Jean Paulhan betrachtete "Die Blumen von Tarbes oder der Terror in der Literatur", das 1941 in Frankreich zum ersten Mal erschienen ist und seither eine Vielzahl von Ausgaben und Auflagen erlebt hat, als diejenige seiner theoretischen Schriften, in der er seinen Ansichten zu Literatur und Sprache am umfassendsten Ausdruck verliehen hat. Sie gilt heute als wichtiges Werk in der Geschichte der Literaturkritik und als ein frühes Zeugnis für die Aufwertung der Rhetorik in der modernen Literaturtheorie. Die Blumen von Tarbes oder der Terror in der Literatur erscheint hier deshalb endlich zum ersten Mal in deutscher Übersetzung. Paulhans spielerischer Ton und sein zwangloser Stil maskieren einen theoretischen Anspruch von großer Verbindlichkeit, geht es ihm doch um nichts weniger als um die Zusammenhänge zwischen Sprache, Gehalt, Kontext, Absicht und Rezeption literarischer Werke. Indem er diesen Verhältnissen systematisch und umsichtig nachgeht, schreibt er über das, was Literatur alsLiteratur bedeutet. Seine Abhandlung liest sich so auch als eine Betrachtung über ihre Verantwortung und ihren ethischen Imperativ. Gleichwohl ist diese Schrift ein Fragment unter andern, das Jean Paulhan selbst durch weitere Schriften Zeit seines Lebens immer wieder aufgenommen und weiterentwickelt hat. Der Band bietet deshalb neben den Blumen von Tarbes eine Reihe weiterer wichtiger Aufsätze: den Brief an Maurice Nadeau, Das Spiegelfräulein, Die Gabe der Sprachen, Die Rhetorik aufersteht aus der Asche und Die Rhetorik hatte ihr Passwort, alle zum ersten Mal auf Deutsch in der Übersetzung des emeritierten Professors für vergleichende Literaturwissenschaft an der Universität Zürich, Hans-Jost Frey, sowie Schlüssel der Poesie und Kleines Vorwort zu jeder Kritik, die, übersetzt von Friedhelm Kemp, als einzige der Schriften Paulhans in den sechziger Jahren bereits einmal erschienen sind. Der Band Die Blumen von Tarbes und weitere Schriften zur Theorie der Literatur ist damit die erste umfassende Ausgabe der theoretischen Schriften von Jean Paulhan. Er wird abgerundet durch einen Aufsatz von Hans-Jost Frey, in dem dieser das literarische Denken Paulhans in seinem Zusammenhang darstellt.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 24.07.2009Rhetorik des Terrors, Terror der Rhetorik
Jean Paulhan war eine Schlüsselfigur der französischen Literatur des zwanzigsten Jahrhunderts. Seine theoretischen Überlegungen sind immer noch sehr lesenswert.
Im Jahr 1922 malte Max Ernst sein berühmt gewordenes Gruppenbildnis der Surrealisten. Versammelt sind darauf, die damals zum Zirkel zählten: Breton, Eluard, Aragon, Desnos ... Doch in der Mitte des Bildes sitzt einer, dessen Name vermutlich manchen Betrachtern weniger vertraut ist: Jean Paulhan.
Tatsächlich gehörte der damals bereits fast vierzigjährige Paulhan weder dem Kreis der Surrealisten an noch je irgendeiner anderen Gruppierung. Er musste nicht einmal mit André Breton brechen, um das klarzumachen; doch die Surrealisten schätzten ihn hoch. Breton und Aragon waren - genauso wie Gide und Valéry - unter den Bewunderern seines ersten Buchs, das 1917 erschienen war und Paulhans Erfahrungen in den Schützengräben des Ersten Weltkriegs zum Gegenstand hatte. Es wurde seine Eintrittskarte in den Kreis um die "Nouvelle Revue Française", deren Leiter Jacques Rivière ihn 1920 zu seinem Sekretär machte. Fünf Jahre später, nach Rivières Tod, übernahm er die Redaktion - und unter ihm erlebte die NRF ihre große Zeit.
