Die Bremer Stadtmusikanten - das beliebte Märchen der Brüder Grimm für Kinder von 3 bis 8 Jahren erzählt und detailverliebt illustriert. Hosentaschenfreundliches Mini-Bilderbuch.
Jahrelang hat der Esel für den Müller das Getreide geschleppt. Jetzt, da er alt und nicht mehr ganz so kräftig ist, will ihn der Meister loswerden. "Ich reiße aus und werde Stadtmusikant! In Bremen." Auf seiner Reise trifft er einen Hund, eine Katze und einen Hahn. Als es Nacht wird, entdecken die vier Freunde ein Häuschen im Wald. Als sie merken, dass darin Räubern wohnen, verjagen sie die Bande und ziehen kurzerhand selbst dort ein. - Ein Märchen aus der Sammlung der Brüder Grimm.
Jahrelang hat der Esel für den Müller das Getreide geschleppt. Jetzt, da er alt und nicht mehr ganz so kräftig ist, will ihn der Meister loswerden. "Ich reiße aus und werde Stadtmusikant! In Bremen." Auf seiner Reise trifft er einen Hund, eine Katze und einen Hahn. Als es Nacht wird, entdecken die vier Freunde ein Häuschen im Wald. Als sie merken, dass darin Räubern wohnen, verjagen sie die Bande und ziehen kurzerhand selbst dort ein. - Ein Märchen aus der Sammlung der Brüder Grimm.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 22.06.2020Du verstehst dich doch auf die Nachtmusik
Wie in einem Bühnenbild: Gabriel Pacheco illustriert "Die Bremer Stadtmusikanten" der Brüder Grimm
Etwas Besseres als den Tod findest du überall": Die Worte, mit denen der Esel in den "Bremer Stadtmusikanten" den Hahn überzeugt, sich den bislang drei Tieren auf der Flucht anzuschließen, klingen mehr als hundertsiebzig Jahre nach der Niederschrift durch die Brüder Grimm noch immer aktuell und universell. Drei treue Tiere, Esel, Hund und Katze, genügen den Leistungsansprüchen ihrer Besitzer nicht mehr. Sie sollten fortgeschafft, totgeschlagen oder ersäuft werden, haben lieber Reißaus genommen und sich zur weltberühmten Schicksalsgemeinschaft zusammengefunden. Nur der Hahn hat nicht an Flucht gedacht, sondern wollte aus vollem Halse schreien, bis er in die Suppe soll, weil sich Gäste angesagt haben.
Heute würde eine solche Geschichte von den Gefahren der Flucht handeln, vielleicht von den Vorbehalten unter den Leuten, bei denen die Flüchtenden schließlich ankommen und bleiben möchten, anerkannt und integriert. In der Mitte des neunzehnten Jahrhunderts erzählt das Märchen von einem Quartett, das eigentlich die erste Nacht seiner Flucht draußen im Wald verbringen will, dann aber ein Haus entdeckt, dessen Bewohner als Räuber erkennt und mit dem bekannten gemeinsamen musikalischen Auftritt vertreibt. Die vier verteidigen das eroberte Haus gegen einen zurückkehrenden Räuber, geben das ursprüngliche Ziel der Reise auf und bleiben.
Jedes Kind kennt die Geschichte heute, jedes Kind sollte sie zumindest kennen, mit der Entschlossenheit der Verbündeten, mit ihrer Bereitschaft, sich mit ihren unterschiedlichen Fähigkeiten sowohl beim geplanten Musizieren als auch bei der Verteidigung gegen den Eindringling einzubringen, mit der verblüffenden Selbstverständlichkeit, mit der sie sich erst füreinander und dann für das Räuberhaus als neue Bleibe entscheiden. Etwas Besseres als den Tod haben sie gefunden.
Die Märchen der Brüder Grimm haben zugleich etwas Anziehendes und etwas Befremdliches, und wer sie Kindern und Erwachsenen in unserer Zeit näherbringen will, tut gut daran, diese Balance zu wahren. Der mexikanische Illustrator Gabriel Pacheco hat sich für eine nahezu theatralische Variante entschieden. Er stellt seine Figuren auf zumeist grau schattierte Flächen, auf denen er Bäume, Häuser, Zäune und spärliche Requisiten wie auf einem Bühnenbild verteilt.
