Das Bundeskriminalamt hat Wurzeln, die bis in die Sicherheitspolizei des NS-Regimes zurückreichen. Bis in die 60er Jahre hatte die Mehrzahl der leitenden BKA-Beamten eine braune Weste, darunter frühere Schreibtischtäter des Reichssicherheitshauptamtes und Einsatzgruppenleiter der SS. Keiner dieser BKA-Führer hat sich je distanziert und Reue gezeigt, schon gar nicht Trauer.
Das Bundeskriminalamt - 2001 fünfzig Jahre alt - wurde von NS-Verbrechern aufgebaut. Noch in den 60er Jahren hatte die Mehrzahl der leitenden BKA-Beamten braune Westen, darunter Schreibtischtäter des Reichssicherheitshauptamtes und Einsatzgruppenleiter der SS. Keiner von ihnen hat je Reue gezeigt, geschweige denn Trauer.
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Das Bundeskriminalamt - 2001 fünfzig Jahre alt - wurde von NS-Verbrechern aufgebaut. Noch in den 60er Jahren hatte die Mehrzahl der leitenden BKA-Beamten braune Westen, darunter Schreibtischtäter des Reichssicherheitshauptamtes und Einsatzgruppenleiter der SS. Keiner von ihnen hat je Reue gezeigt, geschweige denn Trauer.
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 25.04.2002Totaloffensive gegen das BKA
Vorwort und sogar die Schlußzitate: Nicht ohne Michel Friedman!
Dieter Schenk: Auf dem rechten Auge blind. Die braunen Wurzeln des BKA. Verlag Kiepenheuer & Witsch, Köln 2001. 372 Seiten, 22,90 Euro.
Vorsicht, Friedman! Unerbittlich fällt der Anwalt der politisch-moralischen Korrektheit seine Urteile. In seinem Vorwort zu Dieter Schenks Buch über "die braunen Wurzeln des Bundeskriminalamtes" zitiert er vor allem sich selbst, beklagt die ungenügende Tatkraft von Polizei und Justiz gegen (rechte) Gewalt und empört sich über die mangelnde Freigabe der Akten des BKA: "Wer wird hier warum geschützt?"
Dieter Schenk, in den achtziger Jahren Kriminaldirektor im BKA, hat für sein Buch über das BKA in den fünfziger und sechziger Jahren und über die nationalsozialistische Vergangenheit der Amtsführung nicht die Akten des Amtes benutzen können. Nach der Genehmigung durch den Bundesinnenminister habe das BKA die Frage der Einsicht in die Personalakten von Juli 2000 bis Ende Mai 2001 geprüft und dem Autor eine Regelung in Aussicht gestellt, als er sein Manuskript bereits beim Verlag abliefern mußte. Schenk hält es für einen "politischen Fehler, nicht früher entschieden zu haben", und sieht darin eine "fragwürdige Loyalität gegenüber früheren Mitarbeitern".
Die Angelegenheit wirkt so zwiespältig wie das gesamte Buch: Einerseits drängt sich der Eindruck der zumindest dilatorischen Behandlung seitens des BKA auf, andererseits überrascht der Autor mit seinen rigorosen und schwarzweiß gestrickten Wertungen. Und meint man nicht in seinem Argument vom Termindruck das Klappern der heißen Nadel zu hören? Zugleich hat Schenk breit recherchiert, und er kann eine Fülle von Archivalien für seine Darstellung der etwa 50 Beamten des Leitenden Dienstes ins Feld führen. Ihre beruflichen Wurzeln lagen, so die Ausgangsthese, in der Sicherheitspolizei des "Dritten Reiches", die organisatorisch und institutionell eng mit der SS verbunden worden war.
Das BKA sei dann ein "organisatorischer Abklatsch des Reichskriminalpolizeiamtes" gewesen, "dessen Mittel und Methoden übernommen wurden, indem man einschlägige Richtlinien der NS-Terminologie entkleidete, andererseits die Grundzüge der Verfassung der Bundesrepublik beachtete". Vor allem aber sei das Leitungspersonal des BKA der fünfziger und sechziger Jahre "auf schlimmste Weise unmittelbar in die Verbrechen der Nationalsozialisten verstrickt" gewesen.