Unglaublich schnell wurde Paulhan zu einer Schlüsselfigur der französischen Literaturszene. Die alte Garde zollte ihm ebenso Respekt wie die nachdrängenden Autoren. Zur NRF und ihrem Verlag kamen sogar noch andere Revuen, in denen er sie publizierte. Paulhans Wirkung lässt sich kaum überschätzen: als Förderer von ganz unterschiedlichen Autoren, als manchmal recht kaustischer Gesprächspartner, wie ihn die inzwischen edierten Briefwechsel vor Augen führen, als Kritiker, der durch kein Programm und keine politische Inanspruchnahme von Literatur in Versuchung zu bringen war, sondern immer auf einen unverkennbaren Ton setzte.
Paulhans eigener Ton war dabei unüberhörbar nüchtern, immer auf der Hut gegenüber literarischer Vollmundigkeit. Das gilt auch für die Essays, die er Fragen der Sprache, Literatur und Kritik widmete: Im Hintergrund steht dabei die linguistische Ader des Philosophiestudenten, der später einen Posten in Madagaskar annahm - bevor er es mit Goldgräberei versuchte - und eine Arbeit über madegassische Sprichwortkultur verfasste. Dieses Interesse am Funktionieren von Sprache, an Grammatik und rhetorischem Arsenal grundiert seine späteren Auseinandersetzungen mit programmatischen Erklärungen zu Sprache und Literatur - und insbesondere mit Literaturkritik. Zwei dieser Texte hatte der unermüdliche Friedhelm Kemp Ende der sechziger Jahre auf Deutsch zugänglich gemacht. Nun sind sie Teil einer stattlicheren Sammlung geworden, die dazu einlädt, Paulhan näher kennenzulernen.
Der Untertitel "Schriften zur Theorie der Literatur" ist dabei etwas missverständlich ausgefallen. Zumindest darf man nicht denken, dass Paulhan die Literatur aufs theoretische Gerüst schlagen wollte. Es geht ihm vielmehr darum, das Sprechen über Literatur von einigen tiefsitzenden Missverständnissen zu befreien, was ihn unweigerlich auf einige grundsätzliche Überlegungen bringt. Deshalb vor allem, weil die ins Visier genommenen Erklärungen guter oder schlechter Literatur bei Dichtern genauso wie bei Kritikern selbst schnell auf Grundsätzliches führen - und überdies zu kritischen Maßstäben, die einander aufs schönste widersprechen.
Was Paulhan dabei vor Augen stand, hat er in seine Gegenüberstellung von Terror und Rhetorik gebracht. Auf der einen Seite also die Terroristen auf dem Feld der Literatur, für die es den Ausbruch aus den Formen der gängigen Sprache, die Befreiung von den vernutzten Worten braucht, damit der unverstellte Gedanke und literarische Sprache im emphatischen Sinn hervortreten können.
Der Terrorist, so wie ihn Paulhan beschreibt, glaubt die eingeschliffenen Sprachformen zerstören zu müssen, um dahinter zur eigentlichen Sprache zu finden. Was die gute alte Rhetorik wollte, nämlich die richtigen Worte und Figuren für den angemessenen Ausdruck der Gedanken zu finden, ist ihm nur Ausdruck der fatalen Herrschaft der Gemeinplätze, die es zu brechen gilt.
Paulhan ist natürlich nicht der Erste, der sieht, dass man solche gängige Rhetorik der Verabschiedung aller Rhetorik unmöglich zum Nennwert nehmen kann. Aber kaum jemand hat gekonnter und kurzweiliger vor Augen geführt, dass der programmatische literarische Terrorist eben nicht jenseits aller sprachlichen Üblichkeiten landet, sondern bei einer Selektion der in seinen Augen richtigen Üblichkeiten, also wiederum bei einer Rhetorik. Sofern er nicht in der Nachfolge Rimbauds, des Heiligen par excellence des literarischen Terrors - im deutschen Fall könnte man an Hofmannsthals Lord Chandos denken -, konsequent der Literatur den Abschied gibt, in der Regel allerdings wieder in literarischer Form.
Auf den ersten Blick sieht das so aus, als wollte Paulhan sich auf die Seite der für altbacken geltenden Rhetorik stellen. Ausgerechnet er, wie Zeitgenossen gleich anmerkten, der doch den literarischen Terroristen in der NRF eine Bühne gab. Doch ganz so einfach liegen die Dinge glücklicherweise nicht: Entpuppt sich nämlich der Terror als Rhetorik, so entwickelt gleichzeitig das rhetorische Regime, verfolgt man es nur konsequent, deutliche terroristische Züge. Auf diese Formen des Übergangs von vermeintlich konträren Positionen kam es Paulhan an - und das verträgt sich gut mit seiner Praxis, seine Revuen mit Textauswahlen zu bespielen, die quer zu allen gängigen Lagerbeschreibungen standen: eine fast von Anfang an virtuos geübte Kunst der Temperierung programmatischer Ansprüche, gepaart mit einer unter seinen Freunden wie Feinden berüchtigten Provokationslust.