Bei der abblätternden Farbe an Türen und Fensterläden oder den Lebensmitteln auf dem Räubertisch fast fotorealistisch, in den Dimensionen der Gebäude stark stilisiert, in den Figuren collagenhaft, wirken die Bilder gerade in ihrer Kargheit und Künstlichkeit suggestiv. Esel und Hund, bandagiert, mit Schnallenschuhen und Umhängen, erinnern an Figuren aus Gemälden von Breughel. Dabei haben sie menschliche Hände, und ihre Gesichter mit kreisrund aufgeschminkten roten Wangen wirken, als trügen sie Masken. Die Räuber in mit groben Nadelstichen zusammengehaltenen hellen Kitteln über Ringelstrümpfen sind ebenfalls wie für den Bühnenauftritt mit roten Wangen auf weißen Gesichtern geschminkt.
Der Expressivität der Figuren tut dieses Maskenhafte keinen Abbruch. Im Gegenteil: Vom Überfall der Stadtmusikanten auf das Räuberhaus an gibt der 1973 in Mexiko-Stadt geborene Künstler seinen Bildern eine Dynamik, die sich auch in den Gesichtern wiederfindet: Der Schrecken angesichts der aufeinanderhockenden Tiere, die Mischung aus Furcht und Wut, mit der ein Räuber den anderen wieder Richtung Haus schickt, die Ungläubigkeit der beiden, die im Wald auf die Rückkehr des Spähers warten und ihren arg gerupften Kumpanen, den zerbrochenen Besen vom Kampf im Haus noch wie ein Haarschopf auf dem Kopf, von einer Hexe, einem Messermann, einem Ungetüm und einem Richter berichten hören - all das ist in der Mimik deutlicher zu lesen als in der zurückhaltenden Erzählung selbst, die übrigens, auch wenn Pachecos Buch erstmals im Jahr 2010 unter dem Titel "Los cuatro amigos" im spanischen Verlag Kalandraka Editora erschien, in der deutschen Ausgabe aus der Fassung des Jahres 1857 adaptiert ist.
Interjektionen wie "ei was" bleiben erhalten, wenig gebräuchliche Wörter wie "Schelm" und "prophezeien" finden sich nach wie vor. Schließlich nimmt sich der Künstler die schönste Freiheit, über den Text der Grimms hinauszugehen: Obwohl es heißt, die Tiere wollten gar nicht wieder aus dem Haus heraus, so wohl gefiele es ihnen darin, zeigt Pacheco sie im Schlussbild beim gemeinsamen Musizieren vor der Tür.
Noten und Fermaten steigen auf und wehen weiter in den nächsten Baum, in dem noch der zerbrochene Besen hängt, dazu die Krücke des Hundes und ein paar Bandagen, die jetzt niemand mehr braucht.
FRIDTJOF KÜCHEMANN
Brüder Grimm: "Die Bremer Stadtmusikanten". Bilder von Gabriel Pacheco. Bohem Press, Affoltern am Albis 2020. 36 S., geb., 19,95 [Euro]. Ab 4 J.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Wie in einem Bühnenbild: Gabriel Pacheco illustriert "Die Bremer Stadtmusikanten" der Brüder Grimm
Etwas Besseres als den Tod findest du überall": Die Worte, mit denen der Esel in den "Bremer Stadtmusikanten" den Hahn überzeugt, sich den bislang drei Tieren auf der Flucht anzuschließen, klingen mehr als hundertsiebzig Jahre nach der Niederschrift durch die Brüder Grimm noch immer aktuell und universell. Drei treue Tiere, Esel, Hund und Katze, genügen den Leistungsansprüchen ihrer Besitzer nicht mehr. Sie sollten fortgeschafft, totgeschlagen oder ersäuft werden, haben lieber Reißaus genommen und sich zur weltberühmten Schicksalsgemeinschaft zusammengefunden. Nur der Hahn hat nicht an Flucht gedacht, sondern wollte aus vollem Halse schreien, bis er in die Suppe soll, weil sich Gäste angesagt haben.
Heute würde eine solche Geschichte von den Gefahren der Flucht handeln, vielleicht von den Vorbehalten unter den Leuten, bei denen die Flüchtenden schließlich ankommen und bleiben möchten, anerkannt und integriert. In der Mitte des neunzehnten Jahrhunderts erzählt das Märchen von einem Quartett, das eigentlich die erste Nacht seiner Flucht draußen im Wald verbringen will, dann aber ein Haus entdeckt, dessen Bewohner als Räuber erkennt und mit dem bekannten gemeinsamen musikalischen Auftritt vertreibt. Die vier verteidigen das eroberte Haus gegen einen zurückkehrenden Räuber, geben das ursprüngliche Ziel der Reise auf und bleiben.
