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Die Liebeslyrik wurde im Alten Ägypten entdeckt. Raoul Schrott, Kenner der Antike und antiker Sprachen, hat eine Auswahl aus den ägyptischen Quellen zusammengestellt und übersetzt. Die Gedichte der Liebe, die in der Epoche Ramses' des Großen entstanden, waren intim, erotisch ungezwungen und leidenschaftlich religiös. Schrott macht diese Texte endlich wieder zugänglich, in einer ebenso bildhaften wie kraftvollen Sprache. Die Liebesgedichte aus dem Alten Ägypten sind ein weiterer Schritt zu den Ursprüngen der Menschheit und ihrer Poesie.

Produktbeschreibung
Die Liebeslyrik wurde im Alten Ägypten entdeckt. Raoul Schrott, Kenner der Antike und antiker Sprachen, hat eine Auswahl aus den ägyptischen Quellen zusammengestellt und übersetzt. Die Gedichte der Liebe, die in der Epoche Ramses' des Großen entstanden, waren intim, erotisch ungezwungen und leidenschaftlich religiös. Schrott macht diese Texte endlich wieder zugänglich, in einer ebenso bildhaften wie kraftvollen Sprache. Die Liebesgedichte aus dem Alten Ägypten sind ein weiterer Schritt zu den Ursprüngen der Menschheit und ihrer Poesie.
Autorenporträt
Raoul Schrott, geboren 1964, erhielt zahlreiche Auszeichnungen, u.a. den Peter-Huchel- und den Joseph-Breitbach-Preis. Bei Hanser erschienen zuletzt u.a. Homers Heimat (2008) und seine Übertragung der Ilias (2008), Gehirn und Gedicht (2011, gemeinsam mit dem Hirnforscher Arthur Jacobs), die Erzählung Das schweigende Kind (2012), die Übersetzung von Hesiods Theogonie (2014), der Gedichtband Die Kunst an nichts zu glauben (2015) sowie Erste Erde (Epos, 2016), Politiken & Ideen (Essays, 2018), Eine Geschichte des Windes oder Von dem deutschen Kanonier der erstmals die Welt umrundete und dann ein zweites und ein drittes Mal (Roman, 2019) und Inventur des Sommers (Über das Abwesende, 2023). Raoul Schrott arbeitet zurzeit im Auftrag der Stiftung Kunst und Natur an einem umfangreichen Atlas der Sternenhimmel. 2023 hatte er die Ernst-Jandl-Dozentur der Universität Wien inne.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 11.10.2010

Lauter schöne alte Steine im Baukasten der Liebesrhetorik

Nach der "Ilias" und dem "Gilgamesch"-Epos nähert Raoul Schrott sich der Dichtung einer weiteren antiken Hochkultur: Die "Liebesgedichte aus dem Alten Ägypten" will er dem modernen Geschmack nahebringen.

Ausdruckslos, rätselhaft, streng: So muten den heutigen Blick altägyptische Kunstwerke an. Sicher, eine bewunderte Hochkultur, aber fern und unnahbar - so der Eindruck. Dann liest man Verse wie diesen: "willst du jetzt etwa aufstehen und bier trinken gehen / wo ich dir meine brüste darbiete? / sie geben dir was du brauchst: ein tag in meinem bett / macht reicher als zehntausend felder!" Der Vorwurf der jungen Frau in Papyrus Harris I wirkt eigenartig vertraut . . . Tatsächlich geht es dem Leser des Öfteren so bei der Lektüre der Liebesgedichte aus dem Neuen Reich, die Raoul Schrott in Übersetzung vorlegt. Nach der "Ilias" und dem "Gilgamesch"-Epos nähert Schrott sich der Dichtung einer weiteren antiken Hochkultur und sucht, sie dem modernen Geschmack nahezubringen.

In "Die Blüte des nackten Körpers" wird das mal furiose, mal zärtliche Wechselspiel zwischen "Bruder" und "Schwester" (so die konventionellen Namen Liebender) dargeboten, zum Beispiel mittels einer Vogeljagd: "und der erste der den köder schnappte / roch wie der weihrauch aus punt / seine flügel gesalbt, balsam an den füßen. / die kehle jedoch befrei ich ihm erst / sobald du bei mir bist und wir ganz allein - / und einen lockruf wirst du dann hören / einen gesang für diesen geweihten vogel." (Papyrus Harris II). Die Jagd ist hier Anlass zur Begegnung, das Paar verpasst allerdings die Gelegenheit, gemeinsam "unter der Matte" zu stecken; sie bedauert es. Dann wendet das "Unterhaltungslied" die Jagd von der Metonymie zur Metapher: Der Vogel hat Eigenschaften einer Frau, die Geliebte versteht, dass sie selbst die Beute ist: "auch ich werd mich auf deine liebe stürzen / und fangen lassen, flügel gestutzt, allein: / mein herz an das deine gebunden / entkomm ich deiner schönheit nicht mehr." Das Herz ist eine Knäkente.

Jagen ist ein Freizeitvergnügen und wird in diesen Gedichten primär als Bildspender verwendet - die Natur kommt nicht als Raum der Feldarbeit, sondern als Topos vor: die Wildnis als Ort der Jagd, der Garten als Ort der Liebesbegegnung. Besonders reich stattet der Papyrus Turin die gezähmte Natur aus, Granatapfelbaum und Maulbeerfeige sind mürrische (weil vernachlässigte) Zeugen einer Liebschaft: "sie kommt bloß zu mir um sich zu amüsieren - / ich aber krieg nichts, keinen einzigen schluck!" Häufiger noch wird das Haus des oder der Geliebten erwähnt: Diese erste Liebeslyrik der Weltliteratur ist ein urbanes Phänomen und verfasst für eine bestimmte soziale Gruppe, die wohlhabende Oberschicht.