An paradox anmutenden literarischen Übergängen hatte Paulhan seine Freude, und um sie begreiflich zu machen, brauchte es für ihn einige Richtigstellungen über das Verhältnis von Worten, Dingen und Gedanken. Hans-Jost Frey hat nicht unrecht, diese sprachphilosophischen Einsichten in seinem Nachwort hervorzustreichen. Aber sie sind nicht unbedingt, wofür man Paulhan lesen müsste. Was ihn auszeichnet, ist vielmehr der durchgehende Bezug zu Literatur und Kritik, in der er die anvisierten Sprachprobleme besonders deutlich herauspräpariert sah. Und nichts ist kurzweiliger, als Paulhan dabei zuzusehen, wie er die Urteile der Kritiker und die Bekundungen der Dichter zu Passagen montiert, die sich auch im einschlägigen Kapitel von Flauberts "Bouvard und Pécuchet" gut ausnehmen würden. Nicht auf die Urteile und Meinungen als solche kam es Paulhan an, sondern darauf, sie auseinander hervorgehen zu lassen. Eine leichte, kaum zu fixierende Ironie, die sich eher noch als Verwunderung gibt, gehört dabei ins Repertoire. Als Beispiel könnte man die Seiten nehmen, auf denen er Sartres Überlegungen zur Sprache - selbstverständlich terroristische - in sich zusammenfallen lässt: Methodisch peinlich genau sei Sartres Essay, angereichert mit interessanten Szenen, metaphernreich, direkt, dringlich, bloß ein Mangel bleibe anzumerken, dass der Autor trotz allem guten Willen gar nicht von der Sprache rede.
Liest man nach, wie Paulhan diese Einschätzung einlöst, fast lakonisch und doch ohne jede Schroffheit, ist man gleich für seine Betrachtungsart gewonnen. Diese Stimme sollte kennen, wer der französischen Literatur zugetan ist, aber auch, wer Auseinandersetzungen über Literaturkritik nicht für ganz hoffnungslos hält. Die vorliegende Ausgabe, exzellent ausgewählt und übersetzt, auch mit Anmerkungen zu den erwähnten und zitierten Autoren versehen, ist ein Angebot, das man dann gar nicht ausschlagen kann.
HELMUT MAYER
Jean Paulhan: "Die Blumen von Tarbes". Und weitere Schriften zur Theorie der Literatur. Herausgegeben und mit einem Nachwort von Hans-Jost Frey. Urs Engeler, Basel 2009. 363 S., br., 32,- [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Jean Paulhan war eine Schlüsselfigur der französischen Literatur des zwanzigsten Jahrhunderts. Seine theoretischen Überlegungen sind immer noch sehr lesenswert.
Im Jahr 1922 malte Max Ernst sein berühmt gewordenes Gruppenbildnis der Surrealisten. Versammelt sind darauf, die damals zum Zirkel zählten: Breton, Eluard, Aragon, Desnos ... Doch in der Mitte des Bildes sitzt einer, dessen Name vermutlich manchen Betrachtern weniger vertraut ist: Jean Paulhan.
Tatsächlich gehörte der damals bereits fast vierzigjährige Paulhan weder dem Kreis der Surrealisten an noch je irgendeiner anderen Gruppierung. Er musste nicht einmal mit André Breton brechen, um das klarzumachen; doch die Surrealisten schätzten ihn hoch. Breton und Aragon waren - genauso wie Gide und Valéry - unter den Bewunderern seines ersten Buchs, das 1917 erschienen war und Paulhans Erfahrungen in den Schützengräben des Ersten Weltkriegs zum Gegenstand hatte. Es wurde seine Eintrittskarte in den Kreis um die "Nouvelle Revue Française", deren Leiter Jacques Rivière ihn 1920 zu seinem Sekretär machte. Fünf Jahre später, nach Rivières Tod, übernahm er die Redaktion - und unter ihm erlebte die NRF ihre große Zeit.