Konkret benennt Schenk unter anderen Mitglieder der Einsatzgruppen, die in der Sowjetunion hinter der Front Massenerschießungen durchführten (und gegen die zum Teil in den sechziger Jahren ermittelt wurde). Zugleich berichtet er von einem Gestapo-Mann, "der 1943 in Warschau 140 bis 160 Menschen als ,Spione' dem sicheren Tod übergab, weil sie versucht hatten, dem unmenschlichen Unterdrückungsapparat in Notwehr Widerstand entgegenzusetzen". Was das konkret bedeutet, muß man allerdings - und der Fall ist typisch - schon genauer sagen.
Im Zentrum der Darstellung steht der vierte Präsident des BKA, Paul Dickopf, seine Tätigkeit bei der militärischen Abwehr und seine nachträgliche Selbststilisierung zum Doppelagenten und Widerstandskämpfer in der Schweiz.
"Somit deckt", so Schenks Anspruch, "dieses Buch eine moralische und politische Katastrophe für das Bundeskriminalamt und die westdeutsche Demokratie auf." Das BKA sei eine "Versorgungsanstalt für alte Nazis und Verbrecher" gewesen, und dementsprechend herrschten "Duckmäusertum und Wagenburgverhalten, autoritärer Führungsstil und rechtslastige Arbeitsprogramme... Und immer wieder Lug und Trug, um die eigene Vergangenheit zu verbergen."
So sei das BKA stets auf den Links-, nicht aber auf Rechtsterrorismus fixiert gewesen, und noch heute herrsche "Halbherzigkeit" gegenüber "Rechtsradikalismus, Antisemitismus und Fremdenfeindlichkeit". Zusammen mit der Klage über die mangelnde Distanz des BKA gegenüber Unrechtsstaaten eröffnet Schenk damit eine finale moralische Totaloffensive. Er schließt mit Zitaten von Michel Friedman.
Zweifellos hat Schenk aus den Tiefen der Archive viel Richtiges zutage gefördert, insbesondere im Hinblick auf die Übernahme belasteter Funktions- und Elitenträger des "Dritten Reiches" in den bundesrepublikanischen Staatsdienst (samt der Manipulation von Lebensläufen), die gerade im Bereich der Polizei aufgrund ihrer Verklammerung mit der SS naheliegt. Dieser Befund ist nicht ganz neu und wurde auch für das BKA bereits - wenn auch nicht in diesem Umfang - in den "BKA-Stories" von Armand Mergen (1987) und Wilhelm Dietl (2000) thematisiert.
Vor allem aber senkt sich auf die Früchte von Schenks breiten Recherchen der dicke Mehltau der Unglaubwürdigkeit. Es ist nicht nur seine Überdosis Moralin, die bitter aufstößt und skeptisch macht. Mehr noch ist es seine Anmaßung eines normativen Absolutheitsanspruchs in Verbindung mit einer tendenziösen und maliziösen, hochemotionalen und pauschal undifferenzierten Darstellung, die den selbstgesteckten Anspruch der wissenschaftlichen "historischen Forschung" konterkariert. Schenks Thema verdiente eine wirklich wissenschaftliche Erforschung.
ANDREAS RÖDDER
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Vorwort und sogar die Schlußzitate: Nicht ohne Michel Friedman!
Dieter Schenk: Auf dem rechten Auge blind. Die braunen Wurzeln des BKA. Verlag Kiepenheuer & Witsch, Köln 2001. 372 Seiten, 22,90 Euro.
Vorsicht, Friedman! Unerbittlich fällt der Anwalt der politisch-moralischen Korrektheit seine Urteile. In seinem Vorwort zu Dieter Schenks Buch über "die braunen Wurzeln des Bundeskriminalamtes" zitiert er vor allem sich selbst, beklagt die ungenügende Tatkraft von Polizei und Justiz gegen (rechte) Gewalt und empört sich über die mangelnde Freigabe der Akten des BKA: "Wer wird hier warum geschützt?"
Dieter Schenk, in den achtziger Jahren Kriminaldirektor im BKA, hat für sein Buch über das BKA in den fünfziger und sechziger Jahren und über die nationalsozialistische Vergangenheit der Amtsführung nicht die Akten des Amtes benutzen können. Nach der Genehmigung durch den Bundesinnenminister habe das BKA die Frage der Einsicht in die Personalakten von Juli 2000 bis Ende Mai 2001 geprüft und dem Autor eine Regelung in Aussicht gestellt, als er sein Manuskript bereits beim Verlag abliefern mußte. Schenk hält es für einen "politischen Fehler, nicht früher entschieden zu haben", und sieht darin eine "fragwürdige Loyalität gegenüber früheren Mitarbeitern".