Wie die Jagd so liefert auch das Haus Steine zum Baukasten der Liebesrhetorik: "der palast meiner schwester: der einlass zu ihr / der findet sich im schoß ihres hofes / wo die schmalen türflügel sich spreizen / das tor sperrangelweit offen / der riegel nach oben geschoben / und sie selbst darüber vollkommen außer sich! / ah - wär ich doch der türsteher dort!" Kaum verschlüsselt malt sich der Liebende den weiblichen Körper in leidenschaftlicher Glut aus. Subtiler ist die Erwähnung des Liebeswerbens, die sich im Vergleich verbirgt: Brauch war, dass der junge Mann bei der Mutter der Zukünftigen um ihre Hand anhielt; bei Annahme kam er ins Haus der Geliebten, um sie als Gattin zu empfangen. Sie blieb noch eine Zeit im elterlichen Haus und zog schließlich unter das Dach des Ehemannes, ein Schritt, der den Vollzug der Ehe bedeutete. Das Liebeswerben spielt sich also zwischen zwei Häusern ab, das Übertreten einer Schwelle markiert den Etappenerfolg - ein Misslingen wird durch den Topos der verschlossenen Tür symbolisiert. Auch der Mann kann aufgesucht werden, wie im Wechselgesang des Papyrus Chester Beatty I: "frech spazierte ich einfach an seinem Haus vorbei / die tür in der umfriedung war offen / und da saß mein liebster an der seite seiner mutter / umringt von der ganzen familie." Diese kecke weibliche Initiative ist aber die Ausnahme.

Die Einbindung in ein offizielles Liebeswerben legt es nahe: In der altägyptischen Liebeslyrik bricht sich keineswegs anarchische Zärtlichkeit Bahn. Dass es sich vor allem um "den nuancierten Ausdruck subjektiven Gefühlslebens handelt", wie Schrott vorschlägt, der die Gedichte für "individueller" als die Sapphos hält, ist zweifelhaft: Mit spürbarer Strenge regeln soziale Normen die Intimität. Die Vortragsweise betonte das Gesellige: Die wenigen Quellen legen nahe, dass Sängerinnen etwa aus der Schule von Memphis die Rollen übernahmen, begleitet von Musik und eventuell Tanz. Die Gedichte wurden nicht im Tête-à-tête gelesen, sondern dramatisch aufgeführt - in aller Öffentlichkeit; der Rollencharakter zeigt sich bereits daran, dass Frauen den Männerpart übernahmen. Dass man sich wiederum ein "frühes Cabaret" vorstellen muss, wie Schrott suggeriert, scheint abermals zu weit gegangen.

Schrotts Übertragung ist keine philologische: Er übersetzt Übersetzungen, die von Bernard Mathieu ist seine Basis; dabei fühlt er sich zuvörderst literarischer Kohärenz und Lesbarkeit verpflichtet. Tatsächlich legt Schrott stimmige, zärtliche bis sinnliche Gedichte vor, die sehr schön illustriert sind; sein Anliegen einer aktualisierenden literarischen Übersetzung ist legitim. Dennoch, ob so vieler Vermittlungsstufen wird es dem Leser blümerant: Schon das Original ist vieldeutig, die Übertragungen lassen das Bedeutungsspektrum vollends ausufern. Ein Beispiel: Den titelgebenden Vers der Deir el-Medinah Vase II übersetzt Mathieu recht prosaisch mit "les charmes de son corps", also "die Reize ihres Körpers", Emanuele Ciampini mit "la fragranza di tutto il suo corpo", "der Duft ihres ganzen Körpers" - bei Schrott wird "die Blüte des nackten Körpers" draus, eine Freiheit des Übersetzers, der die Blüten- und Fruchtmotive der vorhergehenden Verse zur üppigen Metapher züchtet. Weit mehr als üblich handelt es sich um eine Nach-, um eine Neudichtung: Wenn dem Leser das recht ist, dann wird er viel Vergnügen an Schrotts Version altägyptischer Liebeslyrik haben.

NIKLAS BENDER

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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Rezensent Burkhard Müller kann sich trotz der eingestandenen Schönheit der von Raoul Schrott übertragenen und kommentierten altägyptischen Liebeslyrik eines Unbehagens und Misstrauens nicht erwehren. Der Rezensent preist zwar die deutsche Fassung der Gedichte als ein "Kunstwerk der Vergegenwärtigung", die auch heute noch, nach Jahrtausenden, "mühelos verständlich" seien. Doch hätte er schon gern gewusst, wie viel dieser Verse dem heutigen Ohr "selbstherrlich", wenn nicht gar leichtfertig, nähergerückt wurde. Und so bittet er am Ende seiner Kritik Schrott nachdrücklich, die Voraussetzung und Methoden dieser Übertragungen darzulegen - dass der Autor des Altägyptischen nicht mächtig ist und sich also auf die Vorarbeit berufener Forscher stützt, setzt Müller dabei voraus -, um die Zweifel an diesen ohne Frage berückenden Gedichten zu beschwichtigen.

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"Ein Werk, das sich auf den ersten Anhieb wunderschön, d.h. frisch, schlicht, kraftvoll und sinnlich liest." Jan Assmann

"Raoul Schrott hat altägyptische Liebespoesie wunderbar nachgedichtet." Burkhard Müller, Süddeutsche Zeitung, 01.06.2010