Unglaublich schnell wurde Paulhan zu einer Schlüsselfigur der französischen Literaturszene. Die alte Garde zollte ihm ebenso Respekt wie die nachdrängenden Autoren. Zur NRF und ihrem Verlag kamen sogar noch andere Revuen, in denen er sie publizierte. Paulhans Wirkung lässt sich kaum überschätzen: als Förderer von ganz unterschiedlichen Autoren, als manchmal recht kaustischer Gesprächspartner, wie ihn die inzwischen edierten Briefwechsel vor Augen führen, als Kritiker, der durch kein Programm und keine politische Inanspruchnahme von Literatur in Versuchung zu bringen war, sondern immer auf einen unverkennbaren Ton setzte.
Paulhans eigener Ton war dabei unüberhörbar nüchtern, immer auf der Hut gegenüber literarischer Vollmundigkeit. Das gilt auch für die Essays, die er Fragen der Sprache, Literatur und Kritik widmete: Im Hintergrund steht dabei die linguistische Ader des Philosophiestudenten, der später einen Posten in Madagaskar annahm - bevor er es mit Goldgräberei versuchte - und eine Arbeit über madegassische Sprichwortkultur verfasste. Dieses Interesse am Funktionieren von Sprache, an Grammatik und rhetorischem Arsenal grundiert seine späteren Auseinandersetzungen mit programmatischen Erklärungen zu Sprache und Literatur - und insbesondere mit Literaturkritik. Zwei dieser Texte hatte der unermüdliche Friedhelm Kemp Ende der sechziger Jahre auf Deutsch zugänglich gemacht. Nun sind sie Teil einer stattlicheren Sammlung geworden, die dazu einlädt, Paulhan näher kennenzulernen.
Der Untertitel "Schriften zur Theorie der Literatur" ist dabei etwas missverständlich ausgefallen. Zumindest darf man nicht denken, dass Paulhan die Literatur aufs theoretische Gerüst schlagen wollte. Es geht ihm vielmehr darum, das Sprechen über Literatur von einigen tiefsitzenden Missverständnissen zu befreien, was ihn unweigerlich auf einige grundsätzliche Überlegungen bringt. Deshalb vor allem, weil die ins Visier genommenen Erklärungen guter oder schlechter Literatur bei Dichtern genauso wie bei Kritikern selbst schnell auf Grundsätzliches führen - und überdies zu kritischen Maßstäben, die einander aufs schönste widersprechen.
Was Paulhan dabei vor Augen stand, hat er in seine Gegenüberstellung von Terror und Rhetorik gebracht. Auf der einen Seite also die Terroristen auf dem Feld der Literatur, für die es den Ausbruch aus den Formen der gängigen Sprache, die Befreiung von den vernutzten Worten braucht, damit der unverstellte Gedanke und literarische Sprache im emphatischen Sinn hervortreten können.
Der Terrorist, so wie ihn Paulhan beschreibt, glaubt die eingeschliffenen Sprachformen zerstören zu müssen, um dahinter zur eigentlichen Sprache zu finden. Was die gute alte Rhetorik wollte, nämlich die richtigen Worte und Figuren für den angemessenen Ausdruck der Gedanken zu finden, ist ihm nur Ausdruck der fatalen Herrschaft der Gemeinplätze, die es zu brechen gilt.
Paulhan ist natürlich nicht der Erste, der sieht, dass man solche gängige Rhetorik der Verabschiedung aller Rhetorik unmöglich zum Nennwert nehmen kann. Aber kaum jemand hat gekonnter und kurzweiliger vor Augen geführt, dass der programmatische literarische Terrorist eben nicht jenseits aller sprachlichen Üblichkeiten landet, sondern bei einer Selektion der in seinen Augen richtigen Üblichkeiten, also wiederum bei einer Rhetorik. Sofern er nicht in der Nachfolge Rimbauds, des Heiligen par excellence des literarischen Terrors - im deutschen Fall könnte man an Hofmannsthals Lord Chandos denken -, konsequent der Literatur den Abschied gibt, in der Regel allerdings wieder in literarischer Form.
