederländischen Erzählkunst. Das Buch ist spannend, atmosphärisch dicht, auf hohem intellektuellen und künstlerischen Niveau und besitzt genau den Schuß Kolportage, der ihn unterhaltsam macht." (Jürgen Israel, Berliner Morgenpost) "Für die meisten an Bord wird es zu einer Reise ins eigene Ich, und blinde Passagiere sind sie in gewissem Sinne fast alle. Der niederländische Autor Jan Brokken hat einen packenden, spannenden, erotischen Abenteuerroman geschrieben." (Frauke Kaberka, Rhein-Zeitung)