Jedes Kind kennt die Geschichte heute, jedes Kind sollte sie zumindest kennen, mit der Entschlossenheit der Verbündeten, mit ihrer Bereitschaft, sich mit ihren unterschiedlichen Fähigkeiten sowohl beim geplanten Musizieren als auch bei der Verteidigung gegen den Eindringling einzubringen, mit der verblüffenden Selbstverständlichkeit, mit der sie sich erst füreinander und dann für das Räuberhaus als neue Bleibe entscheiden. Etwas Besseres als den Tod haben sie gefunden.
Die Märchen der Brüder Grimm haben zugleich etwas Anziehendes und etwas Befremdliches, und wer sie Kindern und Erwachsenen in unserer Zeit näherbringen will, tut gut daran, diese Balance zu wahren. Der mexikanische Illustrator Gabriel Pacheco hat sich für eine nahezu theatralische Variante entschieden. Er stellt seine Figuren auf zumeist grau schattierte Flächen, auf denen er Bäume, Häuser, Zäune und spärliche Requisiten wie auf einem Bühnenbild verteilt.
Bei der abblätternden Farbe an Türen und Fensterläden oder den Lebensmitteln auf dem Räubertisch fast fotorealistisch, in den Dimensionen der Gebäude stark stilisiert, in den Figuren collagenhaft, wirken die Bilder gerade in ihrer Kargheit und Künstlichkeit suggestiv. Esel und Hund, bandagiert, mit Schnallenschuhen und Umhängen, erinnern an Figuren aus Gemälden von Breughel. Dabei haben sie menschliche Hände, und ihre Gesichter mit kreisrund aufgeschminkten roten Wangen wirken, als trügen sie Masken. Die Räuber in mit groben Nadelstichen zusammengehaltenen hellen Kitteln über Ringelstrümpfen sind ebenfalls wie für den Bühnenauftritt mit roten Wangen auf weißen Gesichtern geschminkt.
Der Expressivität der Figuren tut dieses Maskenhafte keinen Abbruch. Im Gegenteil: Vom Überfall der Stadtmusikanten auf das Räuberhaus an gibt der 1973 in Mexiko-Stadt geborene Künstler seinen Bildern eine Dynamik, die sich auch in den Gesichtern wiederfindet: Der Schrecken angesichts der aufeinanderhockenden Tiere, die Mischung aus Furcht und Wut, mit der ein Räuber den anderen wieder Richtung Haus schickt, die Ungläubigkeit der beiden, die im Wald auf die Rückkehr des Spähers warten und ihren arg gerupften Kumpanen, den zerbrochenen Besen vom Kampf im Haus noch wie ein Haarschopf auf dem Kopf, von einer Hexe, einem Messermann, einem Ungetüm und einem Richter berichten hören - all das ist in der Mimik deutlicher zu lesen als in der zurückhaltenden Erzählung selbst, die übrigens, auch wenn Pachecos Buch erstmals im Jahr 2010 unter dem Titel "Los cuatro amigos" im spanischen Verlag Kalandraka Editora erschien, in der deutschen Ausgabe aus der Fassung des Jahres 1857 adaptiert ist.
Interjektionen wie "ei was" bleiben erhalten, wenig gebräuchliche Wörter wie "Schelm" und "prophezeien" finden sich nach wie vor. Schließlich nimmt sich der Künstler die schönste Freiheit, über den Text der Grimms hinauszugehen: Obwohl es heißt, die Tiere wollten gar nicht wieder aus dem Haus heraus, so wohl gefiele es ihnen darin, zeigt Pacheco sie im Schlussbild beim gemeinsamen Musizieren vor der Tür.
Noten und Fermaten steigen auf und wehen weiter in den nächsten Baum, in dem noch der zerbrochene Besen hängt, dazu die Krücke des Hundes und ein paar Bandagen, die jetzt niemand mehr braucht.
FRIDTJOF KÜCHEMANN
Brüder Grimm: "Die Bremer Stadtmusikanten". Bilder von Gabriel Pacheco. Bohem Press, Affoltern am Albis 2020. 36 S., geb., 19,95 [Euro]. Ab 4 J.
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