Auf den ersten Blick sieht das so aus, als wollte Paulhan sich auf die Seite der für altbacken geltenden Rhetorik stellen. Ausgerechnet er, wie Zeitgenossen gleich anmerkten, der doch den literarischen Terroristen in der NRF eine Bühne gab. Doch ganz so einfach liegen die Dinge glücklicherweise nicht: Entpuppt sich nämlich der Terror als Rhetorik, so entwickelt gleichzeitig das rhetorische Regime, verfolgt man es nur konsequent, deutliche terroristische Züge. Auf diese Formen des Übergangs von vermeintlich konträren Positionen kam es Paulhan an - und das verträgt sich gut mit seiner Praxis, seine Revuen mit Textauswahlen zu bespielen, die quer zu allen gängigen Lagerbeschreibungen standen: eine fast von Anfang an virtuos geübte Kunst der Temperierung programmatischer Ansprüche, gepaart mit einer unter seinen Freunden wie Feinden berüchtigten Provokationslust.
An paradox anmutenden literarischen Übergängen hatte Paulhan seine Freude, und um sie begreiflich zu machen, brauchte es für ihn einige Richtigstellungen über das Verhältnis von Worten, Dingen und Gedanken. Hans-Jost Frey hat nicht unrecht, diese sprachphilosophischen Einsichten in seinem Nachwort hervorzustreichen. Aber sie sind nicht unbedingt, wofür man Paulhan lesen müsste. Was ihn auszeichnet, ist vielmehr der durchgehende Bezug zu Literatur und Kritik, in der er die anvisierten Sprachprobleme besonders deutlich herauspräpariert sah. Und nichts ist kurzweiliger, als Paulhan dabei zuzusehen, wie er die Urteile der Kritiker und die Bekundungen der Dichter zu Passagen montiert, die sich auch im einschlägigen Kapitel von Flauberts "Bouvard und Pécuchet" gut ausnehmen würden. Nicht auf die Urteile und Meinungen als solche kam es Paulhan an, sondern darauf, sie auseinander hervorgehen zu lassen. Eine leichte, kaum zu fixierende Ironie, die sich eher noch als Verwunderung gibt, gehört dabei ins Repertoire. Als Beispiel könnte man die Seiten nehmen, auf denen er Sartres Überlegungen zur Sprache - selbstverständlich terroristische - in sich zusammenfallen lässt: Methodisch peinlich genau sei Sartres Essay, angereichert mit interessanten Szenen, metaphernreich, direkt, dringlich, bloß ein Mangel bleibe anzumerken, dass der Autor trotz allem guten Willen gar nicht von der Sprache rede.
Liest man nach, wie Paulhan diese Einschätzung einlöst, fast lakonisch und doch ohne jede Schroffheit, ist man gleich für seine Betrachtungsart gewonnen. Diese Stimme sollte kennen, wer der französischen Literatur zugetan ist, aber auch, wer Auseinandersetzungen über Literaturkritik nicht für ganz hoffnungslos hält. Die vorliegende Ausgabe, exzellent ausgewählt und übersetzt, auch mit Anmerkungen zu den erwähnten und zitierten Autoren versehen, ist ein Angebot, das man dann gar nicht ausschlagen kann.
HELMUT MAYER
Jean Paulhan: "Die Blumen von Tarbes". Und weitere Schriften zur Theorie der Literatur. Herausgegeben und mit einem Nachwort von Hans-Jost Frey. Urs Engeler, Basel 2009. 363 S., br., 32,- [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
Ein Angebot, das man unmöglich ablehnen kann, sieht Helmut Mayer in dieser "exzellent ausgewählten" Sammlung mit sprachphilosophischen Einsichten und Auseinandersetzungen mit Literaturkritik von einer "Schlüsselfigur der französischen Literaturszene". Jean Paulhan kennenzulernen lohnt sich, versichert Mayer. In diesem Fall funktioniert die Annäherung vermittels des Staunens über Paulhans kritisches Potenzial, wenn es darum geht, das Sprechen über Literatur von Missverständnissen zu befreien. Laut Mayer macht Paulhan dies auf so spannende wie gekonnte Weise und enthüllt dem Rezensenten so die Zusammenhänge von Rhetorik und literarischem Terror. Dass der Autor etwaige programmatische Ansprüche zu temperieren weiß, ohne es an Provokation mangeln zu lassen, gefällt Mayer ausnehmend gut.
© Perlentaucher Medien GmbH
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