Die Angelegenheit wirkt so zwiespältig wie das gesamte Buch: Einerseits drängt sich der Eindruck der zumindest dilatorischen Behandlung seitens des BKA auf, andererseits überrascht der Autor mit seinen rigorosen und schwarzweiß gestrickten Wertungen. Und meint man nicht in seinem Argument vom Termindruck das Klappern der heißen Nadel zu hören? Zugleich hat Schenk breit recherchiert, und er kann eine Fülle von Archivalien für seine Darstellung der etwa 50 Beamten des Leitenden Dienstes ins Feld führen. Ihre beruflichen Wurzeln lagen, so die Ausgangsthese, in der Sicherheitspolizei des "Dritten Reiches", die organisatorisch und institutionell eng mit der SS verbunden worden war.
Das BKA sei dann ein "organisatorischer Abklatsch des Reichskriminalpolizeiamtes" gewesen, "dessen Mittel und Methoden übernommen wurden, indem man einschlägige Richtlinien der NS-Terminologie entkleidete, andererseits die Grundzüge der Verfassung der Bundesrepublik beachtete". Vor allem aber sei das Leitungspersonal des BKA der fünfziger und sechziger Jahre "auf schlimmste Weise unmittelbar in die Verbrechen der Nationalsozialisten verstrickt" gewesen.
Konkret benennt Schenk unter anderen Mitglieder der Einsatzgruppen, die in der Sowjetunion hinter der Front Massenerschießungen durchführten (und gegen die zum Teil in den sechziger Jahren ermittelt wurde). Zugleich berichtet er von einem Gestapo-Mann, "der 1943 in Warschau 140 bis 160 Menschen als ,Spione' dem sicheren Tod übergab, weil sie versucht hatten, dem unmenschlichen Unterdrückungsapparat in Notwehr Widerstand entgegenzusetzen". Was das konkret bedeutet, muß man allerdings - und der Fall ist typisch - schon genauer sagen.
Im Zentrum der Darstellung steht der vierte Präsident des BKA, Paul Dickopf, seine Tätigkeit bei der militärischen Abwehr und seine nachträgliche Selbststilisierung zum Doppelagenten und Widerstandskämpfer in der Schweiz.
"Somit deckt", so Schenks Anspruch, "dieses Buch eine moralische und politische Katastrophe für das Bundeskriminalamt und die westdeutsche Demokratie auf." Das BKA sei eine "Versorgungsanstalt für alte Nazis und Verbrecher" gewesen, und dementsprechend herrschten "Duckmäusertum und Wagenburgverhalten, autoritärer Führungsstil und rechtslastige Arbeitsprogramme... Und immer wieder Lug und Trug, um die eigene Vergangenheit zu verbergen."
So sei das BKA stets auf den Links-, nicht aber auf Rechtsterrorismus fixiert gewesen, und noch heute herrsche "Halbherzigkeit" gegenüber "Rechtsradikalismus, Antisemitismus und Fremdenfeindlichkeit". Zusammen mit der Klage über die mangelnde Distanz des BKA gegenüber Unrechtsstaaten eröffnet Schenk damit eine finale moralische Totaloffensive. Er schließt mit Zitaten von Michel Friedman.
Zweifellos hat Schenk aus den Tiefen der Archive viel Richtiges zutage gefördert, insbesondere im Hinblick auf die Übernahme belasteter Funktions- und Elitenträger des "Dritten Reiches" in den bundesrepublikanischen Staatsdienst (samt der Manipulation von Lebensläufen), die gerade im Bereich der Polizei aufgrund ihrer Verklammerung mit der SS naheliegt. Dieser Befund ist nicht ganz neu und wurde auch für das BKA bereits - wenn auch nicht in diesem Umfang - in den "BKA-Stories" von Armand Mergen (1987) und Wilhelm Dietl (2000) thematisiert.
Vor allem aber senkt sich auf die Früchte von Schenks breiten Recherchen der dicke Mehltau der Unglaubwürdigkeit. Es ist nicht nur seine Überdosis Moralin, die bitter aufstößt und skeptisch macht. Mehr noch ist es seine Anmaßung eines normativen Absolutheitsanspruchs in Verbindung mit einer tendenziösen und maliziösen, hochemotionalen und pauschal undifferenzierten Darstellung, die den selbstgesteckten Anspruch der wissenschaftlichen "historischen Forschung" konterkariert. Schenks Thema verdiente eine wirklich wissenschaftliche Erforschung.
ANDREAS RÖDDER
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